Madeline Miller: Das Lied des Achill

  • 'Das Lied des Achill' faßt den Troja-Mythos in einen unterhaltsamen Roman, zentriert auf Achill, erzählt aus der Perspektive von Patroklos, der in dieser Interpretation als Liebhaber des halbgöttlichen Kriegers erscheint.
    Patroklos, Prinz in einem entfernten Königreich, ist eine Enttäuschung für seinen Vater, denn er ist kleiner, schwächlicher und weniger wehrhaft als andere Jungen. Dennoch nimmt sein Vater ihn mit zur Brautschau der schönen Helena, bei der diese aus der Menge der Bewerber einen Ehemann erwählen soll, und Patroklos, der noch ein Kind ist, soll sich in diese einreihen.
    Als es beinahe zum Kampf um ihre Gunst kommt, schlägt Odysseus vor, einen Pakt zu schwören, dass alle abgewiesenen Bewerber den einen, den sie erwählt, unterstützen sollen. So geschieht es, sie wählt den König Menelaos, und die Sache ist für viele Jahre vergessen. Patroklos, der bei einem Unfall einen anderen Jungen tötet, wird verbannt und gelangt an den Hof von Achills Vater, wo er mit anderen Jungen zu einem Krieger herangezogen werden soll. Doch Kampf ist nicht seine Sache. Dafür weckt er das Interesse des Kronprinzen Achilles, der vom König mit der Nymphe Thetis gezeugt wurde, und um dessen Gunst alle buhlen. Achill erwählt nun ausgerechnet den schwächlichen Patroklos zu seinem Gefährten, und fortan sind sie untrennlich. Gemeinsam durchlaufen sie ihre Ausbildung, und gemeinsam ziehen sie auch in den trojanischen Krieg, als der trojanische Prinz Paris die schöne Helena aus Menelaos' Haus entführt und sein Bruder Agamemnon alle griechischen Herrscher unter dem Vorwand mobilisiert, die Schande zu sühnen und Helena zurückzuerobern.
    Patroklos zieht selbst nicht in die Schlacht, sondern macht sich im Lager als Wundarzt nützlich und hütet Achills Zelt. Achill erlangt unsterblichen Ruhm in den Schlachten vor Trojas Toren, vermeidet jedoch die Konfrontation mit dem unbesiegbar scheinenden Prinzen Hektor, Paris' Bruder, denn es gibt eine Weissagung, dass er fallen wird, wenn Hektor tot ist. Der Rest der Geschichte folgt in den Grundzügen ebenfalls der Illias - Agamemnon beansprucht das Mädchen Briseis, Achilles Ehrengabe, für sich. (Wobei Achill in diese nicht verliebt ist, sondern sie nur zu sich nimmt, um sie vor den groben Soldaten zu beschützen - vor allem gedrängt durch Patroklos, der ein weiches Herz hat). Achill, tödlich beleidigt, weigert sich, zu kämpfen. Die Griechen erleiden schwere Verluste und betteln Achill an, doch wieder ins Feld zu ziehen. Schließlich überredet Patroklos ihn, ihn in seiner Rüstung mit den Myrmidonen ziehen zu lassen, wegen der moralischen Wirkung. Einmal in der Schlacht, erliegt Patroklos jedoch dem Rausch der Jagd, hält sich nicht an sein Versprechen, sich aus den Kampfeshandlungen herauszuhalten, und wird von Hektor getötet, der ihn für Achill hält. Achill schwört Rache, erschlägt Hektor, schändet seinen Leib... der Rest ist Geschichte.
    Ich habe den Roman beim Lesen gemocht, und die zarte Liebesbeziehung zwischen Patrokolos und Achill hat ihren Reiz, auch wenn die historische Vorlage an einigen Stellen mit dem groben Hammer zurechtgebogen werden musste, um in diese Interpretation zu passen ;-)
    Ich hatte den Eindruck, dass die Schilderung der Charaktere stark inspiriert ist von Wolfgang Petersens Verfilmung 'Troy' mit Brad Pitt als strahlendem Achill, und Eric Bana als Hektor. Was der Geschichte aber keinen Abbruch tut. Auf alle Fälle die unterhaltsame und durchaus spannende Nacherzählung des Homer-Epos, mit etwas künstlerischer Freiheit an der einen oder anderen Stelle.
    Das Buch ist kein schwergewichtiger historischer Roman, dafür geht es zu wenig in die Tiefe und in die Atmosphäre; der Schwerpunkt liegt hier auf der Charakterzeichnung und der Interaktion zwischen den beiden Gefährten, sowie Patroklos' Gefühlswelt, der als Ich-Erzähler auftritt.
    Dennoch durchaus lesenswerte, leichte Lektüre.


    ASIN/ISBN: 3961610827

    Ich hab' mich verirrt.
    Ich bin dann mal weg, um nach mir zu suchen.
    Sollte ich zurückkommen, bevor ich wieder da bin, sagt mir bitte, ich soll hier warten!

  • Zitat

    Original von elwe
    Ich habe den Roman beim Lesen gemocht, und die zarte Liebesbeziehung zwischen Patrokolos und Achill hat ihren Reiz, auch wenn die historische Vorlage an einigen Stellen mit dem groben Hammer zurechtgebogen werden musste, um in diese Interpretation zu passen ;-)


    Och, da braucht man aber bestenfalls ein winziges Hämmerchen. :grin Ich glaube, Homer sagt es zwar nicht so offen, aber trotzdem knistert es schon in der "Ilias" zwischen den Zeilen, fand ich zumindest. Allerdings war ich wohl auch beeinflusst von Alexander, der die "Ilias" wohl auch als homoerotisches Buch gelesen hat.


    Ich glaube, den Roman gucke ich mir mal näher an. :wave


    Cool, das Buch kostet als eBook nur 9.99. Soviel zu "Ebooks sind fast so teuer wie die Printausgabe."
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  • Zitat

    Original von Delphin
    Och, da braucht man aber bestenfalls ein winziges Hämmerchen. :grin Ich glaube, Homer sagt es zwar nicht so offen, aber trotzdem knistert es schon in der "Ilias" zwischen den Zeilen, fand ich zumindest. Allerdings war ich wohl auch beeinflusst von Alexander, der die "Ilias" wohl auch als homoerotisches Buch gelesen hat.


    Na, da ist schon was dran :grin.
    Allerdings wird die Sache mit Briseis dann schon kompliziert, denn in einer Liebesgeschichte des 21.Jh. ist man seinem Liebhaber ja gefälligst treu :grin

    Ich hab' mich verirrt.
    Ich bin dann mal weg, um nach mir zu suchen.
    Sollte ich zurückkommen, bevor ich wieder da bin, sagt mir bitte, ich soll hier warten!

  • Zitat

    Original von elwe
    Allerdings wird die Sache mit Briseis dann schon kompliziert, denn in einer Liebesgeschichte des 21.Jh. ist man seinem Liebhaber ja gefälligst treu :grin


    Eigentlich würde mich das Buch auch reizen, weil ich seit meiner Kindheit eine Schwäche für den Trojanischen Krieg habe, aber der Satz schreckt mich doch etwas ab. Politisch korrekter Krieg und vor allem PC Achilles?! Wie geht das?

  • Fertig. Wie erwähnt, hat mich das Buch nicht zuletzt deshalb gereizt, weil ich seit allerfrühester Kindheit eine Schwäche für die Griechischen Heldensagen hatte und man da am Trojanischen Krieg und Achilles nicht vorbei kommt.
    Und, ja, ich kann mich elwes abschließender Meinung mehr oder anschließen, denn das Buch hat sich für mich von selbst und recht angenehm gelesen, blieb dabei aber ein wenig flach.


    Am besten scheint mir tatsächlich der romantische Aspekt gelungen zu sein, wie man aus Patroklos' Sicht miterlebt, wie sich zuerst die Freundschaft der unterschiedlichen Knaben entwickelt und dann nach und nach sehr viel mehr, bis die beiden die jeweiligen Lieben ihres (kurzen) Lebens werden. Das betrifft vor allem den ersten Abschnitt des Buches, ehe es sie vor Troja verschlägt.


    Kurzer Exkurs zur beziehungstechnischen Frage. Seit ich alt genug war, die feinen Unterschiede in menschlicher Sexualität zu verstehen, war für mich sonnenklar, dass Achilles und Patroklos ein Paar waren, weil Achilles' kompletter Zusammenbruch und Wahnsinn nach dessen Tod nur so einen Sinn für mich ergibt.


    Apropos. Ich hatte mich gefragt, wie Miller das Problem von Patroklos' vorzeitigem Tod lösen will, wo er doch der Ich-Erzähler ist. Ein hübscher, kleiner Trick, ihn einfach als Schatten anwesend bleiben zu lassen. Und es passt hier durchaus, da sich das Buch zwar wie ein historischer Roman liest, aber sich hier doch auch Leute, Wesen wie die Nereide Thetis tummeln, andere GöttInnen aus dem Hintergrund eingreifen und Prophezeiungen nicht nur niemals hinterfragt werden, sondern sich auch als wahr erweisen. Sehr schön gemacht auch, wie sich die Ereignisse schließlich so zusammenfügen, dass sie erfüllt werden können, als Hektor die eine Tat begeht, die Achilles mehr als persönlich nimmt und somit sein Schicksal besiegelt.


    Was für mich nicht funktioniert hat, war die Umwidmung von Patroklos als das, was ich "zeitreisender" Held nenne, nämlich einer, der die Werte unserer Zeit in seine einzuschmuggeln versucht. Patroklos ist kein Kämpfer, stattdessen Heiler? Er rettet Briseis (zweimal!) vor Vergewaltigung, er eröffnet im Myrmidonenlager ein Heim für zu schützende Sklavinnen, die dann brav und anständig geheiratet werden? Klar.
    Vielleicht habe ich mir deshalb auch schwer getan, aus seiner Sicht aus Achilles schlau zu werden, der uns zwar einerseits als netter Kerl verkauft wird, der halt vom Schicksal getrieben wird, andererseits halt auch ein paar weniger schöne Taten begeht, selbst wenn Miller gelegentlich bügelnd eingreift und zB Troilus' Tod etwas anders darstellt. Hier scheint es sich mir ein wenig zu rächen, dass sie Patroklos aus seiner Sagenrolle herausgenommen und verändert hat und gleichzeitig Achilles zu übermenschlich präsentiert, was hier insofern zweideutig zu verstehen ist, als er für mich relativ blass geblieben ist.


    Recht gut gefallen hat mir wiederum, wie sie der Sage ansonsten doch relativ treu gefolgt ist, bis hin zu Achilles' Versteck bei Lykomedes oder der Tatsache, wie blutjung die beiden sind und ganz speziell Neoptolemos, bei dem die Erziehung durch die göttliche Großmutter eine elegante Erklärung liefert, warum er mit 12 ein bisschen gar frühreif ist.


    Ein wenig irritiert hat mich dann allerdings, wie eilig Miller es nach dem Tod unserer Helden hatte, den Krieg zu beenden. Das ging so schnell, dass ich es fast überlesen hätte. Keine Erwähnung zB unter welchen Umständen Menelaos seine wiedergefundene Gattin empfangen hat. (Für mich die ultimative Ironie der Geschichte, dass sie nach den 10 Jahren einfach so wieder mit nach Sparta gekommen ist, als wäre nie was gewesen.) Oder, es wurde zwar erwähnt, welches Ende Neoptolemos genommen hat, aber nicht Agamemnon, nachdem sie der armen Iphigenie doch keine rettende Entrückung gegönnt hat?


    Trotzdem, alles in allem ein recht nettes Buch, das allerdings wohl mehr denen zu empfehlen ist, die sich für Achilles und Patroklos speziell interessieren, da die Schilderung des Trojanischen Krieges ein wenig oberflächlich und gehetzt wirkt.


    Ich habe u.a. englische Ausgabe gelesen.
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  • Das Lied des Achill von Madeline Miller


    Ich habe es vor ein paar Tage abgeholt und dann auch gelesen - eigentlich mehr verschlungen. :-)
    Es ist ein sehr interessantes Buch, nur finde ich es oft schade, dass Achill immer irgendwie ziemlich egoistisch auf mich wirkt. Vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet, aber ich fand es etwas ...störend.
    Ansonsten war es ein guter Kauf.~



    ~Faustina

    ,,Welch ein Künstler geht mit mir zugrunde!"
    - Nero, 68 n. Chr. -
    ,,Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zuviel Zeit, die wir nicht nutzen." - Seneca -
    ,,Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen." - Aristoteles -

  • Achill wird ein schon als kleinem Junge eine große Zukunft vorher bestimmt. Als Halbgott soll er der beste Krieger aller Zeiten werden. Nur darauf konzentriert sich sein Leben. Alle Jungen und Mädchen umgarnen ihn, doch er interessiert sich vor allem für Patroklos, einem in Ungnade gefallenen Prinzen, einem Außenseiter.


    Ich weiß nicht genau, was ich erwartet habe, aber auf jeden Fall nicht einen solchen einfühlsamen Roman. Wahrscheinlich bin ich von einer Art historischen Roman, der im antiken Griechenland spielt, ausgegangen. Doch auch wenn der Roman das Leben des Achills zum Thema hat, ist dieses Buch für mich vor allem eins: eine wunderschöne Liebesgeschichte. Durch die Annahme, dass es die alten griechischen Götter tatsächlich gibt und diese auch in das Geschehen auf der Erde eingreifen, war für mich auch schnell ein historischer Roman mehr oder weniger ausgeschlossen.


    Die Autorin erschafft uns zwei konträre Charaktere: Achill, der wendige Kämpfer, ein Halbgott, von allen verehrt. Und Patroklos, ein Denker, tollpatschig, ein Außenseiter. Dennoch nähern die beiden sich an und aus Freundschaft wird bald mehr, so dass der Roman nicht nur irgendein Liebesroman zwischen Mann und Frau ist, sondern zur queeren Literatur gezählt werden kann. Wie natürlich die beiden miteinander umgehen, wie vertraut sie sich begegnen, liebevoll und ohne Spielchen, Intrigen, Unklarheiten etc. ist sehr schön zu lesen. Trotzdem wartet das Buch mit einer großen Spannung auf, die nur am Anfang darauf baut, wie sich die Beziehung zwischen den Beiden entwickelt. Vielmehr schafft die Autorin einen Plot, indem die Liebenden gemeinsam durch dick und dünn gehen müssen. Wie sie dabei immer zueinanderstehen und füreinander einstehen... so stelle ich mir einen lesenswerten Liebesroman vor!

    Der "historische" Plott, die Saga rund um Achill und die Schlacht von Troja waren dabei für mich das Sahnehäubchen. Ich habe eine Schwäche für solche Themen und diese Geschichte wurde schön und plastisch erzählt. Es war keine x-beliebige Nacherzählung, die schlecht umgesetzt war. Miller hat einen wunderbaren Schreibstil.


    Somit war das Buch für mich ein Lesevergnügen durch und durch!