Bibliothek der Träume - Lynn Austin

  • 427 Seiten, kartoniert
    Originaltitel: Wonderland Creek
    Aus dem Amerikanischen von Dorothee Dziewas
    Verlag: Verlag der Francke Buchhandlung GmbH, Marburg 2012
    ISBN-10: 3868273026
    ISBN-13: 978-3868273021



    Zum Inhalt (Quelle: Buchrücken)


    Illinois 1936: Alice Ripley lebt in einer Traumwelt. Sie liebt es, in Büchern zu schwelgen und dem Happy End entgegenzufiebern. Doch ihr persönliches Glück rückt vollkommen unvermittelt in weite Ferne. Ihr Freund Gordon trennt sich von ihr, weil ihr angeblich jeder Realitätssinn fehle, und dann verliert sie auch noch ihre Anstellung in der örtlichen Bibliothek.
    Alice flüchtet sich in die Berge Kentuckys. Eigentlich wollte sie in der Bücherei des winzigen Bergarbeiterdorfes Acorn eine Weile aushelfen, doch der Bibliotheksleiter ist ganz anders, als sie erwartet hat. Und so will Alice nur noch weg. Zumal sie sich als „Bücherbotin“ nützlich machen soll, die allein in die entlegensten Gegenden reitet, um Menschen mit Lesefutter zu versorgen.
    Doch Alice sitzt in Acorn fest, hat keine Chance, diesem Albtraum zu entkommen. Und bald muß sie feststellen, daß die Abenteuer, die das wahre Leben schreibt, tausendmal besser sind als die, die sie sich in ihren kühnsten Träumen ausgemalt hatte.



    Über die Autorin


    Viel habe ich nicht gefunden. Lynn Austin hat im Jahre 1992 ihre Tätigkeit als Lehrerin aufgegeben, nachdem sie jahrelang den Wunsch gehegt hatte zu schreiben, und widmet sich seither hauptberuflich dem Autorenberuf. Weitere Interessengebiete sind Geschichte und Archäologie, die sie am Southwestern Theological Seminary studierte. Mit ihrem Sohn war sie 1989 in Israel an einer archäologischen Ausgrabung beteiligt. Sie hat mit ihrem Ehemann drei Kinder und lebt in der Nähe von Chicago. Ihre Bücher wurden mehrfach ausgezeichnet.


    - < Klick > - da ist die Website der Autorin (in englischer Sprache)
    - < Klick > - die Seite bei fantasticfiction.co.uk (in englischer Sprache)
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    Vorbemerkung


    Um Mißverständnisse zu vermeiden: Das ist ein christliches Buch. Wenn ich Formulierungen wie „wir“ verwende, beziehen sich diese meist nicht auf die Gesamtgesellschaft, sondern auf den christlich geprägten Teil, dem ich mich zugehörig fühle. Ferner ist Denken und Handeln eines großen Teils der Protagonisten stark von ihrem aktiv gelebten Glauben geprägt. Handlungsweisen wie Beten oder Hinwendung zu Gott werden als normal und notwendig angesehen.
    Das Buch habe ich zu den historischen Romanen eingeordnet, auch wenn Dorf wie Figuren des Buches sämtlich fiktiv sind, weil die Bücherboten, die hier eine wesentliche Rolle spielen, seinerzeit tatsächlich so existiert haben. Und manches andere dürfte auch nur zu reale Vorbilder haben.



    Meine Meinung


    Von Lynn Austin besitze ich mW alle auf Deutsch erschienenen Bücher. Dieses hier ist das erste, das ich mir auch im amerikanischen Original zulegen werde. „Die Apfelpflückerin“ ist von allen ihrer Bücher, die ich gelesen habe, sicherlich ihr bestes. Aber das hier ist mir das Liebste, das, welches mir persönlich am besten gefallen hat. Denn selbst von tausenden von Büchern umgeben, konnte ich der Denk- und Handlungsweise der Protagonistin mehr folgen, als mir an mancher Stelle liebt war. Und woher Lynn Austin mich so gut kennt, daß ich mich immer wieder in dem Buch wiedergefunden habe, ist mir auch nicht so ganz klar. Sind wir uns doch nie persönlich begegnet.


    Dabei fängt alles so harmlos an, wenn man denn das Ende einer Beziehung als harmlos bezeichnen möchte. Als Alice dann in den Bergen von Kentucky eintrifft und beginnt, sich einzuleben, gab es einen kleinen Wiedererkennungseffekt. Denn das Motiv „Städterin kommt in die Einsamkeit der Berge und findet dort Gefallen“ kannte ich (allerdings nur aus der Verfilmung) von Catherine Marshalls „Christy“ (was allerdings etliche Jahre früher spielt). Damit hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf, denn Christy kommt als Lehrerin in eine Missionsstation, während Alice mit einer Ladung gespendeter Bücher in einem Nest namens Acorn eintrifft, um diese dort abzuliefern, ein paar Tage auszuhelfen und dann wieder ins Elternhaus nach Illinois zurückzukehren. Doch es kommt ganz anders.


    Denn weder wird sie nach zwei Wochen wieder abgeholt, noch hat sie damit gerechnet, einer rund hundertjährigen zu begegnen, die in ihrer Jugend noch eine Sklavin war. Schon gar nicht darauf vorbereitet war sie auf eine Welt, in der es keinen Strom oder kein fließendes Wasser, dafür aber Pferde zur Fortbewegung gab. Da der Bibliothekar Mack jedoch angeschossen wird und sich erst mal tot stellen, also verstecken, muß, bleibt Alice gar nichts anderes übrig, als einzuspringen und - teilweise gegen ihren Willen - zu helfen. Das fängt bei der Hausarbeit an, schließt die Führung der kleinen Bibliothek ein und endet nicht bei ihrer Tätigkeit als berittene Bücherbotin, die auf ihren Touren zu den vereinzelten Behausungen den Menschen Bücher bringt, den Kindern Geschichten vorliest und als Nachrichtenübermittlerin dient.


    Diese Bücherbotinnen gab es übrigens wirklich. Im 1933 ins Leben gerufenen „New Deal“-Programm von Präsident Franklin Roosevelt war einer der innovativsten Punkte die Erfindung eben jener Bücherboten, die den Menschen nicht nur Bücher, sondern auch sonstige Hilfe im Haushalt, Wissen über Ernährung, praktischen Rat zu Gesundheitsfragen u. v. m. brachten. Meist waren es Frauen, die so in Zeiten der Wirtschaftskrise zum überleben ihrer Familien beitrugen.


    Interessant für mich war der krasse Gegensatz zwischen Stadt und Land. Ob es tatsächlich damals schon elektrische Waschmaschinen gab, habe ich erst mal gegoogelt. Und in der Tat, in Alices Elternhaus könnten all die Dinge, die sie in der Wildnis vermißt, wirklich vorhanden gewesen sein. (Ich erinnere mich daran, wie wir in den 60ern unserer erste Waschmaschine bekamen, vorher hieß es „Waschkkessel anheizen“. Auch an so Dinge wie die Wäsche stampfen entsinne ich mich schwach.) Ihr Zurechtfinden in dieser für sie fremden Welt konnte ich gut nachvollziehen, ihre Probleme, Ängste und Schwierigkeiten wurden deutlich.


    Ein starke Figur ist die rund hundertjährige Lillie, die in ihrer Jugend noch eine Sklavin war und durch den Bürgerkrieg ihre Freiheit bekam. Nach und nach kommt zum Vorschein, was sie in ihrem langen Leben alles hat erleiden müssen, bis sie zu der altersweisen Frau wurde, die wir hier antreffen. Und die durchaus auch mal ein Gewehr benutzt, um ihren Wünschen Nachdruck zu verleihen.


    Daneben gibt es eine Art Krimihandlung (der erwähnte Schuß auf Mack hat es schon anklingen lassen), in die Alice hineingezogen wird. Ich will darüber nicht zu viel verraten, nur, daß mir das - leider - sehr wahrscheinlich erscheint und zu dem wenigen, was ich über diese Zeit weiß, paßt.


    Alice, Mack, Lillie, June Anne, Maggie, Ike und viele mehr - es tauchen eine Menge Figuren auf, die ich wohl so schnell nicht vergessen werde. Zumal ich mir aus der genannten TV-Serie über „Christy“ recht deutlich vorstellen kann, wie die beschriebenen Hütten aussahen und wie hart das Leben damals war. Am Ende ist zwar alles klar, alle offenen Enden verknüpft, aber so ein paar Hinweise, was beispielsweise aus der „Krimihandlung“ (bzw. für die Schuldigen) folgt, hätte ich mir doch gewünscht. Das ist allerdings der einzige wirkliche Kritikpunkt, der mir einfällt.


    Ansonsten ist das, soweit ich mich erinnere, das erste Lynn Austin Buch, bei dem ich immer wieder lächeln, grinsen und mehr als ein Mal laut auflachen mußte. Das Buch ist mit einem unterschwelligen Humor geschrieben, wie er mir noch bei keinem der Bücher der Autorin begegnet ist. Das Thema Religion spielt vor allem im letzten Drittel eine Rolle; immerhin stammt Alice aus einer Pastorenfamlie. Und dennoch ist es immer wieder die alte Lillie mit ihrer reichen Erfahrung, die nicht nur Alice zum Nachdenken bringt, sondern auch uns Lesern eine Menge zu sagen hat.


    Ein weiterer Aspekt soll nicht unerwähnt bleiben, Alice spricht immer wieder von den Büchern, die sie gelesen hat, von den Traumwelten, in die sie sich geflüchtet hat, und was in ihren Büchern jetzt in dieser Situation passieren würde. Wir lesen ein Buch und die Protagonistin sinnt darüber nach, was wohl wäre, wenn das jetzt ein Buch und nicht das richtige Leben wäre. Denn das „Leben in Büchern“ ist mir, der vermutlich so viele Bücher besitzt, wie in der Bibliothek von Acorn vorhanden sind, mehr geläufig, als ich mir das bewußt gemacht habe. Und das dürfte wohl manchem anderen Bibliophilen sehr ähnlich ergehen. Insofern beinhaltet das Buch ein „sich-an-die-eigene-Nase-fassen“, das ins Gedächtnis Rufen, daß es außerhalb der eigenen Bibliothek auch noch so etwas wie das richtige Leben gibt.


    Am Ende dann schließt sich der Kreis, die offenen Fragen sind beantwortet, die Fäden verknüpft, und das Buch leider, leider zu Ende. Ich dafür um ein wirklich schönes Leseerlebnis reicher.


    Möge der Herr seine Engel um Dich stellen. (Seite 12, „Die Apfelpflückerin“). Manchmal aber stellt der Herr seine Engel an anderen Stellen, und in anderer Form, auf, als wir sie erwarten. Wenn es sein muß, auch mitten in den einsamen Bergen von Kentucky. Oder wo immer wir uns gerade befinden.



    Kurzfassung:


    Alice Ripley wird aus ihrer Büchertraumwelt herausgerissen und landet in den einsamen Bergen von Kentucky. Hier lernt sie auf manchmal lustige, manchmal traurige, manchmal spannende Weise, daß das reale Leben viel abenteuerlicher sein kann als das abenteuerlichste Buch. Sehr lesenswert.
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    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Das ist das erste Lynn Austin Buch, welches ich mir auch im amerikanischen Original zulegen werde. Hier die HC-Ausgabe, es gibt auch ein Paperback.


    - < Klick > - die Seite zum Buch beim Originalverlag


    400 Seiten, gebunden
    Verlag: Bethany House Publ., Grand Rapids MI 2011
    ISBN-10: 0-7642-0919-1
    ISBN-13: 978-0-7642-0919-2
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    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Down Cut Shin Creek: The Pack Horse Librarians of Kentucky - Kathi Appelt / Jeanne Cannella Schmitzer


    Das hier noch jenes Buch über die Bücherbotinnen, welches Lynn Austin im Nachwort erwähnt.


    Zum Inhalt (Quelle: Amazon)


    It's 4:30 in the morning, and the "book woman" and her horse are already on their way. Hers is an important job, for the folks along her treacherous route are eager for the tattered books and magazines she carries in her saddlebags.


    During the Great Depression, thousands lived on the brink of starvation. Many perished. In 1935 President Franklin D. Roosevelt created the Works Progess Administration under his 1933 New Deal initiative. The WPA was designed to get people back on their feet. One of its most innovative programs was the Pack Horse Library Project of Eastern Kentucky.


    Thoroughly researched and illustrated with period photographs, this is the story of one of the WPA's greatest successes. People all over the country supported the project's goals. But it was the librarians themselves -- young, determined, and earning just $28 a month -- who brought the hope of a wider world to people in the crooks and hollows of Kentucky's Cumberland Mountains.
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    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ein Buch über eine berittene Bücherbotin in den Bergen von Kentucky während der Weltwirtschaftskrise – das klingt nach einer interessanten Lektüre. Das war es auch, auch wenn das Buch zu vorhersehbar war, um mich restlos begeistern zu können. Aber schön war die Geschichte von Alice auf alle Fälle und ich habe es sehr genossen, dass Bücher und eine kleine Bibliothek eine große Rolle in dem Buch spielten.


    Alice erlebt so einiges während ihres nicht ganz freiwilligen Aufenthalts im verschlafenen Acorn, in den Bergen von Kentucky. Sie, die Abenteuer bisher nur in Büchern erlebt, wird ganz zufällig in einen historischen Roman, ein Familiendrama, einen Krimi und eine Schatzsuche hineingezogen. Und natürlich darf auch die Liebe nicht fehlen. Es ist eine angenehme Mischung, die hier präsentiert wird, schade nur, dass manchmal die Handlung zu übertrieben wirkt. Auch die christlichen Lebensweisheiten, die hauptsächlich in Gestalt von Lillie, einer 100jährigen ehemaligen Sklavin, eingebracht werden, hätten für meinen Geschmack etwas differenzierter und weniger holzhammerartig sein dürfen. Trotzdem, Gedankenanstöße zum Nachdenken habe ich in dem Buch einige gefunden, so auch die von SiCollier angesprochene Frage, inwieweit ein Leser vor der Wirklichkeit flieht.


    Mit manchen Aussagen konnte ich mich aber beim besten Willen nicht anfreunden, auch wenn die Handlungen der unterschiedlichen Figuren gut erklärt werden und somit durchaus nachvollziehbar sind. Ein schaler Beigeschmack bleibt bei mir trotzdem und so war es zwar ein schönes, aber kein herausragendes Buch für mich.


    Fazit: Eine gelungene Mischung aus verschiedensten Themen, das mir aber mit etwas mehr Differenziertheit und Feinfühligkeit besser gefallen hätte. Deswegen auch „nur“ 7 Punkte, für mich also ein durchschnittliches Buch.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Ich bin etwas zwiegespalten bei diesem Buch. Mich hat es bis weit über die Mitte sehr gefesselt und ich fand die Geschichte rund um Alice bzw. deren Entwicklung sehr interessant und schön umschrieben.
    Weitere interessante Charaktere wie Mack und Lillie tauchten auf und ich wollte mehr wissen. Und da ist für mich der Knackpunkt des Buches. Mir ist zuviel in dem Buch hinein gepackt worden. Sklaverei, Mord, Betrug, Wirtschaftskriese, Fehden, Feindschaften etc pp. Alles einzeln für sich sicher genug Stoff für dieses Buch, alles zusammen ein wenig viel.


    Für mich blieben dann leider einige Themen blass bzw. wurden nur oberflächlich behandelt. Ich hätte viel mehr von Lillie und deren Leben erfahren wollen, die Buchreiterinnen haben sicherlich auch ein sehr bewegte Vergangenheit. Aber leider blieb zumindest das Letzte etwas auf der Strecke. Schade eigentlich. Auch die mitunter widersprüchliche Beziehung zwischen Mack und Alice hätte wesentlich ausführlicher beschrieben werden können.


    Der Schreibstil der Autorin gefällt mir auf jeden Fall. Auch wenn ich mit der christlichen Sichtweisen stellenweise meine Probleme hatte, aber das beeinflusst das Buch nur am Rande. Und ich wusste ja vor Lesen des Buches, dass es sehr christlich angehaucht ist.


    Von mir gibt es daher auch nur 7 Punkte. Ich möchte auch jeden Fall noch ein weiteres Buch der Autorin lesen.