'Mord unter den Linden' - Seiten 197 - Ende

  • So, gestern vor dem Dienst hatte ich noch genügend Zeit um das Buch zu Ende zu lesen.
    Am Ende löst sich meines Erachtens alles schlüssig auf - Vitells Motive werden klar dargestellt, ebenso seine Beziehung zu Rieke. Die beiden waren schon ein seltsames Pärchen, jedoch hat der eine vom anderen profitiert, und ich glaube, dass Rieke Karl Vitell wirklich mochte und es für sie schlimm war mit anzusehen, wie er sich durch die Drogen verändert. Ich glaube auch, das Vitell Rieke wirklich mochte... Und eben immerhin haben beide voneinander profitiert, sie war für ihn gefällig damit er uneingeschränkt Zugriff auf Drogen hat und damit sein Plan aufgeht. Und sie wurde dafür von ihm vor weiteren Übergriffen von Seiten ihres Vaters geschützt.
    Was mir positiv aufgefallen ist, dass hier auf ein Happy End mit allem Drum und Dran verzichtet wurde. Rieke hat viel aufzuarbeiten und muss erst einmal sich selbst finden. Würde sie sich jetzt in eine Beziehung mit Otto stürzen, käme sie in die nächste emotionale Abhängigkeit.
    Sie ist für mich eindeutig die tragische Figur des Buches.
    Gerade im letzten Abschnitt wurden ihre Gefühle und Konflikte, die Auswirkungen des körperlichen und seelischen Missbrauchs deutlich spürbar für mich. Rieke wirkte sehr authentisch in ihrem Handeln und Fühlen. Sie hat eine sehr schwere Zeit vor sich - aber sie wird es schaffen, in ihr steckt eine starke Person!
    Otto muss erst einmal den Kopf frei bekommen und auch für sich alles aufarbeiten - immerhin wurde er, wenn auch nicht auf die Art wie bei Anna, wieder enttäuscht und die letzten Tage waren ziemlich turbulent...
    Ich sehe durchaus eine Zukunft für die beiden - aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt.
    Moses Entwicklung habe ich leider zu wenig kommentiert, aber mit Wohlwollen verfolgt! Ich mag den Burschen unheimlich gerne und bin froh zu sehen, das er lernwillig ist und sich zu einem guten Burschen gemausert hat! Ich hoffe, das seine Hautfarbe im kein Manko ist - zur damaligen Zeit war es sicher nicht üblich das Schwarze studieren oder? Ich drücke ihm auf jeden Fall die Daumen! Ebenso wie Ferdinand, der nun endlich eine gute Erfindung gemacht hat! Die drei Herren waren ein tolles Gespann!


    Ich muss das Buch noch etwas sacken lassen...
    Tim, Dir auf jedenfall schon mal vielen Dank fürs Begleiten der LR! Die Zusatzinfos waren ebenfalls toll! :wave

  • Dass sich am Ende alles schlüssig auflöst, hat mir auch sehr gut gefallen.


    Vielleicht kann Rieke wirklich eine neues Leben beginnen bei ihrer alten Freundin in Leipzig. Erstaunlich allerdings, dass die ihr schon eine Stelle besorgen konnte, das ging ja fix. Ich würde ihr wünschen, dass sie zur Ruhe kommt und sich auf sich selbst konzentrieren kann.


    Ich bin gar nicht so sicher, ob Otto überhaupt für eine Ehe geeignet ist. Jetzt zieht es ihn nach Amerika, da werden neue aufregende Dinge auf ihn zukommen. Ich sehe eher keine gemeinsame Zukunft für ihn und Rieke. Für Moses wird es sicher als Schwarzer in New York nicht einfach werden.


    Ich bin ein Fan vom Commussarius, der hat mir richtig gut gefallen :-).

  • Und schon ist das Buch zu Ende.


    Was für ein Showdown! Ein doppelter Hinterhalt, eine brennende Stadtvilla und dann noch ein Selbstmordversuch von Rieke!


    Ich finde es gut, dass sich am Ende alles aufklärt. Nur dass Otto immer noch nicht weiß, was Vittel in Courcelles widerfahren ist, aber das ist vielleicht besser so. Die Frau von Vittel finde ich ziemlich interessant. Dass eine Frau, auch einige Adlige, sich solch eine Exzentrik erlauben kann, toll!
    Schade finde ich, dass Jean-Pierres Aussage beim Radrennen wohl doch nicht nur ein Mittel zum Zweck, sondern anscheinend die Wahrheit war. Arme Anna... Wenigstens hier hätte es ein "Happy End" geben können :cry
    Ansonsten finde ich das Ende gut gelungen, nicht zu viel Kitsch und Romantik, sondern einfach die Wahrheit. Ich war schon ziemlich überrascht, Rieke auf einmal im Gefängnis wieder zu treffen.
    Funke und Otto sind gute Freunde geworden, das freut mich für Funke, der sonst außer dem Bild seiner Großmutter leider niemanden hatte.


    Auf gehts nach New York für Otto. Werden wir ihn, Moses und Ferdinand wiedersehen?

    "Leben, lesen - lesen, leben - was ist der Unterschied? (...) Eigentlich doch nur ein kleiner Buchstabe, oder?"


    Walter Moers - Die Stadt der träumenden Bücher

  • Die Auflösung war sehr schön - und auch für Happy End Fans wie mich in Ordnung. Ich würde mich sehr freuen, Otto auf einem neuen Abenteuer begleiten zu können. Jetzt bekommt das Buch erst einmal mein Vater zum Schmökern. Vielen Dank für die schöne Lesebegleitung, Tim! Es hat mir viel Spaß gemacht, neben der Lektüre deinen Erklärungen und Hinweisen zu folgen.


    :wave

  • Den vierten Abschnitt habe ich sozusagen in einem Rutsch durchgelesen. Zum Schluss hin nahm die Geschichte noch mal richtig an Fahrt auf. Zwischendrin hatte ich mal den Gedanken, ob die Handlung aufgrund der vielen Ereignisse nicht doch noch mit Informationen überladen wird - alles in allem war es am Ende jedoch für mein Empfinden stimmig.


    Dass es zuletzt doch auf Kommerzienrat Vitell hinausläuft hätte ich nach Beendigung des dritten Abschnitts ja nicht gedacht, aber vielleicht waren meine Vorstellungen vom sichtbaren Ausmaß seiner Drogenabhängigkeit falsch (ich frage mich, ob eine dermaßen weit fortgeschrittene Abhängigkeit sich so lange verstecken lässt - schließlich stand Vitell doch als gesellschaftlich hoch angesehener Mann ständig in der Öffentlichkeit).
    Bei den Vorkommnissen im Tunnel hatte ich den Eindruck, dass Vitell sich mit der letzten Spritze selbst ein Ende gesetzt haben könnte. Aber gut, dass er doch noch gefasst wurde und nun seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Im Gespräch mit Sanftleben wird auch endlich klar, welchen Plan er mit seinen Machenschaften überhaupt verfolgt hat.


    Sanftleben wurde von vornherein als Werkzeug benutzt, um die Polizei auf eine falsche Spur zu lenken. Hierbei half auch Rieke als Komplizin Vitells. Dies geht ihm nach Riekes Brief auf - wobei ihn allein der falsche Name des Motorschiffs stutzig macht. Die nachfolgenden Ereignisse überschlagen sich fast, den Überfall durch die Matrosen schlägt Sanftleben mithilfe des Commissarius, Ferdinand und Moses nieder. Dies stellt den entscheidenden Durchbruch zur Lösung des Kriminalfalls dar...


    Rieke erkennt, dass ihr Herz an Sanftleben hängt und sucht einen Ausweg aus ihrem Gefängnis. Ihr Vorgehen ist äußerst riskant (mich wundert, dass sie sich trotz der starken Rauchentwicklung in eine Ecke des Zimmers verkriechen kann), aber letztendlich entkommt sie Vitell. Die anschließende Begegnung mit ihrem Vater und die Auseinandersetzung zwischen den beiden ist für Rieke vermutlich wichtig, um sich aus der Abhängigkeit von ihrem Vater zu lösen und seine Schuld an ihrem Lebensweg zu erkennen. Auf diese Weise wird ihr ermöglicht, sich von ihrem bisherigen Leben abzuwenden und einen Neuanfang zu wagen. Ein Happy End zwischen Rieke und Sanftleben wäre meines Erachtens unpassend. Auch wenn Sanftleben sich um Rieke sorgt und ihr zu einem guten Start in Leipzig verhilft - der Vertrauensbruch, der zwischen Ihnen steht, ist für eine unvoreingenommene Liebe einfach zu groß.


    Sanftleben startet nach dieser erneuten herben Enttäuschung ebenfalls einen Neuanfang. Mich würde sehr interessieren, wie es ihm, Ferdinand und Moses im New York am Ende des 19. Jahrhunderts ergeht...

  • Zitat

    Original von LeseBär
    Dass es zuletzt doch auf Kommerzienrat Vitell hinausläuft hätte ich nach Beendigung des dritten Abschnitts ja nicht gedacht, aber vielleicht waren meine Vorstellungen vom sichtbaren Ausmaß seiner Drogenabhängigkeit falsch (ich frage mich, ob eine dermaßen weit fortgeschrittene Abhängigkeit sich so lange verstecken lässt - schließlich stand Vitell doch als gesellschaftlich hoch angesehener Mann ständig in der Öffentlichkeit).


    Das habe ich mich auch gefragt, ob sich so exzessiver Dorgenkonsum so lange verbergen lässt. Vor allem, wenn er mit so einer heftigen Wesensveränderung einhergeht.

  • Hm, also er sah ja kastrationsbedingt schon etwas verändert aus, da fällt ein Drogenkonsum vielleicht nicht so sehr ins Gewicht - wenigstens vom optischen her. Und ich könnte mir vorstellen, das Morphiumahängigkeit und Kokainabhängigkeit nichts ungewöhnliches waren - wurde es doch zur "Therapie" verwendet.
    Die Wesensveränderung lässt sich von willensstarken Menschen sicher bis zu einem gewissen Zeitpunkt gut verbergen oder überspielen - oder man tut es als Exzentrik ab, gerade wenn jemanden ein "Wohltäter" war wie Vitell. Da verzeiht man Macken oder übersieht sie einfach.
    Außerdem wurde glaub ich erwähnt, das er Kokain als Lösung zubereitet hat - er könnte die in kleinen Dosen zu sich genommen haben um wenigstens die Entzugssymptome zu unterdrücken. Drogenabhängige kennen da ihren Körper und dessen Reaktionen sehr genau.
    Zumindest soweit mal meine Theorie.

  • *erst einmal Atem holen* Die letzten Seiten hatten es wirklich in sich :grin


    Alles löst sich auf und wird logisch erlärt, vielen Dank dafür, schließlich ist dies nicht immer so ;-)


    Ich wünsche Rike für ihre Zukunft alles Gute und hoffe, dass sie dem Neuanfang schafft.


    Otto in New York, dass riecht förmlich mach einer neuen Story, oder kehrt er noch mal nach Berlin zurück und ermittelt noch mal mit dem Kommissarius?


    Vitell und Rikes Vater bekommen ihre gerechte Strafe.


    Mir persönlich ist das Schicksal von Rike sehr nahe gegangen. Ich konnte mich unglaublich gut in sie hineinversetzten. Man hatte zeitweise das Gefühl, dass sie dem Leser ihr innerstes offenbart. Wirklich sehr gelungen.


    Lieber Tim, vielen Dank für die spannende Unterhaltung und für die Begeitung der Leserunde :wave

  • Den letzten Abschnitt konnte ich heute in einem Rutsch lesen, da ich viel Lesezeit zur Verfügung hatte.


    Also ich kann sehr gut nachvollziehen, warum sich Rieke so sehr an Vitell gebunden hat und sogar für ihn mit von Grabow und dem Doktor geschlafen hat um diese für Vitell "gefügig" zu machen. Schließlich hat er sie nicht nur vom Selbstmord gerettet sondern auch vor ihrem Vater beschützt.
    Dass es kein Happy End in dem Sinne zwischen Rieke und Otto gab finde ich auch sehr real. Mich würd ja interessieren, was er so in New York erlebt. :-]


    Zitat

    Original von JaneDoe


    Das habe ich mich auch gefragt, ob sich so exzessiver Dorgenkonsum so lange verbergen lässt. Vor allem, wenn er mit so einer heftigen Wesensveränderung einhergeht.


    Die Frage hatte ich mir zu Ende des vorigen Abschnitts auch gestellt. Hier wurde ja dann aus Sicht von Rieke zumindest erwähnt, wie er sich in letzter Zeit verändert hat. Ich dachte mir auch, dass es auch nach aussen hin doch etwas auffälliger hätte sein müssen. Aber ansonsten ist die Lösung sowohl der politischen Attentate und der Kreuzigungen sehr gut nachvollziehbar und schlüssig gelöst. Beim Komplizen hatte es sich dann doch nicht ganz um Rieke sondern um seinen Leibwächter und die angagierten Matrosen gehandelt..


    Ich muß gestehen, dass ich anfangs nicht in der richtigen Stimmung für das Buch war und es eigentlich schon auf einen späteren Lesetermin verschieben wollte, aber schon nach den ersten Seiten konnte mich die Handlung für sich gewinnen. Das lag garantiert an den sehr gut ausgearbeiteten Personen, die mal nicht so ohne fehl und tadel sind! :wave

  • Ich habe den Rest des Buches (bereits am Samstag, hatte nur vorher keine Zeit zum posten) auch in einem Rutsch gelesen - ich konnte es einfach nicht zur Seite legen (sehr zum Ärger meines Mannes, der schlafen wollte :rofl). Was für ein Ende!!


    Ein Happy End hätte an der Stelle sicher nicht gepaßt (auch wenn ich es mir gewünscht hätte :chen). Vitell als Drahtzieher - darauf wäre ich nicht gekommen.


    Vielen Dank Tim für die spannenden Lesestunden und die intensive Begleitung bei dieser Leserunde! :wave


    Die Rezi folgt - aber soviel sei schon verraten für mich 9 von 10 Punkte! :-]


    edit: Eine Fortsetzung würde ich auch gerne lesen...