Die Straßensängerin - Traude Bührmann

  • Kurzbeschreibung von Amazon:


    Anna, fünfundfünfzig Jahre, Fotografin, arbeitslos, beantragt bei der für sie zuständigen Sachbearbeiterin des Arbeitsamtes Berlin eine Umschulung zur Straßensängerin, was abgelehnt wird, denn so etwas ist in den Richtlinien der Behörde nicht vorgesehen. Aber Anna verfolgt ihr Vorhaben mit Sorgfalt und Gründlichkeit, unterstützt von ihren Freundinnen, ihrer Mäzenin, dem Sparschwein Louise, und ihrer fiktiven Muse Madam X und beflügelt von der Erinnerung an eine Stimme, die sie vor vielen Jahren bei einem Paris-Aufenthalt in der Métrostation Chatelet gehört hat.


    Für die aus Nordafrika stammende Straßensängerin Zineb hat sich der als vorübergehend gedachte Broterwerb zum Beruf entwickelt. Straßen und Musik gibt es überall, Freiheiten, Zwänge und Herausforderungen ebenfalls. Zinebs wechselnde Befindlichkeiten werden begleitet von ihren Fans, ihrer Katze Josephine, der Nachbarin Madame Garcia, dem alternden Kellner Jacques, der ihr jeden Morgen das Frühstück im Café de la Place serviert, und ihrer Kollegin Giovanna.


    Zunächst parallel und in Rückblenden, dann im Sinn einer musikalischen Engführung nehmen wir teil am Leben der beiden Protagonistinnen Anna und Zineb, die sich schließlich bei einer Soirée in Paris gegenüberstehen.


    Meine Meinung:


    Erfreulicherweise sind wir in der heutigen Lesbenliteraturlandschaft nicht mehr auf mittelmäßige Bücher angewiesen. Denn es gibt gute - zum Beispiel diesen Roman von Traude Bührmann, 1987 erschienen, längst vergriffen und nun neu aufgelegt.


    Ihre beiden Reiseführerinnen "Lesbisches Paris" (zusammen mit Suzette Robichon) und "Lesbisches Berlin" weisen die Autorin bereits als Expertin für die Atmosphäre ihrer beiden Wahlheimaten aus. Und wie ließe sich dieses Stimmungsbild besser vertiefen als auf den Spuren derjenigen, die es in Klängen und Bildern mitprägen, nämlich der StraßenmusikantInnen.


    Anna ist 55, Fotografin, arbeitslos, und lebt in Berlin. Sie beantragt beim Arbeitsamt eine Umschulung zur Straßensängerin. Ihre zuständige Sachbearbeiterin verzweifelt gelegentlich an ihr, aber irgendwie imponiert ihr Annas Zielstrebigkeit auch. In ihren Gesangstunden eifert Anna im Geiste einer einzigen Stimme nach - der einer Sängerin, die sie vor vielen Jahren in Paris in ihren Bann geschlagen hat, als sie noch die in spießbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsene Annemarie war. Später, in ihrer Hippiezeit, nannte sie sich Anemon und schaffte es bis nach Indien. Jetzt träumt sie davon, sich mit der Musik die Sterne vom Himmel zu holen.


    "Hol sie dir, meine Kleine, so viele wie möglich." Das Vermächtnis von Zinebs Tante. Zineb ist nordafrikanischer Herkunft. Sie lebt in Paris und verdient sich ihren Lebensunterhalt als Sängerin im Metroschacht. Das war zuerst eine Notlösung, doch jetzt liebt Zineb ihren Beruf – ebenso wie ihren Stammplatz in Jacques' Café und die Datteln aus Biskra.


    Die Musik prägt auch die Sprache des Buchs. Die Kapitel tragen Liedertitel, die ihre eigene Geschichte erzählen: "Gracias a la vida", "The lady is a tramp", "Freedom is just another word...", "Für mich soll's rote Rosen regnen".


    Schade nur, dass viele Dialoge missglückt sind. Hätte Traude Bührmann sie sich laut vorgelesen, dann hätte sie gemerkt, dass kein Mensch so gewählte, mit Bedacht formulierte Sätze bildet. Dabei ist das Buch sonst zum Vorlesen wie geschaffen, schreibt die Autorin die schönste sinnliche Sprache, die man sich vorstellen kann. Die Sprache fließt und hält inne, im Einklang mit dem, was sie der Leserin sagen will: genieß es, lass dich tragen... halt, aufgepasst, jetzt wird es wichtig.


    Nein, realistisch ist die Geschichte nicht. Dass die 55-jährige Anna, die früher nicht mal in der Badewanne gesungen hat, im Berlin des 20. oder gar 21. Jahrhunderts ihren Traum verwirklichen kann und innerhalb so kurzer Zeit Erfolg hat, das nehme ich der Autorin nicht ab. Auch nicht, dass sie ihre Metrosängerin in Paris nach all der Zeit einfach so wiederfindet, obwohl sie sich nur noch an ihre Stimme erinnert und Zinebs wallende dunkle Haarpracht inzwischen raspelkurz geschnitten und wasserstoffblond gefärbt ist.


    Aber das macht nichts. Ein Märchen ist es, das Traude Bührmann uns erzählt und mit dem wir uns träumend durch das Paris treiben lassen, das sie mit all seinen Winkeln, Geschichten und Charakteren kennt wie ihre Westentasche und uns in den verlockendsten Farben und Tönen schildert. Was könnte man sich im Frühling Schöneres wünschen als Annas und Zinebs "La vie en rose" in Paris. La plus belle histoire d’amour c’est vous.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • DAS klingt ja faszinierend.
    Schon notiert :write
    Und wie der Trick noch mal, mit dem frau schnell ihren leeren Geldbeutel auffüllt?
    :gruebel
    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • Wofür Krankheiten doch gut sein können... endlich kommt frau mal zum Lesen :lache


    Habe gestern in einem Rutsch dieses Buch gelesen und muss sagen, dass es an und für sich schön geschrieben ist; in sehr einprägsamer, bildlicher Sprache - allerdings ist mir zu wenig Handlung vorhanden.
    Den Roman kann man in einem Stück lesen, man kann sich gut die Protagonistinnen und deren Lebensumstände durch die versch. Zeiten vorstellen, ich mochte die blumige Sprache teilweise auch ganz gerne - aber die Geschichte ist mir zuuuu fiktiv (eine Förderung dieser Umschulung durch das AA?? ... und das in der heutigen Zeit.. *grübel*)
    und zuuu glatt (wie durch MaryRead bereits angesprochen - gleich in der ersten Woche in der Millionenstadt Paris trifft sie an einem Mittwoch das vermeindliche Stimmdouble in der Metro... nach 20 Jahren...), schlicht: zu unglaubwürdig.


    Alles in allem leider kein Buch, was einen prägenden Eindruck bei mir hinterlassen hat und welches ich bestimmt wieder verkaufen werde.
    Aber für einen Nachmittag im Bett war's ok.