Der Festsaal Kreuzberg ist ein kleiner, schummeriger, gemütlicher, schnuckeliger Laden, in dem sicher eine sehr schöne Atmosphäre entstehen kann, denn die Bühne ist klein und Künstler und Publikum begegnen sich dort (fast) auf Augenhöhe. Meine Begleitung und ich pirschen uns also in die vordersten Reihen durch. Dann legt die Vorband "The Magnetic North" auch schon los, drei sympathische, junge Männer und eine schöne Frau in einem elfengleichen Kleid spielen unglaublichen Mist, das kann ich gar nicht beschreiben. Ist auch nicht weiter der Rede wert. Im Hintergrund läuft auf einer Leinwand ein Schwarzweiß- Film. Ich glaube, es geht um die ersten Amerikaeinwanderer aus Schottland. Oder so. Der Hiwi am Mischpult hat auf jeden Fall nicht aufgepasst (beim Ton auch nicht) und es ist nicht synchron, weswegen der Gitarrist immer heftige Zeichen in seine Richtung gibt, aber das Problem wird nicht behoben und so bekommt dieser Auftritt (unfreiwillig) doch noch einen gewissen Reiz.
Dann kommen "Other Lives" während dieses Gigs mitsamt ihren Instrumenten vor der Bühne vorbei und gehen erstmal in den Backstagebereich, um dann ihr komplettes Bühnenset erstmal selbst aufzubauen. Wie das jede Band ganz am Anfang mal gemacht hat- das ist sehr sympathisch, samt Linecheck dauert das Ganze aber unglaublich lange und zerrt an den Nerven, weil es mittlerweile doch sehr voll ist. Während ich ja recht groß bin und immer gut sehe, haut sich auf den letzten Minuten immer doch noch ein Zwei- Meter- Hüne vor meine etwas zu klein geratene Begleitung. Tja.
Dann geht es los. Other Lives kommen aus Oklahoma und machen schöne, getragene, verwobene Folkmusik, die sich aber nicht "alt" anhört, eher sentimental, melancholisch und melodiös, aber auch komplex und abwechlungsreich. Der Bassist wechselt zwischen Bass und Trompete, die Sängerin streicht einen Kontrabass, Xylophone werden geschlagen. Die Gesänge sind harmonisch und tragend, von Keyboards untermalt. Eigentlich sehr schön. Eigentlich. denn der Funke springt (bei uns) ganz und gar nicht über. Sänger Jesse Tabish hampelt in einer Tour irgendwie pathetisch euphorisch, aber leider so knüppeldicke überernst hinter seinem Keyboard rum, dass er mir schon nach der dritten Nummer unglaublich auf den Keks geht. Die schöne kontabaßspielende Sängerin zieht eine Flappe. Im Hintergrund wieder dieser Auswandererfilm. Rinderherden und Schafe, die in staubiger Landschaft geschoren werden, Pflüge in knochentrockener Erde, ernste Gesichter von bodenfegenden Frauen und all das. Wie "Unsere kleine Farm", aber in intellektuell. Und total langweilig, bzw auch brüllend komisch irgendwie.
Schwer zu sagen, weshalb es mir nicht gefallen hat. Die Musik mag ich ja und "schlecht" im handwerklichen Sinne war es nun ganz und gar nicht. Vielleicht war ich nicht in der richtigen Stimmung, oder ich hätte lieber gesessen. Es ist einfach nix passiert auf der Bühne, es hat mich gefühlsmäßig nichts erreicht.
Fakt ist- ich habe null Zugang gefunden. Alles war so unglaublich ernst und humorlos. Ich kam mir vor wie ein Backfisch, der während einem Gottesdienst mit ihrer Freundin kichert und dafür böse Blicke erntet.
Hier aber noch eine Empfehlung:
Wer "Cem's Burgerhouse" noch nicht kennt- da gibt es Junkfood vom Feinsten, was wir uns nach diesem eher enttäuschenden Gig noch reinziehen. Dabei kommen wir mit ein paar netten Türken ins Gespräch. Über nächtliche Essgewohnheiten, Musik und noch irgendwas. Wir stoßen mit unseren Coladosen aneinander und finden Berlin einfach dufte.