Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf - Julia Stagg

  • Klappentext:


    Monsieur Papon, der Bürgermeister von Fogas, ist entsetzt, als er davon hört, dass die Auberge des Deux Vallées von Engländern gekauft wurde, statt, wie geplant, von seinem Schwager. Er sieht nicht nur eine gastronomische Katastrophe heraufziehen, sondern fürchtet auch um seine ureigensten Interessen. Unverzüglich ruft er ein Notstandskomitee zusammen, um Pläne zur Vertreibung der neuen Besitzer zu schmieden. Allerdings stehen nicht alle Dorfbewohner auf seiner Seite. Da ist zum Beispiel die arbeitslose Stephanie, die sich eine Anstellung in der Auberge erhofft, oder Josette, die den einzigen Laden am Ort betreibt und die Engländer sofort ins Herz schließt, oder aber die kauzige Bäuerin Annie, die mit dem Bürgermeister sowieso noch eine alte Rechnung offen hat. Schon bald bricht Chaos im Dorf aus.


    Meine Meinung:


    Wenn ein Buch direkt auf der ersten Seite solch himmlische Sätze bietet, dann hat es zumindest mich schon mal gefesselt:


    "Josette [...] beäugte gespannt die Person, die der Gemeine von Fogas die größte Neuigkeit überbrachte, seit ... nun ja, seit Monsieur Sentenac den Vikar in einer kompromittierenden Situation mit Madame Sentenac erwischt und funkelnden Auges mit einem Gewehr herumgefuchtelt hatte, woraufhin der Vikar sich im Bruchteil einer Sekunde von seiner Geliebten und seiner Missionarstätigkeit gleichermaßen verabschiedete [...]." (S. 7)


    Die beschriebene Szene ist für das Buch gar nicht wichtig, es ging mir viel mehr um den versteckten Wortwitz und den Charme des kleinen Dorfes, der meiner Meinung nach schon aus diesen wenigen Zeilen heraus spricht.


    Der Schreibstil von Julia Stagg ist großartig: sie führt den Leser so durch das Dorf, dass er das Gefühl bekommt, tatsächlich mittendrin zu sein. Durch die vielen Perspektivwechsel, darf man immer wieder einen Blick auf eine andere Szene erhaschen, die sich im Dorf abspielt. Insbesondere am Anfang hatte ich das Gefühl, ich würde einen Film sehen, so bildhaft und atmosphärisch ist die Schreibe der Autorin.


    Es mag sein, dass manch ein Leser die Handlung als etwas zu seicht einstufen mag, mich persönlich hat das aber gar nicht gestört. Ich habe gerne ein paar Wochen in Fogas verbracht, habe die einzelnen Persönlichkeiten näher kennengelernt, habe erfahren, was sie antreibt so zu handeln und durfte miterleben, wie sich letztlich alles zu einem großen Ganzen zusammen gefügt hat.


    „Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf“ ist meiner Meinung nach eine rührende und amüsante Charakterstudie über ein ganzes Dorf. Und ich kann gar nicht sagen, welche der Personen ich am meisten in mein Herz geschlossen habe: das englische Ehepaar, das wirklich alles tut, um sich den Traum eines eigenen kleinen Hotels zu ermöglichen? Josette, die mütterlich, aber auch ein bisschen einsam über das Dorf und seine Bewohner wacht? Die etwas verschrobene Annie, die zwar anpacken kann, aber laut ihrer Tochter keine Ahnung von Mode und Auftreten hat?


    Schlussendlich fühlte sich das Beenden des Buches ein bisschen wie Abschiednehmen von liebgewonnenen Bekannten an. Ich hätte gerne noch ein paar weitere Wochen – äh, Seiten – gemeinsam mit Paul und Lorna, Annie und Véronique oder Stephanie und Cloé verbracht.

  • Paul und Lorna Webster erfüllen sich mit dem Kauf der Auberge des deux Vallées in den französischen Pyrenäen einen Traum. Sie wollen das kleine Hotel mit einer exquisiten Küche betreiben und im beschaulichen Dorf Fogas ein neues Leben beginnen. Doch bereits bei der Prüfung durch eine Hotelkommission wird klar, dass dieses Ziel nicht so einfach zu erreichen ist. Zu viele Auflagen müssen in zu kurzer Zeit erfüllt werden, damit es nicht zum finanziellen Ruin für die Auswanderer wird. Die eingefädelten Intrigen von Serge Papon, dem örtlichen Bürgermeister, lassen kaum eine andere Entwicklung zu.


    Um L’Auberge, wie der Debütroman von Julia Stagg im Originaltitel heißt, dreht sich scheinbar alles in der Gegend um La Rivière. In diesem ländlichen Gebiet hat der Bürgermeister noch einen achtenswerten Status inne, der ihn schalten und walten lässt, wie es ihm gefällt. Sein Ziel ist es nämlich, dass sein Schwager die Auberge kauft. Nur ein Missverständnis brachte das Anwesen überhaupt zum Verkauf. Um diesen Hauptstrang kreiert die britische Autorin weitere Charaktere, die das dörfliche Ambiente vervollkommnen und mit ihren Eigenarten einen gewissen Wiedererkennungswert haben. Auch gibt es einen zentralen Anlaufpunkt in der Epicerie, in der sich die Einheimischen mit Lebensmitteln eindecken. Dort werden auch alle Neuigkeiten des Dorflebens diskutiert. So kommt man schnell darauf, dass Monsieur Papon nicht ganz offen mit seinen Absichten war. Schnell teilt sich die Gemeinschaft in zwei Lager auf, die nun auf ihre Weise die unterschiedlichen Interessen durchsetzen wollen. Sowohl die Empörung als auch der Zusammenhalt bei dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit wird plastisch eingefangen. Die Verhältnisse der Bewohner untereinander und deren Vergangenheit kommen nach und nach ans Licht.


    Die Autorin spielt hier nicht nur mit den gängigen Klischees über britische Kochkunst oder französische Zeitangaben, sondern bringt auch ihren eigenen Witz mit ein. Über manche Namensgebung stolpern nicht nur Insider. Viele Szenen kann man sich auch in einer verfilmten Komödie gut vorstellen. Durch den flüssigen Erzählstil sind die knapp 350 Seiten viel zu schnell gelesen. Doch der Roman ist für eine Fortsetzung angelegt, sodass es ein Wiedersehen mit Stephanie, Chloé, Annie und Christian gibt. In The Parisian’s Return werden die Chroniken von Fogas fortgesetzt.

  • Für eine 10-Punkte-Bewertung langt es leider nicht; dafür fehlt es der Geschichte und auch den Figuren, obwohl sie den Raum bekommen, sich zu entfalten und dies auch tun, also nicht eindimensional bleiben, wie es typisch ist für solche Unterhaltungsromane, leider etwas an Tiefe. Manchmal kam es mir auch etwas kitschig vor.


    Trotzdem schafft es die Autorin, eine schöne Atmosphäre zu schaffen, die Bergenlandschaft trägt sicher dazu viel bei. Und selbst ein Sturm bekommt bei ihr ein ganz eigenes Gesicht.


    Und da ich mich gut unterhalten gefühlt und auch ein paar Mal herzlich gelacht habe, reicht es bei mir immerhin zu guten 8 Punkten.


    Die Nachfolger werde ich mir bestimmt nach und nach noch zulegen, denn so einiges ist noch nicht "erledigt".

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“