In Liebe, Elena - Katrin Janitz

  • Meine Rezension zu Katrin Janitz' Erstling, "Maria, letztes Jahr" ist mir leider abhanden gekommen. :-( Drum hier meine Meinung zu ihrem zweiten Buch (das mit dem ersten aber nichts zu tun hat).


    Kurzbeschreibung von Amazon:


    Tagsüber zeichnet sie Mangas, abends jobbt sie in einer Bar. Elena Martinez, Kunststudentin und begabte Malerin, hat ihrer Heimatstadt Hamburg den Rücken gekehrt, um nach Berlin zu gehen. Auf einer Party begegnet sie Miriam, ehemalige Ballettänzerin und Mutter eines kleinen Sohnes. Von Anfang an besteht eine magische Anziehung zwischen den beiden Frauen, doch beide schwanken zwischen dem Wunsch nach Nähe und der Angst, verletzt zu werden. Als Elena den lange verlorenen Kontakt zur spanischen Seite ihrer Familie wieder aufnimmt und für ein Jahr zum Malen nach Barcelona gehen möchte, steht sie vor einer schwierigen Entscheidung: Was wird aus ihrer Liebe zu Miriam?


    Leseprobe, ebenfalls bei Amazon:


    In der Kulturbrauerei holten wir uns etwas zu trinken und suchten uns einen Platz, von dem aus wir die Bühne im Auge hatten. Miriam schien gelöster als zuvor, als hätte sie für sich eine Entscheidung getroffen. Sie lachte viel, ihre langen Finger strichen entspannt durch ihr Haar. Ich spürte, wie sich mein Herz zusammenzog, wann immer sie mich ansah. Sie ist da, dachte ich, und noch einmal: Sie ist da! Die Angst verschwand aus meinem Körper, sie löste sich einfach auf und wurde durch schlichte Freude ersetzt, und in jenem Moment wusste ich, dass ich mich mein Leben lang an diesen Abend erinnern würde.


    Als es unmittelbar vor dem Auftritt dunkel wurde, nahm sie meine Hand. Ganz langsam schoben sich ihre Finger in meine, und ich hielt sie fest, während die warme, herbe Frauenstimme den Raum füllte. Ihr Duft stieg mir in die Nase, leicht und einzigartig. Mir fiel auf, dass wir uns bis zu diesem Augenblick noch nie berührt hatten, nicht ein einziges Mal, und gleichzeitig begriff ich, wie sehr ich mich danach gesehnt hatte. Zu spüren, wie ihr Körper sich anfühlte, dessen Kraft und Anmut mich von Anfang an verwirrt hatten, ihre Muskeln unter meinen Händen zu fühlen, zu spüren, wie sie sich bewegte.


    Viel zu schnell kam das Ende des Konzerts, viel zu schnell gingen die Lichter an. Die Menschen um uns herum lösten sich aus ihrer Ruhe. Automatisch ließen unsere Hände voneinander, als hätten wir etwas Verwerfliches getan. Vielleicht gehörte sie aber auch einfach nur uns, diese Stunde, dieser gemeinsame Augenblick, uns und niemandem sonst, keinem neugierigen Blick, nicht der Atmosphäre von Aufbruch, den angeregten Diskussionen, dem hellen Licht.


    Wir sahen uns an. Das Blau ihrer Augen wirkte auf einmal dunkel, undurchdringlich. Draußen gingen wir die Straße entlang, so dicht nebeneinander, dass sich unsere Ellenbogen berührten. Eine Gänsehaut legte sich langsam über meine Arme, meinen Rücken. Sie fragte nicht, wohin wir gingen, sie folgte mir einfach in die Richtung, die ich einschlug, immer weiter, bis wir vor meiner Wohnungstür standen ...


    Meine Meinung:


    Beim ersten Buch von Katrin Janitz ("Maria, letztes Jahr") habe ich kritisiert, dass zu viel drin war und nicht genügend rauskam. Das ist diesmal zum Glück nicht der Fall. Allerdings hat Katrin Janitz das Problem nicht so gelöst, wie ich es mir gewünscht hätte, nämlich durch eine komplexere Geschichte, die ihren verschiedenen Ebenen gerecht wird. Reicht das Potenzial dafür doch nicht ganz?


    Die Geschichte von Elena, Halbspanierin aus Hamburg, ist jedenfalls recht schnell erzählt. Elena zieht der Liebe wegen nach Berlin, trennt sich, verliebt sich neu. Ihre neue Liebste, Miriam, hat ein Kind, dessen Geburt sie zwang, ihre viel versprechende Tänzerinnenkarriere aufzugeben.


    Katrin Janitz berichtet sehr einfühlsam über Elenas Bedenken, wie sie wohl mit dem kleinen Tim zurechtkommen wird, hat sie doch mit Kindern bisher nicht viel am Hut gehabt. Auch die erste Begegnung mit dem Kleinen wird sehr glaubwürdig geschildert. Aber dann geht es doch zu schnell und zu reibungslos - immerhin führen Miriam und Elena eine Wochenendbeziehung, und die Bedürfnisse des Kindes fügen sich für meinen Geschmack etwas zu nahtlos dort hinein.


    Elena knabbert ausserdem an ihrer Trauer um ihren Bruder, dessen Unfalltod in der Familie ein Tabuthema ist. Tabu ist auch die Familie ihres Vaters in Barcelona - die Mutter hat den Vater gezwungen, den Kontakt abzubrechen.


    Um diese familiären Komplikationen endlich aufzuarbeiten, entschliesst Elena sich, nach Barcelona zu fahren, um die Familie ihres Vaters kennen zu lernen. Sie wird herzlich aufgenommen, zum Teil auch etwas skeptisch beäugt, letztlich doch liebevoll akzeptiert - all das ist sorgfältig und ausgewogen dargestellt. Auch das Spanien, das Elena kennen lernt, wird einigermassen lebendig geschildert, obwohl etwas mehr Lokalkolorit die Geschichte noch farbiger gemacht hätte.


    Zwei Dinge gefallen mir an der Spanien-Episode, die immerhin ungefähr die Hälfte des Buches ausmacht, trotzdem nicht. Das eine: Sämtliche Dialoge sind in Deutsch, wunderschön durchformuliert. Ja, Elena hatte irgendwann mal Spanischunterricht - aber da ihre Mutter alles Spanische sorgsam von ihr ferngehalten hat, kann ich nicht ganz glauben, dass sie das in die Lage versetzt, gleich tiefsinnige Gespräche über Familiengeschichte und -geschichten zu führen. Und das andere: Was hat das eigentlich mit Miriam zu tun? Klar, am Ende sehen sich die beiden wieder, und es ist etwas klarer geworden, wie es mit den beiden weitergeht - aber dazu hätte Elena nicht nach Spanien fahren müssen.


    Tja - und das war's auch schon. Eine locker zu lesende Geschichte, sprachlich solide, aber mir fehlt die Kohärenz zwischen den einzelnen inhaltlichen Komponenten, und vor allem fehlt mir wohl das gewisse Etwas, das ich mir nach dem zwar noch nicht ganz ausgefeilten, aber doch viel versprechenden Erstling erhofft hatte.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)