Selten ist es mir so schwer gefallen, meine Eindrücke zu einem Buch zu formulieren. Man sollte doch annehmen, dass sich Begeisterung wunderbar problemlos in Worte fassen lässt ;-). Dieses Leseerlebnis hat mich schier überwältigt, vielleicht weil es so unerwartet kam.
Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist Joy, eine kämpferisch veranlagte junge Frau, unabhängig und hart im Nehmen, so lernen wir sie gleich im „intro“ kennen. Sie lebt in einer trostlosen und im wahrsten Sinne des Wortes düsteren Welt, in der man sich als Leser irgendwie fremd und unbehaglich fühlt. Trotz dieses fast körperlich spürbaren Unwohlseins wird man ab der ersten Seite nahezu magisch an die Geschichte gefesselt. Für mich persönlich zeichnen dafür vor allem die sprachlichen Fähigkeiten von Jennifer Benkau verantwortlich. „Gnadenlos hart“ wechselt mit intensiven Gefühlen, bildhafte detailgenaue Beschreibungen mit flapsigen, eher umgangssprachlichen Dialogen. Diese sprachliche Vielfalt hat mich absolut begeistert – noch bevor ich der Faszination der „eigentlichen“ Geschichte erlegen bin.
Relativ ahnungs- und orientierungslos bewegt man sich als Leser zunächst in einem engen Radius um Joy, ihre Freunde und ihren „Rebellenclan“. Fragen über Fragen stellen sich, von denen einige im Laufe der Geschichte beantwortet werden (die restlichen hoffentlich im nächsten Teil) , aber die Welt von Dark Canopy gestaltet sich zusehends vielschichtiger und für jede Wissenslücke, die geschlossen wird öffnet sich eine Vielfalt an neuen Fragen und Perspektiven, Neugier und Spannung steigen stetig – einfach genial gemacht!
Joy ist eine eigenwillige Persönlichkeit mit einem komplizierten, vielschichtigen Charakter, in ihrer stacheligen, spröden Art nicht immer und unbedingt liebenswert. Sie hat wenig bis gar nichts Weiches und Feminines an sich. Kein Wunder also, dass sie nach ihrer Gefangennahme durch die Percents, eine ursprünglich von Menschen geschaffene, genveränderte Spezies, für eine besondere Art von Wettkampf ausgewählt wird. Hass und Vorurteile bestimmen von klein auf Joy`s Einstellung zu den Percents, nun lernt sie sie zwangsläufig kennen, insbesondere einen ganz bestimmten – äußerst widerstrebend muss sie zulassen, dass die Mauer aus Wut und Misstrauen bröckelt, sich ihr Weltbild nach und nach verändert. Die Geschichte nimmt ihren Lauf, unglaublich intensiv und mitreißend erzählt, wunderbar und schrecklich zugleich in ihrer emotionalen Wucht.
Der Cliffhanger am Ende brennt dem Leser ein Bild auf die Netzhaut und lässt ihn nicht mehr los, so grauenvoll und so genial zugleich. Ich habe mich lange gefragt, ob ich der Autorin deshalb grollen oder Bewunderung zollen soll und mich dann dafür entschieden, sie für dieses Buch zu lieben :kiss!