Fragen an die Übersetzerin Christiane Pöhlmann

  • Hallo,
    ich bin über das Wort "polkte" gestolpert. Was ist dessen Bedeutung, woher kommt es? Ist es etwas russisches?...
    Ute


    mein Mann hat das Wort im englischen erkannt: to poke. Im Zusammenhang mit Al Bundy und seiner Hand in der Hose.....
    Sollte mir das zu denken geben....?
    Ute

    Altes Land - Dörte Hansen :lesend
    Hörbuch: Kai Meyer - Die Seiten der Welt 1

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  • Darüber habe ich mich auch gewundert, aber ich habe es so verstanden wie "puksen" oder "popeln" (im Sinne von stochern).

  • Duden kennt es tatsächlich als stochern, fummeln...
    im englischen wird es to poke geschrieben...


    Vielleicht ist das auch der Übersetzung geschuldet?...
    Ich bin gespannt.
    Mir ist noch ein Wort aufgefallen, muss nur die Seite nochmal finden.
    Ute

  • An sowas wie Stochern dachte ich auch... Polken selbst kenn ich nicht, aber Pulen. Ich glaube, das ist so ein regionales Wort. Wie Pantoffeln, Puschen, Schluppen und Hausschuhe.. nennt jeder anders.


    Ich habe aber auch eine Frage (auch wenn ich die grad in einem anderen Beitrag schon gestellt hab, hier gehört sie wohl eher hin): Wie funktioniert das Wortspiel mit dem Eipott? Der heißt ja so, weil Trix was mit Ei Pottstausend gesagt hat... wie war das im Original? Die Übersetzung find ich nämlich total gut und das würde mich echt interessieren. :-)

  • Danke fürs Kompliment. Das war im ersten Band vermutlich die Stelle, mit der alles stand und fiel. Darüber habe ich mir schon vor der eigentlichen Übersetzung Gedanken gemacht. Die einzige "Freiheit", die ich mir dann noch erlaubt habe, war, dass Trix" erstes Wort "Ei pottstausend" ist - damit es später, an der "Eipott-Stelle" möglichst genauso natürlich klingt wie im Russischen.

  • Im Abschnitt zu den Seiten 1 – 75 wurde die Frage gestellt, wie schwer es war, den Wortwitz rüberzubringen. Ich hol mal ein bisschen aus.


    Der Vorteil ist ja, dass ich das ganze Buch zur Verfügung habe. Wenn also ein Witz mal wirklich nur im Russischen funktioniert, habe ich immer noch die Möglichkeit, diese spezielle Stelle nicht als Witz zu übersetzen, dafür aber vielleicht an anderer Stelle einen Witz "einzuschmuggeln". Wichtig ist mir dabei, dass der Charakter und die Tonlage ingesamt gewahrt werden.


    Bei "Trix 2" gab es etwas mehr Herausforderungen als bei "Trix 1" – aber das hat die Arbeit nur noch interessanter gemacht.


    Es ging gleich im ersten Kapitel los, als Trix den Zauber "Rollende Steine" wirkt. Im Russischen ist es jedoch der Zauber "Rammstein" bzw. die russische Übersetzung des Bandnamens. Das klingt sehr witzig, ginge aber in der Rückübersetzung verloren. Da musste ich dann eine Alternative bzw. Parallele finden, die genauso plausibel klingt.


    Bei manchen Stellen funktioniert ein Witz zwar auch im Deutschen, allerdings etwas anders. Ein Beispiel ist die Stelle mit dem "Alten neuen" und dem "Neuen neuen" Jahr, die im Deutschen ganz gut rüberzukommen scheint. Im Russischen hat sie noch einen etwas anderen Hintergrund, weil es da ja tatsächlich das "Alte neue" und das "Neue neue" Jahr gibt (wegen der Kalenderreform).


    Am problematischsten war vielleicht die Anspielung auf "Anna Karenina". Dieser Romananfang ist im Russischen sehr bekannt, im Deutschen eher nicht so. Ich hätte zwar auch ein anderes Zitat suchen können, habe dann aber entschieden, die Stelle so zu lassen, auch wenn vielleicht nicht alle die Anspielung verstehen. Der Roman strotzt ja insgesamt nur so von Zitaten, Anspielungen und Reminiszenzen – und auch im Russischen kriegen nicht alle alles mit (z. B. das Zitat aus der Erklärung der Menschenrechte, die König Marcel auf dem Sterbebett vom Stapel lässt).


    Vieles funktioniert aber auch in beiden Sprachen gleich gut, z. B. IBM.


    Ich glaube, entscheidend ist bei einer solchen Übersetzung, sich nicht an bestimmten Details festzubeißen. Die Stelle mit dem "Alten neuen" und dem "Neuen neuen" Jahr ist ein gutes Beispiel. Wenn sie gut ankommt, finde ich sie gelungen – auch wenn die Akzente vielleicht etwas verschoben sind.

  • Zitat

    Original von Christiane P.
    Zum Eipott: Im Russischen heißt es da wörtlich: Autsch, unter dem Einband steckt ja noch die Nadel - "Autsch, unter" ergibt "Eipott" (bzw. im Russischen: Ej, pod).


    Ich dachte es ist eher auf das apple-gerät bezogen gewesen..... :grin

    Gruss Hoffis :taenzchen
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    :lesend Der fünfte Tag - Jake Woodhouse
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  • Christiane P.
    Vielen Dank für diesen interessanten Einblick! Ist ja witzig, dass an der Stelle mit den Rollenden Steinen im Original Rammstein steht. Aber so gesehen, Steine sind bei beiden. :lache


    Ich kann ja bisher noch nicht viel zu Teil zwei sagen, aber ich möchte auf jeden Fall anmerken, dass ich Deine Arbeit in Band 1 sehr bewundert habe. Es war sicher nicht einfach den locker-flockigen Ton beizubehalten und die Anspielungen unterzubringen ohne dass es gestelzt und gezwungen komisch wirkt. Und das ist dir wirklich super gelungen. Das wollte ich unbedingt mal gesagt haben. :-)


    Mag man solche Herausforderungen als Übersetzer eigentlich lieber weil sie mal was besonderes sind und nicht nur das alltägliche widerspiegeln (vielleicht sogar richtig Spaß machen) oder gibt es auch Momente wo Du dir die Haare gerauft und den Lukianenko verflucht hast? :lache

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Sergej Lukianenko verfluchen? – Ich glaube, alle Flüche von Übersetzerinnen und Übersetzern gegen Werke oder Schriftsteller und Schriftstellerinnen sind schon so oft ausgestoßen worden, dass sie längst ihre magische Kraft verloren haben. ;) Aber Spaß beiseite: Nein, habe ich nicht. Es gab zwar einige knifflige Stellen, bei denen es echt harte Arbeit war, sie locker rüberzubringen – aber das ist alles vergessen, wenn es klappt und auch bei der Leserschaft gut ankommt. (Ich genieße diese Leserunde daher auch ...)


    Außerdem macht es mir großen Spaß, witzige Bücher aus dem Russischen zu übersetzen. In vielen Köpfen hält sich ja immer noch das Vorteil, alles Russische sei düster und schwermütig. Zu zeigen, dass das nicht so ist, finde ich schon sehr reizvoll. In Russland gibt es eine lange und auch heute noch sehr lebendige Tradition des Witzeerzählens, es gibt wunderbare satirische Literatur, ja, sogar Dostojewski hat einige kurze, echt amüsante Texte geschrieben.

  • Danke für deine ausführliche Antwort Christiane. Darf ich gleich noch eine Frage hinterherschieben?


    Wie gehst du bei Wörtern vor, die es im Deutschen nicht gibt, z.B. Namen für Länder oder auch Protagonisten? Ich vermute, dass die manchmal Buchstabe für Buchstabe übersetzt keinen Sinn ergeben, oder?


    Beispiele aus der deutschen Übersetzung: Dachrian oder Samarschan oder Abnuwas und Akhosogud?


    Dachrian assoziiere ich mit Drachen, Samarschan mit Samarkand und der Abnuwas ist für mich "der Sohn von" von abu, aber der letzte Name ist für mich eine willkürliche Buchstabenaneinanderreihung, bei der ich mich schwer tue, sie mir als Namen zu merken.

    smilie_sp_274.gif
    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Zitat

    Original von Suzann
    aber der letzte Name ist für mich eine willkürliche Buchstabenaneinanderreihung, bei der ich mich schwer tue, sie mir als Namen zu merken.


    Wenn ich da mal antworten darf, dann ist der Name des Großwesirs eine Anspielung auf die französische Comic-Figur des Großwesirs Isnogud (übrigens vom einen Vater der Asterix und Obelix-Comics) :wave
    Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Isnogud

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

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  • Wie gehst du bei Wörtern vor, die es im Deutschen nicht gibt, z.B. Namen für Länder oder auch Protagonisten? Ich vermute, dass die manchmal Buchstabe für Buchstabe übersetzt keinen Sinn ergeben, oder?


    Ehrlich gesagt, hatte ich einige Gewöhnungsschwierigkeiten bei den russischen Namen für Sultan, Wesir und MP. Der Sultan heißt "Abnuwas", das fand ich überhaupt kein Problem. Dann tauchten jedoch "Abluchaj" und "Alchasab" auf. Da Trix die Namen verwirrend findet und durcheinanderbringt, als er sich mit Ilin unterhält, hatte ich da wenig Spielraum. Ich konnte also nicht einfach was mit "B" und "C" wählen oder die drei "Tick, Trick und Track" nennen. Als ich dann auf die Idee gekommen bin, dem einen den Namen "Abrakadasab", dem anderen den "Akhsogud" zu geben, fühlte sich die Sache für mich ziemlich rund an. Ich habe dann mal in meinem Umfeld rumgefragt, wer Isnogud kennt, das ging eher so fifty-fifty aus; trotzdem bin ich dann bei der Lösung geblieben.


    Im Allgemeinen versuche ich aber, die Namen beizubehalten, schon damit diejenigen, die das Buch auf Russisch gelesen haben, sich mit denen, die es auf Deutsch kennen, verständigen können. Bei den Hauptfiguren und Ortsnamen ging das auch gut. Es gab aber einige Nebenfiguren, da stand eindeutig der Witz oder die Anspielung im Vordergrund. So was handhabe ich individuell: Wenn es eine Parallele gibt – und ich sie finde ;) –, wähle ich die, wenn nicht, versuche ich, es zumindest als aussprechbare Variante wiederzugeben.

  • Zitat

    Original von Paradise Lost
    Ich kann ja bisher noch nicht viel zu Teil zwei sagen, aber ich möchte auf jeden Fall anmerken, dass ich Deine Arbeit in Band 1 sehr bewundert habe. Es war sicher nicht einfach den locker-flockigen Ton beizubehalten und die Anspielungen unterzubringen ohne dass es gestelzt und gezwungen komisch wirkt. Und das ist dir wirklich super gelungen. Das wollte ich unbedingt mal gesagt haben. :-)


    :write


    Dem schließe ich mich an, habe selten ein so gelungen übersetzes Buch gelesen und war insbesondere wegen der zahlreichen Wortspiele und Anspielungen sehr beeindruckt. :-) (Und als Übersetzerin bin ich da schon recht kritisch. Russisch kann ich allerdings überhaupt nicht.)

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")

  • Zitat

    Original von Christiane P.
    Auch diesmal ein herzlicher Dank fürs Kompliment.


    Bei der Gelegenheit hätte ich auch einmal eine Frage: Wie stehst Du bzw. wie steht ihr zu der Behauptung, bei einer Übersetzung gehe viel verloren?


    Ich lese englische Bücher lieber im Original, weil sich leider nicht alle Übersetzer so viel Mühen geben (können) wie Du. Das ist manchmal gerade im Krimibereich haarsträubend, was rauskommt. Hier merkt man einfach, dass Du wahnsinnig viel Arbeit investiert hast. Ich kann zwar kein Russisch, aber ich denke, dass Deine tolle Übersetzung genau das wiedergibt, was Herr Lukianenko ausdrücken wollte.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)