Michael Grant: BZRK1
Verlag: Ink (Egmont) 2012. 408 Seiten
ISBN-13: 978-3863960391. 17,99€
Übersetzer: Jakob Schmidt
Vom Verlag empfohlen ab 14
Verlagstext
Ein Junge, der herausfinden will, warum der Verstand seines Bruders nur noch Brei zu sein scheint… Ein Mädchen, das zusehen muss, wie ihre Familie im Kerosinfeuer verglüht… Ein skrupelloser Hacker, der jeden manipuliert, der ihm zu nahe kommt… Menschen, die sich am Rand des Wahnsinns bewegen, und andere, die diese Grenze längst überschritten haben. BZRK, das ist die letzte Bastion zwischen uns und der ganz großen Katastrophe. Denn dieser Krieg wird anders sein. Seine Waffen sind winzig, beinahe unsichtbar, absolut tödlich, und niemand kann ihnen entkommen. Die atemberaubende und düstere Vision eines geheimen Krieges der Mikro- gegen die Makro-Welt, gegen unsere Welt. Winzige biotechnologische Nano-Organismen, die dich beschatten, kontrollieren… töten. Der Kampf hat längst begonnen!
Der Autor
Michael Grant hatte eine bewegte Kindheit. Die Familie zog aufgrund der Arbeit des Vaters beim US-Militär oft um - Grant besuchte zehn Schulen in fünf amerikanischen Staaten und verbrachte auch einige Zeit in Frankreich. Derzeit lebt er mit seiner Frau, der Autorin Katherine Applegate, und seinen zwei Kindern in North Carolina.
Inhalt
Die schlechte Nachricht zuerst: von einem Thriller hätte ich eine fesselndere Handlung erwartet, von einem Science-Fiction-Thriller mehr technische Details zur Nanotechnologie und von einem Scifi-Thriller für Jugendliche differenziertere, nachvollziehbar handelnde Figuren.
Es geht um nicht weniger als die Weltherrschaft, die Macht über das halbe Dutzend leistungsfähiger Volkswirtschaften. Auftraggeber sind unter dem Deckmantel von AFGC, einer Firma für Geschenkartikel, offenbar die siamesischen Zwillinge Charles und Benjamin. Beide profitieren von moderner Kommunikationstechnik, denn ohne technische Hilfsmittel könnten sie sich noch nicht einmal gegenseitig ansehen. Die Motive von C. & B. bleiben lange Zeit im Dunklen. Die Erklärung, sie wollten das menschliche Los verbessern, klingt schwammig. Bug Man erledigt für die Zwillinge die Dreckarbeit und ist eine Art Kapo für ein Truppe von Twitchern, die benötigt werden, um im Gehirn von Zielpersonen Nanobots und Biots zu steuern. Mithilfe der Bots und Biots lassen sich im Gehirn einer Zielperson bestimmte Erinnerungen verknüpfen, die Person wird manipulierbar. Die Nanotechnik wird in Grants Trilogie als gegeben angenommen. Informationen über die technischen Möglichkeiten muss man sich im Laufe der Handlung allmählich zusammenklauben.
Nanobots, die Mannschaftsgrade der winzigen Welt, sehen durch ihre geringe Größe von 1/2mm aus wie knuffige Läuse auf vier Beinen. Biots haben 6 Beine und wirken rein optisch harmlos wie Milben. Vincents Biots heißen V1 und V2, die von Keats würden K1 und K2 genannt. Ein Biot ist Teil seines Schöpfers und von ihm mental kontrollierbar. Für den Twitcher ist das Führen der Biots körperlich und psychisch ungeheuer anstrengend. Durch das Sehorgan des Biot kann er gleichzeitig wie ein Mensch und wie ein Insekt sehen und muss diese gegensätzlichen Informationen allein mit seinem menschlichen Hirn verarbeiten. Es gibt nur wenige fähige Twitcher auf der Welt, fast alle mit den Reflexen eines erfahrenen Gamers. Twitcher sind meist jung, männlich, arrogant und im Privatleben unzuverlässig. Welch ekelhafte Vorstellung, dass jeder andere, der einen berührt, dabei einen Biot auf einem selbst aussetzen könnte. Der Biot wird durch das Auge oder das Ohr in den Kopf vordringen, sich im eigenen Sehnerv einnisten und dabei ständig Kontakt mit seinem Twitcher halten.
Als Twitcher in Ausbildung treffen in BZRK Noah aus London und Sadie aus den USA aufeinander. Noah erleben wir zu Beginn der Geschichte vom völligen psychischen Zusammenbruch seines Bruders Alex aufgewühlt, der offenbar durch seinen Kontakt mit der Nanowelt zum psychischen Wrack wurde. Sadie als neurologischer Spezialfall hat gute Gründe, kein MRT in einem öffentlichen Krankenhaus zuzulassen. Als einzige Überlebende eines Flugzeugabsturzes, bei dem ihr Vater und ihr Bruder ums Leben kamen, ist sie nun Erbin eines für sie noch schwer einzuschätzenden Konzerns. Vincent z. B. glaubt sich im Krieg der Winzlinge auf der Seite der Guten. Er ist offenbar Teil-Soziopath (jung, männlich, gefühllos), für dessen emotionale Defizite es nicht näher erklärte physiologische Gründe gibt. Vincents soziales Handicap spricht den weiblichen Kümmerertrieb an, was Vincent knallhart für seine Zwecke ausnutzt.
Wer ist Auftraggeber, wer Werkzeug und wer Opfer? Wer in BRZK1 wem aus welchen Motiven was befielt bleibt lange im Dunklen, obwohl die Leser Grants Figuren in ihrer Nanowelt über die Schulter sehen und ihnen bei der Wertung der Ereignisse ein paar Schritte voraus sein können. Über die interessante Persönlichkeit der Twitcher gibt es bisher erst ansatzweise Informationen. Die duale Wahrnehmung der Twitcher durch die Sinnesorgane ihrer Biots fand ich äußerst fesselnd und hätte sie gern gründlicher dargestellt gesehen. Die einseitigen Charaktere der Männerfiguren lassen sich so eben noch aus ihrer PC-Spieler-Karriere herleiten. Warum müssen Frauen in einer Welt der Zukunft hilflose Waisen wie Sadie sein oder Sex-Objekte wie Bug Mans Bettgefährtin? Um diese Schlappe der Besetzungsliste durch differenziertere Frauenfiguren auszugleichen, traten die Nanotechnik-Expertinnen, die evtl. als Figuren noch ausbaufähig wären, für meinen Geschmack leider zu spät auf. Lange Abschnitte der Handlung sind, sprachlich durchschnittlich, aus dem Erleben der Personen nur schwer nachvollziehbar. Menschen werden u. a. getötet, um Spuren der Biots zu beseitigen. Gemeinsam mit den Tätern watet man als Leser in Blut und Körperteilen, obwohl die Nanotechnologie intelligentere Methoden der Spurenbeseitigung bieten sollte. Die Entmenschlichung der Toten durch Reduzierung ihrer Körper auf feste und flüssige Bestandteile finde ich in einem Jugendroman weit überzogen.
Fazit
Auf einer Länge von 400 knapp bedruckten Seiten bringt der erste Band der SF-Thrillerreihe nicht sonderlich nachvollziehbar gezeichnete Figuren, sparsame Hintergrundinformationen zur Nanotechnologie und nur sehr lose miteinander verknüpfte Handlungsstränge. Menschen werden in einigen Szenen auf die Summe aus festen und flüssigen Stoffen ihres Körpers reduziert. Die gezeigte Gewalt steigert noch nicht einmal die Spannung und scheint Selbstzweck zu sein. Der Auftaktband BZRK1 lässt mich einer Fortsetzung nicht entgegenfiebern.
Welches ist die gute Nachricht? Die Plot-Idee finde ich noch immer faszinierend und das Buchcover ansprechend.
5 von 10 Punkten