'Die Vermessung der Welt' - Seiten 101 - 194

  • Im 2. Abschnitt begleitet man Humboldt auf seine Forschungsreisen. Schon interessant, was er da alles anstellt und auflistet. Aber krank finde ich das auch, z.B. mit dem Zählen der Läuse. :yikes
    Mich würde ja nur mal interessieren, wie sie von der Felseninsel weggekommen sind. Und was der Begleiter von Humboldt für eine Krankheit hat ist ja auch merkwürdig. Ich hätte an Stelle von Humboldt echt Angst das der mich killen würde.


    Gauß ist ja wirklich ein schräger Kauz. Während der Hochzeitsnacht fällt ihm was mathematisches ein und er muss sich das unbedingt erst notieren, bevor er sich weiter seiner Frau widmet. :lache
    Und total verpeilt vergißt er das seine Frau ein Kind bekommt, und wundert sich warum Arzt ( oder Hebamme? ) und Schwiegereltern im Haus sind. Ich glaube, bei so einem Mann würde ich wahnsinnig werden.
    Johanna ist ja nun leider bei der dritten Geburt gestorben. Ich denke, der Junge hat überlebt und ist Eugen, oder? Darüber hat man nichts gelesen.
    Und weil Gauß allein nicht mit Kinder und Haushalt zurechtkommt, wird mal kurzerhand die beste Freundin seiner Frau geheiratet, obwohl er sie ja gar nicht leiden kann. Praktische Lösung. :bonk

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

  • Eugen ist wohl der Sohn von Gauß' zweiter Frau Minna, das letzte Kind von Johanna ist auch bei der Geburt gestorben.
    Gauß bekommt von seiner Umwelt wirklich reichlich wenig mit, egal ob seine Frau ein Kind bekommt oder ob gerade Krieg herrscht oder nicht. Da passt es, dass er zum zweiten Mal heiratet, um hinderher festzustellen, dass ihm seine neue Frau regelrecht zuwider ist.


    Wie Humboldt und Bonplant wieder von dem Felsen wegkamen würde mich auch interessieren. :gruebel


    Mir sind die Kapitel über Humboldt nach wie vor lieber als die über Gauß.

  • Humbold kann einem echt Angst machen, so unglaublich emotions- und mitleidlos wie er sich seinen Mitmenschen und auch sich selbst gegenüber verhält. Wie Bonpland es nur mit ihm aushält :gruebel? Lediglich zu diesem Hund scheint er eine gewisse Bindung entwickelt zu haben. Wie er durch den Urwald trampelt, im Dienste der Wissenschaft sämtliche Tabus verletzt, einsammelt und tötet, was seinen Weg kreuzt, schon verblüffend, dass er diese Expeditionen überlebt hat und nicht in den Kochtöpfen gelandet ist ;-).


    Nach wie vor finde ich die Erzählweise von Kehlmann einfach genial! Diese kurzen lakonischen Sätze und Dialoge, in denen die ungeheuerlichsten Dinge einfach so dahin geworfen werden. Es gibt so viele Passagen, die ich mehrmals gelesen habe, einfach um sie so richtig zu genießen :-]. Besonders beeindruckt hat mich das Kapitel mit der Bergbesteigung, unglaublich was die Beiden der Wissenschaft wegen auf sich nehmen. Und wie hier mittels knapper Gedankengänge und Wortwechsel der beiden Protagonisten so eindringlich die Höhenkrankheit beschrieben wird ..., da bleibt mir wieder nur - :anbet!


    In Johanna hatte Gauß wirklich eine scharfsinnige und wohl auch humorvolle Frau gefunden. Köstlich z. B. S. 148 und 149 oben, ihre Bemerkung zu seiner eigenwilligen Hochzeitsrede, und eine Seite später notiert er mitten in den Annäherungen der Hochzeitsnacht noch schnell eine Formel :grin. Schade für ihn, dass er diese Frau so schnell verliert.
    Als Genie hat er es nicht leicht im Leben, schwer fällt ihm vor allem, Geduld mit seinen Mitmenschen zu haben, die in Intellekt und Auffassungsgabe weit unter ihm rangieren.

  • Zum ersten Teil fiel mir sehr viel ein... beim zweiten Teil bin ich ein bisschen ratlos. :gruebel


    Eine Eule hat geschrieben, dass man am Erzählstil erkennen kann, ob gerade über Gauss oder Humboldt geschrieben wird. Interessant... da muss ich im 3. Teil mal darauf achten.


    Irgendwie plätschert die Geschichte so dahin. Im ersten Teil habe ich lieber Gauss gelesen, jetzt hat sich das irgendwie ausgeglichen.


    Ich glaube beide sind so versessen/besessen, dass sie gar nicht bemerken, wie sie ihre Mitmenschen vor den Kopf stossen.


    Mir gefällt weiterhin, dass man auf vergnügliche Art viel lernt. z.B. dass Amazonas und Orinoco eine Verbindung haben. Und das mit den Neptunismus und Plutonismus. Mich würde auch interessieren, was Bonpland für eine Krankheit hat. Hab mal kurz gegoogelt, aber ich bin nicht wirklich fündig geworden. Malaria oder Gelbfieber? Beide kommen in der Gegend vor und werden durch STechmücken übertragen, aber man hat keine Halluzinationen. Bei Tollwut hätte man Halluzinationen :gruebel, aber die Krankheit ist tödlich. Hatte Bonpland nicht irgendwas gebissen :gruebel

  • Ich finde nach wie vor die Abschnitte über Humboldt viel interessanter.. Es sind ja beide komische Vögel, aber nun ja..


    Die Schilderungen über Humbold finde ich teilweise ziemlich unrealistisch, aber darum geht es ja auch nicht. Ich finde es erschreckend wie gefühlslos und rücksichtslos Humboldt ist. Bonpland scheint ja schwer krank zu sein, aber irgendwie interessiert das ihn nicht. Hauptsache er kann seine Forschungen fortführen.
    Irgendwie befürchte ich ja, dass Bonpland noch sterben wird.. Dann würde auch die Aussage von dem Hellseher passen, dass er eine sehr lange Zeit da bleiben wird (eigentlich ja dann für immer)...

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • Aber der Hellseher hat ja auch gesagt, dass Bonplant ein langes Leben haben wird, aber eben in Südamerika bleiben wird, was der sich ja gar nicht vorstellen kann. Seltsam finde ich ja, dass er bei Humboldt nichts sehen kann, oder ob er ihm nur eine schlimme Zukunft verschweigt?


    Das Kapitel "Der Fluss" fand ich sehr gut, kaum vorstellbar wie beschwerlich die Reise war. Wir befinden uns in Venezuela im Jahr 1800. Selbst als sie auf der Felseninsel im Unwetter festsitzen und das Boot weg ist, sagt Humboldt, dass für ihn ein Leben im Schloss mit Kindern in Weimar nie eine Alternative gewesen wäre, ich denke sein Forscherdrang ist einfach zu groß.


    Dagegen bei Gauss tut sich ja in beruflicher Hinsicht nicht viel, er steigt von Mathematik auf Astronomie um, weil das mehr Geld bringt bzw. gerade so populär ist. Jedoch geht es ja mit dem Bau der Observatorien kriegsbedingt nicht weiter, weder in Braunschweig noch in Göttingen. Seine Studenten bezeichnet er ja als dumm, ich weiß nicht ob es nicht eher daran liegt, dass er selbst so schlau ist und sich nicht auf das Niveau der jungen Leute herabbegeben kann, obwohl er es ja so schildert als habe er versucht alles so einfach wie möglich zu erklären. Zu seinen Kindern schient er ja auch keine richtige Beziehung aufzubauen, mal sehen... Und die Reise nach Bremen mit der Kutsche bezeichnet er als sehr beschwerlich, ein Witz wenn man gerade zuvor gelesen hat, unter welchen Bedingungen Humboldt zur gleichen Zeit in Südamerika unterwegs ist! In Weimar trifft er ja im Theater sogar Humboldt Bruder, den er für den Reisenden hält.
    Bin jetzt zur Hälfte mitdem Abschnitt durch.

  • Mit dem zweiten Abschnitt bin ich jetzt auch fertig!
    Ich muss schon sagen, dass mich Humboldt und Bonpland faszinieren. So frei in der Natur zu leben und diese zu erforschen stelle ich mir toll vor, aber ich würde niemals den Mut und das Durchhaltevermögen der beiden haben. Ich habe schon große Probleme, wenn eine einzige Mücke in meinem Zimmer ist. Mit den Moskitos in der freien Wildniss wäre ich wohl komplett durchgedreht. Auch die anderen lebensgefährlichen Unternehmungen, z.B. der starke Regen, das Gewitter oder die Forschungen im Nebel finde ich beeindruckend.


    Trotzdem habe auch ich die Kapitel über Gauß lieber gelesen, vielleicht, weil ich sie mir besser vorstellen konnte... Trotzdem seine Gedanken gemein sind, finde ich sie auch manchmal nachvollziehbar. Verwirrt hat mich der Zeitsprung: Erst stirbt Johanna, dann sind seine Kinder erwachsen und dann wird erst berichtet, dass er Minna geheiratet hat. Da bin ich manchmal zu ungeduldig!

  • Was ich an Bonplant nicht verstanden habe, ist seine Geduld und die Erduldung des Leidens und auch der Demütigung durch Humboldt. Bis ins kleinste Detail musste er sich Vorschriften machen lassen, ja bis hinein ins intimste Erleben. Hat er denn nie rebellieren wollen?

  • Zitat

    Original von Liesbett
    Was ich an Bonplant nicht verstanden habe, ist seine Geduld und die Erduldung des Leidens und auch der Demütigung durch Humboldt. Bis ins kleinste Detail musste er sich Vorschriften machen lassen, ja bis hinein ins intimste Erleben. Hat er denn nie rebellieren wollen?


    Ab und zu hat er ja mal ein winziges Bisschen aufgemuckt :grin. Z. B. während der Bergbesteigung.
    Aber insgesamt gebe ich dir recht, mich hat es auch gewundert.

  • Ja, doch, er hat sich ab und an mal eine Affaire erlaubt und ist anschließend mit eingezogenem Kopf geschlichen, wenn er erwischt wurde. An und für sich ist er eine interssante Nebenfigur, über die ich gerne mehr erfahren würde, bekommt aber im Roman genau die Rolle, die ihm das echte Leben mit Humboldt bescherte: fast Randnotiz!

  • Das Kapitel der Berg fand ich auch stark. Und nochmal zu der Beziehung Humboldt / Bonplant: Also insgeheim rebelliert Bonplant ja schon, quasi innerlich. In seinen Fieberträumen ermordet er Humboldt des öfteren. Und auch bei dem Gang über das Schneebrett äußert er ja hinterher seine finstersten Absichten gegenüber Humboldt... Aber (zum Glück) realisiert er das alles ja nicht... Also habt ihr recht, dass er unheimlich geduldig ist. Ich fand es echt erstaunlich, dass die beiden bei dem Nebel und dann noch den Wahnvorstellungen bedingt durch die Höhenkrankheit diese Besteigung überhaupt überlebt haben! Amüsiert hat mich auch das Gespräch: Humboldt - Hund, Bonplant - junges Mädchen.

  • Das Buch begeistert mich immer mehr und da ich jetzt mehr Zeit habe zum Lesen, fliegen die Kapitel nur so dahin (was ich fast schade finde, denn den Großteil dieser vielen Infos werde ich wahrscheinlich recht schnell wieder vergessen :-(). Da ich diesen Abschnitt ohne tagelange Pausen gelesen habe, machten mir auch der Wechsel zwischen Gauß und Humboldt oder erwähnte Zeitsprünge nichts aus. Das war im 1. Abschnitt anders, da musste ich auch mal nachlesen.


    Gerade der Wechsel macht das Buch sehr kurzweilig. Mir hat auch gefallen, dass die beiden voneinander (gerade Gauß von Humboldt) lesen oder anderweitig erfahren und so eine Verbindung hergestellt wird. Auch der Titel des Buches wird jetzt schlüssig und passt hervorragend! Gauß vermisst in Deutschland und Humboldt in Südafrika - jetzt wird eindlich die große Gemeinsamkeit der beiden erkennbar.


    Ich versuche, die beiden nicht in unsympathisch oder sympathisch einzuteilen, damit wird man ihnen nicht gerecht (wie wohl keiner tatsächlichen Person, die in einem Buch beschrieben ist). Sie leben nicht nur in einer ganz anderen Zeit, sondern auch in einer ganz anderen geistigen Welt. Gauß ist sehr weltfremd und mehr mit seinen Berechnungen beschäftigt als mit anderem und Humboldt vergisst vor lauter Forschen, dass es gewisse Grenzen gibt. Lumos Beschreibung hat mir sehr gut gefallen:


    Zitat

    Wie er durch den Urwald trampelt, im Dienste der Wissenschaft sämtliche Tabus verletzt, ...


    auch wenn ich es nicht so extrem sehe. Nur die Sache mit den Leichen war ja absolut haarsträubend :yikes. Anderseits ist er manchmal erstaunlich sensibel, z. B. ist er gegen die Sklaverei, als es ein Großteil der sogenannten "Zivilisierten" noch lange nicht war. Mich beeindruckt, dass er sich selbst noch weniger schont als sein Umfeld, also alles wirklich selbst auprobiert und nicht die Drecksarbeit anderen überlässt. Manche Experimente waren ja wirklich übel, ich denke da z. B. an das ganz selbstverständliche Probieren des Giftes.


    Zitat

    Original von Liesbett
    Hat er (Bonplant) denn nie rebellieren wollen?


    Naja, gerade mit den Frauen hat er ja nicht gehorcht. :-] Was hätte Bonplant denn machen sollen? Ohne eigene Mittel wäre ihm nur geblieben, sich irgendwie durchzuschlagen. Den eigenen Interessen nachzugehen wäre dann wohl ein Wunschtraum für ihn gewesen. Von daher kann ich gut nachvollziehen, dass er lieber Humboldt ertragen hat.


    Insgesamt haben mir diesmal die Humboldt-Kapitel besser gefallen, weil da einfach mehr los war. Gerade die bereits erwähnte Bergbesteigung fand ich absolut spannend!


    Zitat

    Original von lumos Nach wie vor finde ich die Erzählweise von Kehlmann einfach genial! Diese kurzen lakonischen Sätze und Dialoge, in denen die ungeheuerlichsten Dinge einfach so dahin geworfen werden.


    Das finde ich auch! Dieser Schreibstil, so sehr seltsam ich ihn anfangs gefunden habe, ist ganz was besonderes und hat eine eigenartige Anziehungskraft. Mir gefällt auch, dass er immer wieder mal in seinem Erzählstil wechselt, so wird mal direkt und mal indirekt in Form eines Briefes berichtet.


    Zitat

    Original von Macska
    Mich würde ja nur mal interessieren, wie sie von der Felseninsel weggekommen sind.


    Das würde mich allerdings auch interessieren - ich hoffe, dass wird noch aufgeklärt!


    Zitat

    Und weil Gauß allein nicht mit Kinder und Haushalt zurechtkommt, wird mal kurzerhand die beste Freundin seiner Frau geheiratet, obwohl er sie ja gar nicht leiden kann. Praktische Lösung.


    Ich denke nicht unüblich zur damaligen Zeit. Auch wenn ich es natürlich sehr viel schöner gefunden hätte, wenn er doch Nina genommen hätte (und ihm wäre es mit dieser Entscheidung wahrseinlich weitaus besser gegangen).

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Mit hat dieser zweite Abschnitt nicht ganz so gut gefallen wie der erste, kann aber nicht so richtig festmachen, woran das liegt.


    Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie weltfremd und unfähig die beiden sind emotional und zwischenmenschlich zu agieren. Fast schon naiv sind manche Ansichten von den beiden. Sind sie einfach so fest in ihrer eigenen kleinen wissenschaftlichen Welt gefangen, dass sie sich für nichts weiter interessieren?
    Dann verstehe ich aber auch nicht, warum Gauß geheiratet und Kinder gezeugt hat. Ob er Johanna wirklich geliebt hat? Für seine Kinder scheint er ja auch nicht viel zu empfinden und vor allem Eugen muss sehr unter ihm leiden. Aus praktischen Gründen hat Gauß dann Minna zur Frau genommen, nur um dann zu merken, dass er sie überhaupt nicht leiden kann. Man man man :lache



    Zitat

    Original von Lese-rina
    Mich beeindruckt, dass er sich selbst noch weniger schont als sein Umfeld, also alles wirklich selbst auprobiert und nicht die Drecksarbeit anderen überlässt. Manche Experimente waren ja wirklich übel, ich denke da z. B. an das ganz selbstverständliche Probieren des Giftes.


    Das geht mir genauso! Vor allem diese Experimente mit den Aalen fand ich witzig :lache


    Bonpland kann ich auch nicht wirklich verstehen. Er scheint ja ernsthaft krank zu sein und dennoch tut er sich das alles an. Wie schön Liesbett das mit der Randnotiz ausgedrückt hat, trotz allem was er durchsteht und mitmacht wird er immer im Schatten von Humboldt stehen.



    Zitat

    Original von Lese-rina
    Gerade der Wechsel macht das Buch sehr kurzweilig. Mir hat auch gefallen, dass die beiden voneinander (gerade Gauß von Humboldt) lesen oder anderweitig erfahren und so eine Verbindung hergestellt wird. Auch der Titel des Buches wird jetzt schlüssig und passt hervorragend! Gauß vermisst in Deutschland und Humboldt in Südafrika - jetzt wird eindlich die große Gemeinsamkeit der beiden erkennbar.


    Diese Quervernetzungen zwischen Humboldt und Gauß haben mir auch gefallen. Sie stellen eine Verbindung zwischen den Kapiteln dar und helfen den roten Faden nicht zu verlieren.