"Charaktere" wtf ?!

  • *schleicht sich mal rein* Ich habe heute Vormittag auf der Arbeit einmal im Kluge (etymologisches Wörterbuch) unter Charakter nachgesehen. Laut dem Kluge stammt "Charakter" ursprünglich aus dem Altgriechischen und bedeutet in seiner Verbform "prägen, einritzen". Demnach wäre "Charakter" mit "Prägung" gleichzusetzen. Dann ist das Wort weiter über die Französische Sprache in die Deutsche Sprache eingewandert in der Bedeutung "wesentliche Eigenschaft". Kant soll zu seiner Zeit den Begriff als unpräzise, schwammig und nicht zu fassen beschrieben haben. Meiner Meinung nach ist über die Französische Sprache der Begriff auch in den Angloamerikanischen Raum eingewandert.


    Die neue Verwendung des Begriffs kann man durchaus als Anlehnung an die Englische Sprache gesehen werden. Dieses ist jedoch ein ganz normal Prozess in Sprachen. In der Deutschen Sprache gibt es viele Wörter, die ursprünglich aus anderen Sprachen stammen. Vorneweg sind hier das Altgriechische, das Lateinische und das Französische zu nennen. Der Einfluss der Englischen Sprache kommt uns vor allem so stark vor, weil wir ihn bewusst wahrnehmen. Ansonsten sind die Auswirkungen bisher noch kleiner als die der zuvor genannten Sprachen (über dieses Thema habe ich letzten Sommer intensiv in einem Seminar zu "Mythen der Sprachwissenschaft" diskutiert). Ich finde es spannend zu beobachten, wie sich die Sprache wandelt und verändert. Sie lebt und bleibt so interessant. Die wenigsten Personen lesen vermutlich mittelhochdeutsche Texte in ihrer Freizeit, da sie Schwierigkeiten hätten, diese zu verstehen. Dabei ist auch das in Deutsch verfasst, nur in einer älteren Sprachstufe, in der französischer und lateinischer Einfluss zu spüren ist.


    Soviel zu diesem Thema von mir. *schleicht sich wieder aus dem >Thread< heraus*

    "Schweigen bedeutet für einen großen Teil der Menschheit Gewinn."Borondria, Großmeisterin der Golgariten


    Mein Blog: Büchervogel

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  • Zitat

    Original von harimau
    Aber ist es dann nötig, einen Begriff - für den es im Deutschen bereits eine (mehrere) Entsprechung(en) gibt - zu importieren, der ein weiteres "Teekesselchen" produziert, noch dazu ein inhaltlich nicht allzu weit auseinanderliegendes? Ich sehe die Notwendigkeit nicht.


    So sehe ich es auch. Leider werden immer mehr deutsche Begriffe durch englische ausgetauscht. Ich weiß nicht, vielleicht bin ich altmodisch oder habe schon genug Mühe mit meiner Muttersprache, sodass ich weitestgehend auf die neumodischen Wörter verzichte.

  • Guten Abend zusammen.


    Ich finde die Diskussion wirklich interessant.
    Man erkennt, wie jeder Mensch die Sprache anders wahrnimmt.


    Ich persönlich habe früher auch immer das Wort "Charakter" als Synonym für "Figur" benutzt. Mittlerweile versuche ich es mir abzugewöhnen. Einfach, weil ich es selbst verwirrend finde.


    Allerdings ist auch mir damals in der Schule die unterschiedliche Betonung des Wortes "Charakter" beigebracht worden. So gab es auch zwei Bedeutungen.
    Heute erscheint mir das allerdings nicht mehr sehr logisch, auch wenn ich dafür keine passende Erklärung habe.


    Die Sprache ist ein sehr interessantes Thema und niemals ausgeschöpft.


    Und so etwas, sagt über das Gefühl mancher für unsere Sprache doch schon alles...


    Der Plural von Ananas?



    Liebe Grüße,
    Jacky :winkt

  • Wer sich mit Videospielen ein wenig auskennt (speziell im Rollenspiel-Bereich), dem wird die Aufforderung "Charakter erstellen" wohl häufiger unterkommen. Da solche Spiele größenteils aus dem englischen Raum importiert und dann für den heimischen Markt übersetzt werden, schätze ich einfach mal, dass diese Übersetzungen ihren Teil dazu beigetragen hat, diesen Ausdruck zur Bezeichnung von fiktiven Personen auch in unserem Sprachraum geläufig zu machen.


    Bei der Begriffserklärung von Wikipedia steht übrigens noch folgendes:


    "fiktionale Person, in Anlehnung an den englischen Sprachgebrauch"

  • Ich finde es auch spannend.
    z.B. die Information, daß das Wort 'Charakter' unterschiedliche Betonungen hätte und somit unterschiedliche Bedeutungen.
    :gruebel


    Ich hätte auch nichts gegen die Verwendung von 'Charakter' für 'Figur', wenn es eine Erweiterung wäre. tatsächlich aber ist es eine Einschränkung. Man läßt ein Wort aus und bläst dafür die Bedeutung in ein anderes Wort.
    Wenn's schee macht.



    Aber etwas anderes: gestern abend las ich auf der Abdeckung eines Baugerüsts kurz vor dem Postdamer Platz folgenden riesengroßen Werbespruch:


    Shopping is coming home


    wtfff??


    Kann mir das jemand erklären? Egal, ob deutsch, englisch oder Urdu. Hauptsache, in einer zivilisierten Sprache.
    :help




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • @ magali: Vielleicht war das Werbung für einen Homeshopping-Sender?


    Auf jeden Fall empfehle ich diesen Artikel (nicht nur für [URL=http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,457617,00.html]Diabetiger[/URL] ) :wave

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ich hab mal gegooglet und das scheint Werbung zu sein fuer ein neues Gebaeude, das Wohnen und Einkaufen in einem anbieten wird. Nicht gerade ein neues Konzept und warum man dafuer einen englischen Slogan (ok, hier mal wieder ein englisches Wort) waehlen muss? Soll wohl Leute anziehen, die sich fuer cool und hip halten :grin

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • danke Euch, mir schwante so etwas.


    bin ich froh, daß ich zu alt bin, um cool und hip zu sein.
    :kreuz


    Aber ich habe mich wirklich erschrocken bei dem Anblick. Ich möchte bitte nicht, daß ein unbekannter Shopping plötzlich in meiner Wohnung steht!
    :lache



    :wave


    magali

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    K. Kraus

  • Ich liebe Sprachdiskussionen aller Art. Es zeigt doch nur, dass es nicht egal ist, wie wir sprechen und uns ausdrücken. Mir war bis vorhin nicht bewusst, dass "Charakter" in diesem Zusammenhang einfach falsch ist, da ich den Begriff schon sehr oft als Synonym für Figur gelesen habe. Ich habe einfach nie darüber nachgedacht.


    Und mir ist auch erst seit dem Lesen dieses Threads bewusst, dass das Wortpaar "ausgeprägter Charakter" redundant ist.


    Es schadet nicht, wenn uns bewusst ist, wie und vor allem wie stark sich unsere Sprache wandelt. Ich möchte gerne selbst entscheiden, welche Anglizismen ich verwende. Wenn es nun einen deutschen Begriff gibt, der viel genauer beschreibt, was ich sagen möchte, dann benutze ich doch lieber den als einen Anglizismus. Wenn es aber ein Wort ist, das gar nicht vernünftig übersetzt werden kann, dann werde ich mich auch nicht aufhängen, um ein deutsches Wort dafür zu finden.


    Man braucht sich nicht wie ein penibler Grenzwärter aufführen und gar nichts aus anderen Ländern reinlassen, aber man muss auch nicht gleich alles übernehmen, was einem vor Augen und Ohren kommt.

  • Zitat

    Original von Regenfisch
    @ magali: Vielleicht war das Werbung für einen Homeshopping-Sender?


    Auf jeden Fall empfehle ich diesen Artikel (nicht nur für [URL=http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,457617,00.html]Diabetiger[/URL] ) :wave


    Ich LIEBE das Zwiebelfischchen.


    Teigtaschen von sibirischer Oma. Kreisch!


    Eulen, klickt euch unbedingt durch regenfischs Link. Ich sag nur: Willkommen in Fiesbaden ... oder in Schbanien ...


    Hilfe, ich kann gleich nicht mehr vor Lachen ... gleich ist geschlossen wegen ZU!

    Ship me somewhere's east of Suez,
    where the best is like the worst,
    where there aren't no ten commandments
    an' a man can raise a thirst


    Kipling

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von SteffiB ()

  • Gestern habe ich in einem Buch noch gelesen: "Charaktere und Begebenheiten sind frei erfunden ....", durch diesen Thread ist mir erst bewusst geworden, dass die Verwendung falsch ist. Vielleicht hätte ein Hinweis sein können, dass ich den Begriff selbst in meinen Buchvorstellungen (jedenfalls meiner Erinnerung nach) nur als "die Charaktere" benutzt habe, denn "der Charakter xy" zu schreiben kam mir irgendwie falsch vor … :gruebel


    Ich bin sehr dafür Sprache und Rechtschreibung richtig und präzise (jedenfalls nach bestem Wissen und ohne Schlampigkeit) zu benutzen, kann mich der bewussten oder unbewussten Sprachvermischung aber wohl auch nicht wirklich ;-) entziehen.


    Vielleicht an dieser Stelle mal die Frage, ist "Karkasse" in Deutschland ein geläufiger Begriff? Oder habe ich bisher zu wenige Kochbücher gelesen? Nachdem ich in der Übersetzung eines amerikanischen Romans "Truthahnkarkasse" gelesen habe, kam mir das vor wie "turkey carcass" durch das Übersetzungsprogramm gejagt, aus dem Englischen war mir die Vokabel bekannt. In einer Übersetzung aus dem Italienischen kam mir jetzt noch eine Fiat-Karkasse unter, Prof. Google sagte, Karkasse ist ein Bestandteil eines Autoreifens und Prof. Duden hat auch die Geflügel-Karkasse als Deutsch anerkannt, im Buch war aber eigentlich die Karosserie und nicht der Reifen gemeint. Die allgemeine Schlampigkeit von Übersetzungen trägt wohl auch ihren Teil zur Sprachverwirrung bei, "wenn es in einem Buch steht, muss es doch wohl richtig sein?" ... :gruebel



    .

  • Zitat

    Original von Uta
    Vielleicht an dieser Stelle mal die Frage, ist "Karkasse" in Deutschland ein geläufiger Begriff? Oder habe ich bisher zu wenige Kochbücher gelesen? Nachdem ich in der Übersetzung eines amerikanischen Romans "Truthahnkarkasse" gelesen habe, kam mir das vor wie "turkey carcass" durch das Übersetzungsprogramm gejagt, aus dem Englischen war mir die Vokabel bekannt. ... :gruebel


    Das hängt davon ab, ob du damit Gerippe oder Kadaver meinst. Wenn es das tote Tier mitsamt Fleisch ist, trifft der Begriff im Deutschen nicht zu.

  • SteffiB


    ich weiß nicht, was Du hast. 'Dauerbeamtete' sind entschieden pflegebdürftiger als andere Leute, jedenfalls meiner Erfahrung nach. Überhaupt geben die Beispiele bloß die Realität wieder.
    :grin



    Uta


    nicht wirklich ist ebenfalls so eine angelsächsische Nettigkeit, die ich im Deutschen so überaus schätze.
    :schlaeger


    zu 'Karkasse':


    das Wort gibt es im Deutschen tatsächlich, es ist aber in dem Sinn, den Du meinst, ein terminus technicus :grin von MetzgerInnen und Profiköchinnen und -köchen.
    Karkasse heißt das Gerippe von Schlachtvieh allgemein, in der Küche vor allem das Gerippe von Geflügel. Ich kenne es aber ausschließlich aus der Feder von Profis der Küche, in fachspezifischen Lexika u.ä.
    Vielleicht benutzen es ambitionierte Hobby-Köchinnen ebenfalls, keine Ahnung.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Zitat

    Original von Uta
    Vielleicht hätte ein Hinweis sein können, dass ich den Begriff selbst in meinen Buchvorstellungen (jedenfalls meiner Erinnerung nach) nur als "die Charaktere" benutzt habe, denn "der Charakter xy" zu schreiben kam mir irgendwie falsch vor … :gruebel


    Das ist mir auch aufgefallen, das mache ich, denke ich, genauso, es nur im Plural verwenden, weil es im Singular eigenartig klingen würde. Interessant! Und tatsächlich ist mir das C-Wort im Plural eben spontan entschlüpft, als ich mit jemandem über ein Buch gesprochen habe. Ich fürchte daher, für mich ist es zu spät. :lache

  • Zitat

    Original von Buchdoktor


    Das hängt davon ab, ob du damit Gerippe oder Kadaver meinst. Wenn es das tote Tier mitsamt Fleisch ist, trifft der Begriff im Deutschen nicht zu.


    Nur das Gerippe. Als Ergebniss der Google-Suche gab es auch irgendwelche Websites (Kochbuch.de oder so ähnlich) in denen Geflügel-Karkasse tatsächlich vorkam. Vielleicht kam Karkasse von carcasse so ähnlich wie Portemonnaie nach Deutschland und war dann irgendwann offiziell im Duden. Meiner Großmutter aus dem Rheinland war auch das Trottoir ganz normal geläufig (ohne Anspruch darauf hip zu sein. ;-)) Und das Chaiselongue im Wohnzimmer.


    .

  • Zitat

    Original von magali
    zu 'Karkasse':


    das Wort gibt es im Deutschen tatsächlich, es ist aber in dem Sinn, den Du meinst, ein terminus technicus :grin von MetzgerInnen und Profiköchinnen und -köchen.
    Karkasse heißt das Gerippe von Schlachtvieh allgemein, in der Küche vor allem das Gerippe von Geflügel. Ich kenne es aber ausschließlich aus der Feder von Profis der Küche, in fachspezifischen Lexika u.ä.
    Vielleicht benutzen es ambitionierte Hobby-Köchinnen ebenfalls, keine Ahnung.


    In dem amerikanischen Buch war die Truthahnkarkasse der Rest vom Thanksgiving- oder Sonntagsbraten des Kommissars und seiner Ehefrau und stand keineswegs im Zusammenhang mit Profiköchen. In diesem Krimi war das auch schon die dritte oder vierte sprachliche Merkwürdigkeit auf den ersten zwanzig Seiten, daher hatte ich das Buch kurz darauf wegen Genervtsein aufgegeben. Ich weiß schon, warum ich normalerweise keine Übersetzungen mehr lese, wenn es sich vermeiden lässt ...


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