Fische füttern - Fabio Genovesi

  • OT: Esche Vive


    Kurzbeschreibung:
    Fiorenzo träumt von der großen Liebe und will mit seiner Band berühmt werden. Tiziana hat nach einem Studium im Ausland hochfliegende Pläne. Mirko ist ein Ass auf dem Rennrad und macht sich Hoffnungen auf eine Profikarriere. In einem kleinen Dorf in der toskanischen Provinz treffen die drei durch einen Zufall aufeinander und erleben einen Sommer, der ihr Leben für immer verändern wird.
    Mit Humor, Ironie und Weisheit zeigt Fabio Genovesi, wie seine Helden ihren Platz im Leben finden. Er erzählt von Freundschaft, erster Liebe und Enttäuschung, von Musik, Radsport und Angelei - und davon, dass die besten Dinge oftmals gerade dann geschehen, wenn man sie am wenigsten erwartet.


    Über den Autor:
    Fabio Genovesi, geboren 1974, lebt in Forte dei Marmi am Ligurischen Meer. Er ist Bühnenautor, Drehbuchschreiber, freier Redakteur für "Rolling Stone", "Vanity Fair" und andere Zeitschriften, Übersetzer, Trainer für den Radsportnachwuchs und begeisterter Sportfischer. All dies findet seinen Niederschlag in seinem Roman "Fische füttern", für den er in Italien zu Recht als originelle neue Erzählstimme gefeiert wird.


    Meine Rezension:
    Fabio Genovesis Helden sind ganz normale Menschen, wie sie nebenan wohnen, wie man sie kennt, wie man vielleicht selbst mal war: Da ist der 19-jährige Fiorenzo, der durch einen Unfall eine Hand verloren hat und in einer Heavy-Metal-Band spielt. Da ist der Grundschüler Mirko, der unglaubliche Leistungen auf dem Rennrad vollbringt und nur "Der kleine Champion" genannt wird. Und da ist Tiziana, Anfang 30, die nach einem Auslandsaufenthalt mit großen Karriereplänen zurück in ihr Heimatdorf gekommen ist und nun - schlecht bezahlt - in einer Jugendhilfestation arbeitet, die meistens von den Senioren des Ortes als Treffpunkt belagert wird.
    Sie alle haben große Träume und jede Menge Probleme, die ihnen das Leben schwer machen. Im Sommer, von dem hier berichtet wird, treffen alle drei auf unterschiedliche Art aufeinander und diese Begegnungen verändern ihr Leben - sie alle müssen erfahren, wie schön und zugleich schmerzlich das Leben sein kann, aber dass es sich trotz aller Widrigkeiten lohnt, weiterzumachen. Jeder der drei Figuren hat Genovesi eine eigene Erzählperspektive zugedacht, so erzählt Fiorenzo aus der Ich-Perspektive, Tizianas Szenen werden aus der Du-Perspektive und Mirkos aus der Perspektive eines Erzählers berichtet, so dass der Leser schon am Stil erkennt, um wen es im folgenden geht. Obwohl ich es nicht an einem bestimmten Kriterium festmachen kann, ist der Funke beim Lesen zwar übergesprungen, trotzdem stellte sich keine totale Begeisterung ein. Gut gefallen hat mir, dass Genovesi mitten aus dem Leben heraus erzählt, sein leichter Stil nicht die ernsten Momente verbirgt, sie aber mit einem Augenzwinkern versieht, so dass ihnen die Schwere genommen wird. "Fische füttern" ist ein gelungener Coming-of-Age-Roman für (junge) Erwachsene, der zwar nicht das Rad neu erfunden hat, aber sympathische Figuren und authentische Szenen bietet.


    Gute 7 Punkte von mir.

  • „Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.“ Dieses Zitat von John Lennon hatte Fabio Genovesi vermutlich im Hinterkopf als er seinen Debütroman schrieb. „Fische füttern“ beschreibt den Alltag in einem typischen Dorf in der Toskana. Die überschaubare Anzahl an Bewohnern lässt es zu, dass jeder jeden kennt und auch immer ein Auge auf den Nachbarn geworfen wird. Hauptcharakter ist dabei Fiorenzo. Seit dem frühen Tod seiner Mutter lebt er nur mit seinem Vater zusammen, der einen Anglerladen betreibt. Durch einen Sprengstoffunfall verlor er als Heranwachsender seine rechte Hand. Fiorenzos Lebenstraum ist es, mit seiner Heavy-Metal-Band eine erfolgreiche Kariere zu starten. Doch zunächst muss er sich erstmal auf das Abitur vorbereiten, falls denn vor lauter Alltagsärger dafür überhaupt Zeit bleibt.


    Fiorenzos Alltag setzt sich zusammen aus der gespannten Beziehung zu seinem Vater und der Arbeit im Laden. Durch die erhöhte Leistungserwartung seines Vaters gibt immer wieder Streit zwischen den beiden. Seit dem Unfall ist Radsport für Fiorenzo schwierig und sein Vater zieht sich von ihm zurück. Stattdessen fördert er den neunjährigen Außenseiter Mirko, der sich mehr aus Langeweile zu Höchstleistungen anspornen lässt. Dabei muss er die bittere Erfahrung machen, dass Erfolg nicht nur Freunde macht. Der Junge verkörpert in diesem Roman den Charakter, der von allen Seiten bedrängt wird und seinen eigenen Weg erst noch finden muss. Sämtliche Möglichkeiten scheinen dafür offen zu sein.


    Sowohl Fiorenzo als auch Mirko bewundern Tiziana. Sie hat in Rom studiert und kehrt nun in ihr Dorf zurück. Ihre Träume mussten sich der Realität anpassen und so gibt sie Mirko Nachhilfeunterricht. Auch ihr Charakter wurde passend platziert. Die 32-jährige hatte eigentlich Pläne, ihr Leben im fernen Rom zu verbringen. Eine gescheiterte Liebe ließ sie aber zurückkehren. Auch hier wird deutlich, dass bestimmte Altersstufen die Weichen für die Lebensabschnitte stellen.


    Eindrucksvoll beschreibt der italienische Autor das Miteinander in dem fiktiven Dorf Muglione und greift mit seinem Roman ein interessantes Thema auf. Es geht um das Wählen seines Lebensweges unter Berücksichtigung seiner Möglichkeiten. Er stellt seine Charaktere ins Rampenlicht und macht damit jede noch so kleine Facette sichtbar. Die Protagonisten werden so eingehend beschrieben, dass ihre Beweggründe fürs Handeln jederzeit nachvollziehbar sind. Durch den Wechsel der Sichtweisen hat der Leser einen umfassenden Kenntnisstand aller Emotionen. Das Erzähltempo gleicht dabei dem beschaulichen Dorfleben. Selten passiert mal etwas Aufregendes, sodass der Stil eher einem ruhig dahinfließenden Wasserlauf ähnelt, der ab und zu durch eine Stromschnelle unterbrochen wird. Zum Ende entwickelt der Roman diesen philosophischen Ansatz, wenn Genovesi das Leben mit dem Wasser der Erde vergleicht. Die verbal hervorgerufenen Bilder transportieren die Botschaft mit einer außergewöhnlichen Leichtigkeit. Fische füttern ist ein Buch, auf das man sich einlassen muss. Je besser man mit den Darstellern bekannt wird, desto mehr zieht die Geschichte einen in seinen Sog. Genovesi ist ein Autor, dessen Name bestimmt noch weitere Buchcover zieren wird. (8 Punkte)

  • In meinem ersten Kommentar zu dem Buch, ich hatte gerade 10 Seiten gelesen, bezeichnete ich es als zauberhaft. Zwei Seiten weiter flog Fiorenzos Hand in die Luft und das Wort zauberhaft paßte nicht mehr so ganz. Trotzdem hat mich dieses Buch bezaubert, mal wieder zu Tränen gerührt und hingerissen. Ein kleines Dorf in Italien, aber eigentlich könnte es jedes kleine Dorf auf jeder Welt sein, man ist dort zu Hause, man fühlt sich sicher, aber irgendwie erdrückt es einen auch. Die Leute die einen Kennen, die Menschen die man mag, die aber alles von einem Wissen, was das Leben nicht immer so einfach macht.
    Der Stil ist ein sehr seltsamer auch das Stilmittel der wechselnden Perspektive beim Erzähler hat mich zunächst beim Lesen ein wenig verunsichert, führte aber letztlich dazu, daß ich es immer besser fand. Gut ich kann mich nicht wirklich in einen 19jährigen hineinversetzen, der sich in eine 32jährige verliebt und Angst hat zu versagen oder gar in einen kleinen Radsport Champion, aber bei aller Skurrilität bleibt es doch ein wenig denkbar, es bleibt im Bereich des Möglichen und auch der Erfolg im Leben der Charaktere bleibt im Bereich der Möglichkeit, der vorbeigezogenen Chance, der verpaßten guten Sekunde und dem doch immer wieder unverhofft auftauchenden Glück.
    Für mich eine wirkliche Überraschung dieses Buch, das so anders war, als ich erwartete, daß ich mir durchaus auch gut als Jugendbuch vorstellen könnte und daß mich gut unterhielt und mich sicher noch eine ganze Zeit beschäftigen wird.
    In der Zeit werde ich ein paar Fische füttern oder die Alten hier im Dorf ärgern, angeln gehen, eine Metalband gründen... Dinge halt, die man tut, während das Leben drauf wartet einen zu überraschen....