Antonio Hill: Der Sommer der toten Puppen

  • Antonio Hill: Der Sommer der toten Puppen
    Suhrkamp Verlag 12. März 2012. 371 Seiten
    ISBN-13: 978-3518463703
    Originaltitel: El verano de los juguetes muertos
    Übersetzer: Thomas Brovot


    Verlagstext
    Hochsommer in Barcelona, ein scheinbar harmloser Unfalltod führt zu einer blutigen Spurensuche quer durch die Stadt. Der umstrittene Inspektor Héctor Salgado ermittelt in einer angesehenen Familie, in der niemand sagt, was er weiß. Hectór Salgado steckt in der Klemme. Als Argentinier fühlt er sich fremd im Land, sein Privatleben ist eine einzige Katastrophe, gegen ihn laufen interne Ermittlungen, weil er einen afrikanischen Mädchenhändler krankenhausreif geprügelt hat. Um so erfreulicher, daß sein neuer Fall so einfach scheint. Er soll den mutmaßlichen Unfalltod eines Jugendlichen aus bestem Hause untersuchen. Doch je tiefer er in der Familiengeschichte des Verstorbenen gräbt, desto verstörender sind seine Entdeckungen, die bis weit in die Vergangenheit reichen. Als dann ein weiterer Unfall geschieht, gerät Salgado selbst unter Mordverdacht …


    Der Autor
    Antonio Hill, geboren 1966 in Barcelona, hat Psychologie studiert und arbeitet als Übersetzer.


    Inhalt
    "Es gibt nichts Schlimmeres, als mit der Ungewissheit zu leben."
    Héctor Salgado ist nach vier Wochen Zwangsurlaub wieder zurück an seinem Arbeitsplatz bei der Kripo Barcelona. Es ist die Woche vor der Johannisnacht und in der Stadt steht die Hitze. Salgado wurde von seinem Chef aus dem Verkehr gezogen, nachdem er bei Ermittlungen zum Menschenhandel mit sehr jungen Frauen aus Nigeria ausgerastet war und einen Verdächtigen zusammengeschlagen hatte. Kommissar Savall nimmt Héctor weiter aus der Schusslinie der Öffentlichkeit, indem er ihn nun halboffiziell einen merkwürdigen Unfall überprüfen lässt. Marc Castells Vidal, ein junger Mann aus besserem Hause, war während einer Party durch einen Sturz aus dem Fenster tödlich verunglückt. Der Vater des Toten hat als bekannter Unternehmer entsprechende Ansprüchen an die Leistungen seines Sohnes; der Onkel ist katholischer Priester. Savall kennt die Mutter des Toten gut und hofft, dass Héctors Überprüfung ihr dabei helfen wird, sich mit dem Tod ihres Sohnes abzufinden. In den Kreisen der Vidals werden Probleme normalerweise diskret unter den Teppich gekehrt. Neu in Héctors Abteilung ist Leire Castro, frisch von der Polizeischule und mit besten Zeugnissen. Auch Unterinspektorin Martina Andreu gehört zum Team, bissig, emanzipiert, Mutter von zwei kleinen Kindern und unter allen Umständen den Kollegen gegenüber loyal. Leire Castros Ideen wirken in Héctors Team und im Todesfall Marc Vidal überaus hilfreich. Sie hat einen guten Draht zu Gina, der Freundin des Opfers, und recherchiert zur Kindheit und Schulzeit Marcs. Marc verbindet eine enge Beziehung zu seinem ehemmaligen Schulkameraden Aleix. Außerdem gibt es in der Familie einen weiteren ungeklärten Todesfall, dessen Zeuge Marc als Kind wurde. Héctor - seit seine Frau ihn wegen eines Abenteuers mit einer anderen Frau verließ als Single lebend - wird allmählich wieder von der Routine bei der Kripo eingeholt. Doch der unappetitliche Fall, in dem er damals gewalttätig wurde, ist offenbar längst nicht abgeschlossen. Héctor und seine Exfrau Ruth erhalten jeweils eine DVD mit kompromittierenden Fotos zugeschickt. Jemand will offensichtlich Druck auf Héctor ausüben. Leire Castros Analyse von Marcs Mail- und Telefonkontakten erbringt indessen, dass die Kripo in der Zona Alta Barcelonas noch ein undurchsichtiges Dickicht aus alten Geschichten zu entwirren hat.


    Fazit
    Héctor Salgado, mit dem ab und zu immer noch wie in seiner wilden Jugend das Temperament durchgeht, ist von Antonio Hill als Hauptfigur einer Serie angelegt, die in Barcelona spielt. Ein Ermittler, dem seine Arbeit an die Substanz geht und der sich das nicht eingestehen will, Veränderungen im Team durch eine neue Kollegin und eine gehörige Portion private Probleme der Ermittler sind bewährte Bestandteile von Krimi-Serien. Hills stilistisch sehr gelungener Einstieg wartet mit einigen überraschenden Wendungen auf und weckt besonders durch Martina und Leie als interessante weibliche Nebenfiguren meine Neugier auf die Fortsetzung. Für mehr Atmosphäre der spanischen Metropole (die Stimmung der Schauplätze macht für mich einen der Hauptreize beim Krimilesen aus) und eine Vertiefung der Charaktere besteht in den folgenden Romanen noch Luft nach oben. - Auf die Fortsetzung der Serie bin ich gespannt.


    Textauszug:
    "Wir sind hier nicht in Amerika. Hier kommen die Außenseiter nicht mit einem Gewehr in die Schule und ballern die ganze Klasse nieder." "Mangels Waffen oder mangels Lust dazu?" fragte der Inspektor in weiterhin lockerem Ton. "Ich glaube nicht, dass ich ein solches Gespräch über mörderische Gelüste mit einem Polizisten führen muss ..." "Auch Polizisten waren einmal Schüler. Aber im Ernst," sagt er, wechselte den Ton und nahm sich eine Zigarette aus der Schachtel, "ist doch klar, so etwas wie die Sache mit dem Video lässt man nicht unbeschadet hinter sich." (S. 197)


    9 von 10 Punkten

  • Es herrscht Hochsommer in Barcelona und der Kommissar Héctor Salgado, ein gebürtiger Argentinier, fühlt sich nicht nur fremd in dieser Stadt und diesem Land, sondern muss auch noch im Fall eines vermeintlichen Unfalltodes eines Jugendlichen ermitteln.
    Auch privat läuft nicht alles zum besten für ihn, da er von seiner Ehefrau für eine Frau verlassen wurde und bald selbst in einen Mordfall verwickelt wird bei dem er selbst zum Hauptverdächtigen wird.
    „Der Sommer der toten Puppen“ von Antonio Hill bildet den Auftakt zu einer neuen spanischen Krimiserie bei der der argentinische Kommissar Héctor Salgado im Mittelpunkt steht.
    Als ich las, dass der Handlungsort Barcelona ist, habe ich mich sehr gefreut, da es sich dabei um eine sehr schöne Stadt handelt. Der Autor schafft es auch dem Leser ein gutes Bild von Barcelona durch detaillierte und zahlreiche Beschreibungen zu vermitteln. Aber irgendwann waren es einfach zu detaillierte und zu zahlreiche Beschreibungen. Jeder Ort und jede Handlung wurden bis ins kleinste Detail beschrieben und der Autor wurde auch nicht müde immer wieder zu betonen, dass die Jahreszeit im Buch „Sommer“ ist und dass in Barcelona dann immer große „Hitze“ herrscht.
    Am Anfang war das ja noch ganz ok, aber wenn jedes zweite Kapitel damit beginnt, dass Sommer in Barcelona ist und die Hitze deswegen unerträglich ist, kann das schon sehr nerven.
    Aber Wiederholungen scheint Antonio Hill sowieso zu lieben, da auch ein weiterer Punkt immer wieder erwähnt wurde. So gibt es mystische Elemente, wenn von Voodoo die Rede ist. Anfänglich fand ich diese Informationen über Voodoo noch ganz interessant, aber irgendwann war es durch das ständig wiederholte Aufkommen dieses Aspekts sehr voodoolastig und einfach nervig sowie unglaubwürdig.
    Thematisch fand ich das Buch ganz ansprechend, aber die Umsetzung war meiner Ansicht nach nicht gelungen. Für mich kam durch die ganzen endlosen Dialoge und Beschreibungen die Handlung sehr kurz und ich fand das Buch bald sehr zäh und langweilig.
    Auch die blutigen Details konnten an dieser Langeweile nichts ändern. Für mich kam der eigentliche Fall nicht wirklich ins Rollen, obwohl das Buch ganz vielversprechend begonnen hatte.
    Die Figuren blieben für mich weitgehend auch sehr farblos. Jeder Ermittler hatte zwar sein eigenes Problem, das er bewältigen musste, aber irgendwie wirkten doch alle sehr karikaturhaft und diese Konstellation der Protagonisten harmonierte für mich nicht wirklich. Zum Ende hin wurde das zwar etwas besser, aber für mich sind die Figuren nicht reizvoll oder interessant genug, dass ich irgendwie Sympathie oder Mitgefühl für sie gehabt hätte.
    Auch mein Verdacht bezüglich des Täters hat sich nach und nach bestätigt außer die Auflösung, die hat mich dann schon etwas überrascht, war aber auch nicht wirklich spektakulär. Ich fand sie stellenweise sogar etwas absurd.
    Der Fall an sich war dann abgeschlossen, nur das Ende war sehr offen was das Privatleben von Héctor betrifft. Da wurde ich dann zum ersten Mal neugierig, allerdings denke ich nicht, dass ich deswegen weitere Fälle von ihm lesen werde, da mir zum einen trotz guten Themas die nötige Spannung für einen Krimi fehlte und zum anderen die ewigen Beschreibungen und Wiederholungen mir sehr das Lesen des Buches vermiesten.
    Ich werde also lieber verzichten.


    2 von 5 Sternen!

  • Lese ich jetzt bin aber bisher nicht sonderlich angetan und eher gelangweilt...
    Die Atmosphäre von Barcelona kommt auch überhaupt nicht rüber. Leider. :cry



    Fazit:


    Bei diesem Buch hatte ich wohl aufgrund der vielen guten Rezensionen etwas überzogene Erwartungen, zwar handelt es sich hier durchaus um einen soliden Krimi, der auch ein wenig Spannung aufbaut, aber letztlich sprang für mich der Funke einfach nicht über. Weder gelang es dem Autor die Stimmung des sommerlichen Barcelona einzufangen und an mich weiter zu geben, noch wurden die Figuren realistisch und dicht gestaltet.
    Dazu kam, daß ich mal wieder so eine Ahnung hatte, worum es letztlich gehen würde und wer da die Finger als Täter im Spiel hatte, was mir dann auch das letzte bißchen Spannung genommen hat.
    Dazu hatte ich ständig das Gefühl, daß der Autor seine Figuren besonders belesen, intelligent, eloquent und elitär darstellen wollte, was ihm leider durch den Stil irgendwie nicht so richtig gelingt und letztlich recht albern wirkt.
    Kein Buch für mich.

  • Also ich war von diesem Erstling rundrum begeistert.
    Antonio Hill versteht es in kürzester Zeit und mit wenigen prägnanten Szenen die Charakter seiner Hauptprotagonisten interessant und intensiv zu skizzieren. Allen voran den argentinisch-stämmigne Ermittler Hektor Salgado und Leire Castro, seine neue junge Kollegin. Dem Autor gelingt es, nicht nur einen spannenden Kriminalfall im Millieu einer wohlsituierten Familie Barcelonas zu inszenieren, sondern auch die privaten Verhältnisse der Ermittler in ihren menschlichen Facetten in die Handlung einzuflechten, ohne dass der Spannungsbogen darunter leiden würde. Besonders gefallen hat mir die psychologische Seite dieses Kriminalromans. Man merkt, dass Hill Psychologie studiert hat und der Roman erhält dadurch eine große Portion Glaubwürdigkeit und Tiefe, die dem Krimi gut zu Gesicht steht. Außerdem gibt es keine reine schwarz-weiß Malerei, auch die Guten haben ihre Ecken und Kanten, und bei den Bösen werden deren Beweggründe ausgelotet. Bei den meisten Zumindest. Der Schreibstil ist angenehm zu lesen und durchaus anspruchsvoller als der große Durchschnitt.


    Barcelona kommt als Lokalkolorit tatsächlich nur am Rande vor - bis auf die große Sommerhitze, die die Stadt niederdrückt. Aber man kann das auch positiv sehen, es ist so kein reiner Regionalkrimi - so was schreckt ja manchen Leser ab. Auch die Personen handeln nicht explizit wie "typische" Spanier - oder wie Argentinier im Falle von Hektor Salgado. Das stört mich manchmal z.B. in italienischen Krimis, wo es mehr um Kochen und das Siesta-Machen geht, als darum einen Mord aufzuklären. Am Ende gibt es noch eine Überraschung, was den Täter betrifft, also auch ein guter Abschluss dieses Kriminalromanes.


    Ich freue mich, dass dies nicht der letzte Fall von Salgado gewesen ist und hoffe, dass die Fortsetzung nicht zu lange auf sich warten lässt.
    Von mir gibt es 9 Punkte.


    Scheint ja mal wieder eines der Bücher zu sein, wo die Lager der Leser sich spalten. :grin

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Die Hexenholzkrone 2 - Tad Williams

    Foundation - Isaac Asimov

    ab 10.2. LR - Fernwehland - Kati Naumann



    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

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