Marie-Sabine Roger - Der Poet der kleinen Dinge

  • Inhalt:


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    Gérards ganze Liebe gilt der Poesie. Doch leider kann er seine Leidenschaft mit niemandem teilen, da er aufgrund einer Behinderung weder schreiben noch richtig sprechen kann. Nur die Herumtreiberin Alex versteht ihn und nimmt ihn ernst. Und da Gérard auch sonst wenig vom Leben hat, schmiedet Alex einen abenteuerlichen Plan.


    Die junge Alex lebt aus dem Rucksack, jobbt auf einer Hühnerfarm und hat am Bruder ihres Vermieters einen Narren gefressen: Gérard leidet an einer Behinderung und stellt jede Menge Unfug an, aber er trägt das Herz am rechten Fleck. Und Alex traut ihren Ohren nicht, als er eines Tages beginnt, ihr schlichte und zugleich hoch poetische Gedichte vorzutragen ... Bei ihren Spaziergängen am Fluss lernen die beiden ein anderes Außenseiterpaar kennen: zwei junge Männer, die dort jeden Tag herumhängen und Bier trinken. Das Unmögliche geschieht: Die vier freunden sich an, und plötzlich bietet sich ihnen die Möglichkeit, gemeinsam zu einer Freundin von Alex zu reisen - zu viert auf einem alten Motorrad mit Sidecar ...



    Meine Meinung:


    Ein Dorf in der Normandie, vier Menschen, jeder besonders auf seine Art.
    Die 30jährige Alex hält nichts lange an einem Ort und auch dieses verschlafene Nest will sie bald wieder verlassen, wenn da nicht der spastisch behinderte Gérard wäre, den sie Roswell nennt, da er sie an einen Außerirdischen erinnert.
    Alex schließt ihn bald ins Herz und lernt zusammen mit ihm ein anderes seltsames Paar kennen: Olivier, Bierdosenweitwerfer aus Leidenschaft und Cédric, Melancholiker sein Leben lang.
    Niemand von ihnen hat in seinem Leben wirklich viel erreicht oder Anerkennung für etwas erhalten, dabei wollen sie doch alle nur eines: frei sein.
    Und mit diesem Wunsch nach Freiheit beginnt bald ein ganz besonderes Abenteuer für sie: das Leben selbst.
    Marie-Sabine Roger hat mit „Der Poet der kleinen Dinge“ eine Geschichte erschaffen, die zwar nur kurz ist, mich aber tief berührt hat.
    Mit Alex, Cédric, Olivier und Gérard hat Roger Figuren erschaffen, die nicht wirklich auffällig sind – außer der spastisch behinderte Gérard, der aber durch seine Behinderung negativ auffällt – aber doch irgendwie in ihrem Streben dem Leben einen Sinn zu geben und es so gut wie möglich leben wollen zu Figuren werden, die einem in Erinnerung bleiben. Besonders Gérard, der durch seine überforderte Schwägerin Marlène genug einstecken muss, vermittelt dem Leser einen ganz besonderen Eindruck über die Auffassung des Lebens.
    Mich haben diese Stellen mit ihm besonders berührt und nachdenklich gestimmt und ich finde, dass Roger diese Thematik mit der nötigen Feinfühligkeit schildert und dem Leser dadurch ein ganz besonderes Gefühl vermittelt.
    „Der Poet der kleinen Dinge“ ist für manche vielleicht kein überragendes Werk und vielleicht kann man auch meine Freude über dieses Buch nicht ganz nachvollziehen, aber für mich ist es ein sehr besonderes Buch, da es mich sowohl sprachlich, als auch thematisch tief berührt und mitten ins Herz getroffen hat. Ein Buch, das ich nur schwer in Worte fassen kann, das so anrührend und wunderschön ist, sodass ich es noch lange im Gedächtnis haben werde. In einer schönen, detailreichen und poetischen Sprache geschildert wird eine unverwechselbare Atmosphäre geschaffen, die mich an „Le fabuleux destin d’Àmélie Poulain“ oder an die Bücher von Anna Gavalda erinnerte. Dadurch bekam ich richtiges Fernweh und kann meinen nächsten Aufenthalt in Frankreich kaum erwarten.
    Leider war ich dann zu schnell mit dem Buch fertig, was nicht nur an dem geringen Umfang des Buches und den sehr kurzen Kapiteln lag.
    Für mich war es ein Buch, das zeigte, dass auch Kleinigkeiten im Leben besonders sind und dass man sein Leben leben soll und sich nicht von anderen beeinträchtigen lassen soll. Dafür ist das Leben einfach zu vollgepackt mit vielen kleinen Dingen, die dieses erst lebenswert machen.


    5 von 5 Sternen!

  • Französisches Sozialdrama mit leisen Tönen


    Ich finde, die Autorin ist sich und ihren Fähigkeiten treu geblieben, was schon einmal prinzipiell gut ist. Schon in ihrem ersten Buch, "Das Labyrinth der Wörter", hatte sie sich in die Perspektive eines Ungebildeten, eines "Underdog", versetzt, und aus seiner Sicht das Leben geschildert. Es nahm dann durch die Begegnung mit einem Menschen, der sich tatsächlich für ihn interessierte, eine Wendung zum Guten. Genau dasselbe passiert hier - allerdings hat sich die Autorin einen erfrischend neuen Ansatz einfallen lassen.


    Erzähler ist diesmal nicht der Benachteiligte selbst, sondern Alex, eine 30jährige junge Frau, die ein Nomadenleben führt. Heimlicher Held des Buches ist Gérard, der Bruder ihres Vermieters. Er ist geistig behindert und verkrüppelt, und fristet mehr sein Dasein, als dass er es wirklich lebt. Dies liegt hauptsächlich an Marlène, der Frau von Gérards Bruder Bertrand. Durch die Augen von Alex wird nun dieser triste Haushalt herrlich bissig und entlarvend geschildert: Marlène ist in ihrem Leben desillusioniert und gescheitert, und hat auch noch diesen "Klotz am Bein", Gérard. Bertrand schuftet in der Fabrik, liebt seinen Bruder aber. Und Gérard selbst - ist schlauer, als man denkt, ist herrlich begeisterungsfähig, und interessiert sich ausgerechnet für Gedichte.


    Es ist wirklich herzerwärmend, wie Alex hinter die Fassade des "Krüppels" zu schauen beginnt, und sich ihm annähert. Die Tatsache, dass sie eine ziemlich drastische, weibliche "Schnauze" hat, macht es der Autorin leicht, gleichzeitig schonungslos und doch einfühlend zu schreiben. Nur eine Tatsache hat mich die Stirne manchmal runzeln lassen: die Autorin hat hier den "Tick" entwickelt, immer am Schluss der "Alex"-Kapitel einen kleinen, nachgeschobenen Satz einzuflechten, der wohl besonders tiefsinnig sein sollte. Meiner Ansicht nach hätte sie sich diese "nachgeschobenen" Sätze lieber sparen sollen, sie waren zumeist überflüssig und plakativ. Nicht immer, aber doch oft.


    Das Besondere an diesem Buch ist nun, dass sich die Kapitel aus Alex' Sicht abwechseln - und zwar mit der Perspektive von Cédric, dem zweiten Erzähler dieses Buches. Er ist 28, arbeits- und perspektivlos, und hängt mit seinem etwas seltsamen, aber doch drolligen Freund Olivier immer an der anderen Seite des "Kanals" ab - genau dort, wo Alex mit Gérard spazieren geht. Durch diverse Vorfälle kommen sich beide Parteien näher, bis schließlich eine Freundschaft entsteht. Sehr gut gemacht - denn die beiden Perspektiven von Alex und Cédric ergänzen sich, schildern auch mal Vorkommnisse völlig gegensätzlich. Der eine nimmt den Faden aus dem vorigen Kapitel wieder auf, und "gibt seinen Senf dazu". Sehr oft habe ich geschmunzelt, wie sehr sich doch Männer und Frauen missverstehen können! Der Wechsel hat mir wirklich gut gefallen, das brachte Leben ins Buch.


    Ich finde, die Autorin hat sich wirklich perfekt in dieses triste Vorstadtleben hineinversetzt; sie erweckt ihre Figuren zum Leben, weckt Sympathien auch noch mit den größten Schrullen, den scheinbarsten "Losern". Am Ende hat man alle gern gewonnen - sogar Marlène.


    Was mich aber von 5 Sternen definitiv abhält, ist das Ende. Dies braucht hier nicht näher erläutert zu werden, denn es geht mir nicht darum, WAS geschieht, sondern um die Kürze. Im gefühlten letzten Viertel des Buches geschieht auf einmal sehr viel. Ganz zum Schluss hat Alex eine Eingebung, was sie alle vier gemeinsam machen könnten. Und - bumm! - alle Probleme lösen sich in Wohlgefallen auf. Das wirkte auf mich sehr unbefriedigend, gekünstelt, gewollt. Wie ein "deus ex machina". Es sah beinahe so aus, als habe der Abgabetermin genaht, und sie habe das Buch schnell beenden wollen. Oder als habe ein Lektor aus verlagsinternen Gründen mindestens 50 Seiten gestrichen - und aus dramaturgischer Sicht fehlen die nun. Wohlgemerkt, ich freue mich für die Figuren - hätte aber die Wandlung zu diesem Ende hin gerne genauer verfolgt. Dem Buch hätten ca. 50 Seiten mehr sehr gut getan!


    Insgesamt bin ich jedoch positiv überrascht von diesem Buch. Denn der Autorin ist ein doch sehr erfrischend zu lesendes Buch gelungen, das den Leser in eine soziale Randgruppe führt, die er sonst wohl nie kennengelernt hätte. Und auch für Behinderte weckt sie große Sympathien. Man sollte jedoch nicht so sehr auf "logische Enden" stehen, wenn man dieses Buch lesen möchte.

  • Nachdem ich schon mit Begeisterung "Das Labyrinth der Wörter" der Autorin gelesen habe, lag dieses Buch schon eine Weile in meinem SUB und wartete darauf in die Hand genommen zu werden.


    Zu Beginn hatte ich allerdings so einige Schwierigkeiten die beiden Ich-Erzähler auseinander zu halten und dies machte mir das Lesen etwas schwer. Nachdem ich mich aber daran gewönnt hatte, klappte es immer besser und mir hat diese Geschichte ein paar schöne Stunden bereitet.


    Auch in diesem Band erzählt die Autorin wieder über Menschen, denen das Leben nicht immer positiv gegenüber stand und die man auch als Außenseiter beschreiben könnte.
    Mir gefiel dieses Buch, weil es mich zum Nachdenken anregte und dazu, vielleicht manchmal mit anderen Augen durch die Welt zu gehen und auch mal hinter die Fassade zu schauen.

  • Der Poet der kleinen Dinge – Marie-Sabine Roger


    Der kurze Roman ist schnell gelesen und hat den Leser an die Seite der toughen Icherzählerin Alex gebracht. Allerdings gibt es mit Cedric noch einen zweiten Icherzähler. Das ist der literarische Clou. Doch Cedrics Part ist weniger wichtig für das Buch als der von Alex und Gerard. So bleibt er erzählerisch mehr oder weniger auf der Strecke.

    Davon abgesehen ist Marie-Sabine Rogers Stil ansprechend, fast schon elegant.


    Problematisch: Die Autorin entwirf manche Figuren als Typen, wie den positiv besetzten Zackenbarsch oder eher negativ Marlene, die wirklich nur stereotyp ist.

    Glaubhaft finde ich keine der Figuren. Auch das Ende ist zu sehr idealisiert und würde in der Realität so glatt wohl nicht erfolgen.

    Aber das ist nicht entscheidend.

    Das Buch ist als warmherziger, berührender Unterhaltungsroman konzipiert und so funktioniert er auch.


    ASIN/ISBN: 3423214325