Welches Buch ist denn eingezogen?
'Krieg und Frieden' - Band 1, Teil 2 - Kapitel 11 - 21
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Welches Buch ist denn eingezogen?
Adam Zamoyski "1812. Napoleons Feldzug in Russland", DTV, München 2014; fand ich im Norma als DTV-Mängelexemplar. Wollte ich zwar gebunden, aber bei dem Preis konnte ich nicht widerstehen.
Manfred Hildermeier "Geschichte Russlands. Vom Mittelalter bis zur Oktoberrevoloution", C. H. Beck, München, 3. Auflage 2016
Von ihm wird noch folgen "Geschichte der Sowjetunion 1917-1991: Entstehung und Niedergang des ersten sozialistischen Staates", C. H. Beck, München 2. Auflage 2017
Mich interessiert weniger die Geschichte Frankreichs oder Napoleons, sondern das Ganze aus der Sicht Russlands und der russischen Geschichte.
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Danke, die Vorschauen lesen sich sehr interessant.
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Hier endet mein zweiter Teil, deshalb hier mein Post zum gesamten "Band 1, Teil 2"
Wir wechseln zum Kriegsgeschehen, man sieht, wie oft es Missverständnisse, Tricks, "Befehlsauslegungen" gibt, heutzutage wäre das gar nicht mehr denkbar, aber damals, ohne Telefon usw.
Tolstoi schreibt auch hier mit viel Humor, trotz des Krieges musste ich öfter schmunzeln. Ich hoffe dennoch, dass bald wieder ins russische Zivilleben gewechselt wird. Ich habe zwar vor vielen Jahren den Film gesehen, aber praktisch gar nichts in Erinnerung.
Auch hier hatte ich durchaus wieder meine Probleme damit, die Charaktere immer richtig zuzuordnen, das macht aber überhaupt nichts aus. Werde mir demnächst trotzdem die Figurenübersicht ausdrucken ...
Ich mache hier nun eine Pause für den Rest des Monats, ich habe Urlaub, der Roman ist aber meine Pendellektüre und soll es auch bleiben.
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OK, dann schönen Urlaub dir!
Telefon und Funk haben natürlich viel verändert, aber ich vermute, Missverständnisse, Tricks & Befehlsauslegungen gibt es heute auch noch - gerade, weil es im Kriegsgeschehen um Leben und Tod oder um das Schicksal des Landes/der eigenen Familie geht.
Tolstois Humor finde ich auch super; ich kann mich kaum an einen annähernd so humorvollen/satirischen Schriftsteller erinnern.Ja, gerade bei den verschiedenen Offiziern hätte Tolstoi öfter die zugehörigen Namen dazuschreiben sollen. Vielleicht liegt das aber auch an den Übersetzern oder ist/war in Russland so üblich. Ich merke auch immer mehr, wie "grottenschlecht" ich die ultra-gekürzte Lorenz-Version im Vergleich zur Röhl-Version finde; z.B. sind, glaube ich, fast alle humorvollen Stellen in diesem Abschnitt weggekürzt.
Sehr nett fand ich z.B. dieses Zitat:
"Man hätte meinen sollen, dass es unmöglich sei, sich noch strammer auszustrecken, als es Timochin zu der Zeit getan hatte, wo ihn der Regimentskommandeur tadelte. Aber in diesem Augenblick, wo sich der Oberkommandierende zu ihm wendete, reckte sich der Hauptmann dermaßen gerade, dess es schien, wenn der Oberkommandierende ihn noch eine Weile ansähe, so würde der Hauptmann sich Schaden tun; und deshalb wandte sich Kutusow schnell von ihm ab, da er augenscheinlich die Situation des Hauptmanns begriff und ihm alles Gute wünschte. Über Kutusows volles, durch eine Narbe entstelltes Gesicht flog ein ganz leises Lächeln."
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Ich hoffe dennoch, dass bald wieder ins russische Zivilleben gewechselt wird.
Ich muss gestehen, dass habe ich mir in diesem Abschnitt sehr oft gewünscht. Der Abschnitt davor war ja noch ok. Aber hier konnte ich mit den Kriegshandlungen nichts anfangen; wie z.B. die Truppenbewegungen oder Kriegsstrategien am Anfang.
Ich habe noch drei Themen, die ich mir notiert habe, aber ich merke jetzt, dass ich doch zu müde bin, hier weiterzuschreiben. Ich verschiebe das mal auf tagsüber. Bis später!
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Hier bin ich wieder.
Besonders aufgefallen und etwas nachdenklich gemacht hat mich die Szene, als die französischen und russischen Soldaten sich friedlich unterhielten und zusammen lachten. Napoleon und der Zar kommen mir auf einmal richtig feige vor. Warum muss eigentlich immer das Volk leiden, wenn Könige sich bekiegen. Sollen sie doch persönlich gegeneinander antretten. Aber was rede ich da. Es war einmal.Dann gab es eine Szene, in der sein Soldat vor den anderen Soldaten ausgepeitscht wurde, weil er gestohlen hatte. Blöderweise habe ich mir nicht aufgeschrieben, aus welchem Land die Soldaten waren. Mir ist nur sofort eingefallen, dass in der Situation, als Rostow melden wollte, dass einer von den eigenen Soldaten gestohlen hatte, er davon abgehalten wurde, mit der Begründung, er würde damit 'Schande' über die ganze Truppe bringen.
Es ist etwas irritierend, dass beim Erzähler machnmal 'uns', 'wir', etc. dasteht. Damit ist vielleicht das russische Volk gemeint?Ich habe schon etwas weitergelesen im nächsten Abschnitt. Da mache ich jetzt auch weiter.
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Es waren russische Soldaten, von denen einer wegen Diebstahl ausgepeitscht wurde. Der Unterschied ist wohl, dass Rostow in einen Diebstahl unter dem Pawlograder Husarenregiment (eine Kavallerie-Garde) verwickelt war, das besonders auf seine Ehre achtete, während es hier um eine einfache Grenadier-Korporalschaft oder so (Infanterie) ging.
Bestimmt ist das russische Volk gemeint; Tolstoi rechnete vielleicht nicht damit, dass er auch außerhalb Russlands gelesen werden würde.
Die Szene, in der die Franzosen und Russen miteinander lachen, ist wirklich erstaunlich. Kann gut sein, dass der Zar und Napoleon feige waren; es hätte wohl aber auch viel Mut gebraucht, gegen den Willen/die Erwartung des Volkes keinen Krieg zu führen. Wenn man "Schwäche zeigte" oder Beleidigungen einfach hinnahm, konnte man schnell abgesetzt werden oder politisch große Probleme bekommen. Feigheit ist es wohl trotzdem (kenne mich mit den Hintergründen nicht so aus), aber eine, die nicht einfach zu überwinden war.
aber ich merke jetzt, dass ich doch zu müde bin, hier weiterzuschreiben. Ich verschiebe das mal auf tagsüber. Bis später!
Tagsüber? 00:01 Uhr? :--)
Aber hier konnte ich mit den Kriegshandlungen nichts anfangen; wie z.B. die Truppenbewegungen oder Kriegsstrategien am Anfang.
Die Beschreibung des Kriegsgeschehens liest sich teilweise schon sehr düster; irgendwie ist es auch ganz großes (und grausames, weil realistisches) Drama, wie an dieser Stelle:
" 'Wenn von Bagrations Abteilung morgen der zehnte Teil davonkommt, dann will ich Gott danken', fügte er [Kutusow] wie im Selbstgespräch hinzu.
Fürst Andrei sah zu Kutusow hin, und unwillkürlich haftete sein Blick (...) auf den sauber gewaschenen Falten der Narbe an Kutusows Schläfe, wo ihm beim Sturm auf Ismail eine Kugel in den Kopf gedrungen war, und auf dem ausgelaufenen Auge des Oberkommandierenden. 'Ja, er hat ein Recht, so ruhig von dem bevorstehenden Untergang dieser Menschen zu sprechen', dachte Bolkonski."
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Tagsüber? 00:01 Uhr? :--)
Jaaa, ich habe es nicht eher geschafft.
Es waren russische Soldaten, von denen einer wegen Diebstahl ausgepeitscht wurde. Der Unterschied ist wohl, dass Rostow in einen Diebstahl unter dem Pawlograder Husarenregiment (eine Kavallerie-Garde) verwickelt war, das besonders auf seine Ehre achtete, während es hier um eine einfache Grenadier-Korporalschaft oder so (Infanterie) ging.
Danke für die Aufklärung!
es hätte wohl aber auch viel Mut gebraucht, gegen den Willen/die Erwartung des Volkes keinen Krieg zu führen.
Also, wenn das Volk wirklich den Krieg wollte, nehme ich meine Aussage mit der Feigheit wieder zurück. Obwohl, dann waren sie es auf andere Weise?
Hm, damals waren die Kriege bestimmt anders als heute. Ich behaupte jetzt einfach mal, dass das Volk und die Soldaten überzeugt vom Krieg waren und bereit waren ihr Leben dafür auf's Spiel zu setzten. Bisher wurde die Zivilisation in 'Krieg und Frieden' auch nicht angegriffen, soweit ich das jetzt beurteilen kann. Es ist abzuwarten, wie sich das entwickelt bzw. könnte ich mich ja mal bei Gelegenheit und wenn ich guten Gemütes bin darüber informieren, wie das damals so von statten ging.
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Zitat
Besonders aufgefallen und etwas nachdenklich gemacht hat mich die Szene, als die französischen und russischen Soldaten sich friedlich unterhielten und zusammen lachten. Napoleon und der Zar kommen mir auf einmal richtig feige vor. Warum muss eigentlich immer das Volk leiden, wenn Könige sich bekiegen. Sollen sie doch persönlich gegeneinander antretten. Aber was rede ich da. Es war einmal.
Es ist etwas irritierend, dass beim Erzähler machnmal 'uns', 'wir', etc. dasteht. Damit ist vielleicht das russische Volk gemeint
Nun, es gibt auch andere Gelegenheiten, bei denen "feindliche" Soldaten friedlich miteinander umgingen, z. B. sind solche Szenen aus dem ersten Weltkrieg während der Weihnachtstage überliefert.
Ich denke, es ist eher selten, dass "das Volk" wirklich selbst Krieg will, das geht meistens von oben aus. Und ja, es wäre viel einfacher, wenn die Staatsoberhäupter sich einfach duellieren würden. Tun sie aber nie, und werden sie wohl auch nie. Ich denke, Kriege wären dann Vergangenheit und Diplomatie würde die Welt regieren.
Ja, Tolstoi meint damit die Russen, immerhin ist er selbst auch einer ... Mich hat das nur kurz irritiert, aber auch nur, weil das auf einmal auftrat.
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Nun, es gibt auch andere Gelegenheiten, bei denen "feindliche" Soldaten friedlich miteinander umgingen, z. B. sind solche Szenen aus dem ersten Weltkrieg während der Weihnachtstage überliefert.
Genau daran musste ich denken, als ich die Stelle mit dem friedlichen Zusammensein zwischen den Russen und Franzosen las. Ich wusste nur nicht mehr, ob das im 1WK oder 2WK war.
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Jaaa, ich habe es nicht eher geschafft.
Hätte ja sein können, dass du in Neuseeland lebst...
Also, wenn das Volk wirklich den Krieg wollte, nehme ich meine Aussage mit der Feigheit wieder zurück. Obwohl, dann waren sie es auf andere Weise?
(...) Bisher wurde die Zivilisation in 'Krieg und Frieden' auch nicht angegriffen, soweit ich das jetzt beurteilen kann.OK, meine Aussage mit der "Erwartung des Volkes" war natürlich sehr allgemein; manche "Lobbygruppen", politisch einflußreiche "hohe Tiere" oder Gruppen spielen da natürlich eine besonders große Rolle, wenn der Herrscher sich vor ihnen verantworten muss, warum er keinen Krieg führt, obwohl er/die Nation beleidigt wurde, der Bündnispartner angegriffen wurde, das politische Gleichgewicht auf dem Kontinent in Gefahr ist, man die Gelegenheit hat, 'France great again' zu machen, etc. .
Bisher wurde die österreichische Zivilbevölkerung angegriffen, die mit Russland verbündet war.
Die russische Zivilbevölkerung wird auch noch zu leiden haben.
Ich denke, es ist eher selten, dass "das Volk" wirklich selbst Krieg will, das geht meistens von oben aus. Und ja, es wäre viel einfacher, wenn die Staatsoberhäupter sich einfach duellieren würden. Tun sie aber nie, und werden sie wohl auch nie. Ich denke, Kriege wären dann Vergangenheit und Diplomatie würde die Welt regieren.
Ich glaube, dass so ein Duell das Problem leider nicht lösen würde. Wenn ein Herrscher (gerade einer, der wie anscheinend Alexander oder Napoleon beliebt war) durch so ein Duell regierungsunfähig gemacht werden würde, würden der Nachfolger oder dessen Volk vielleicht um so mehr auf Wiedergutmachung/Rache sinnen. Ich denke, solange es schon auf kleiner Ebene zwischen Menschen, z.B. in Ehe oder Beziehung, Konflikte bis hin zu Mord und Totschlag gibt, wird es sicherlich auch zwischen Nationen immer wieder Kriege geben.
Hier noch ein interessantes Zitat, wo ein Offizier über seine eigene Mutlosigkeit so beschämt ist, dass er sich, anscheinend sogar unbewusst, einredet, es wäre anders gewesen:
" 'Als ich dann sah, Euer Durchlaucht, dass das erste Bataillon stark gelitten hatte, da stellte ich mich am Weg hin und dachte: 'Ich will diese nach hinten zurücknehmen und dem Feind mit einem Dauerfeuer entgegentreten.' Und so habe ich es dann auch gemacht.'Der Regimentskommandeur wünschte so lebhaft, dies getan zu haben, und bedauerte so tief, nicht imstande gewesen zu sein es zu tun, dass er sich einbildete, es sei genau so zugegangen. Und vielleicht war es sogar tatsächlich so gewesen? Hatte man etwa in diesem Wirrwarr erkennen können, was geschah und was nicht geschah?"
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Bisher wurde die österreichische Zivilbevölkerung angegriffen, die mit Russland verbündet war.
Oh man. Ich gelobe Besserung, dass ich das Buch tagsüber lesen werde und nicht nachts nach der Schule. Der Inhalt geht einfach zu schnell verloren. Ich habe das schon gemerkt, als ich mir die Woche noch die Beiträge der vorherigen Lesegruppen durchgelesen habe. Ich finde es richtig schade, dass ich so gut wie nichts vom Inhalt mitgenommen habe. Wenn ich das Buch schon lese, dann auch ordentlich.
Ich glaube, dass so ein Duell das Problem leider nicht lösen würde. Wenn ein Herrscher (gerade einer, der wie anscheinend Alexander oder Napoleon beliebt war) durch so ein Duell regierungsunfähig gemacht werden würde, würden der Nachfolger oder dessen Volk vielleicht um so mehr auf Wiedergutmachung/Rache sinnen.
Ja, das könnte sein, dass es in kleinen Kreisen zu Racheakten kommt. Aber wenigstens müssten nicht die leiden, die damit nichts zu tun haben wollen; also einfach in Frieden leben wollen.
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Ich hatte eben gemeint, dass es in der Regel nicht bei kleinen Racheakten bleiben würde. Herrscher sind wohl oft weitgehend Marionetten, denke ich, die großem Druck durch einflussreiche Gruppierungen oder das Volk ausgesetzt sind. Aus den gleichen Gründen, aus denen der erste Herrscher Krieg geführt hat, wird wahrscheinlich auch der Nachfolger Krieg führen. Für diese Sichtweise über historische Vorgänge plädiert auch Tolstoi, als er später im Buch schreibt:
"Wer da sagt, Napoleon sei [in den Krieg] gezogen, weil er dazu Lust gehabt habe, und sei zugrunde gegangen, weil Alexander ihn habe zugrunde richten wollen, der hat genau ebenso recht und unrecht wie derjenige, welcher behauptet, ein Millionen Zentner schwerer Berg, der unterminiert wurde und zusammenstürzte, sei deswegen gefallen, weil der letzte Arbeiter unter ihm zum letztenmal mit der Hacke zugeschlagen habe. Bei historischen Ereignissen sind die sogenannten großen Männer nur die Etiketten, die dem Ereignis den Namen geben; sie stehen aber, ebenso wie die Etiketten, mit dem Ereignis selbst kaum in irgendeinem inneren Zusammenhang."
"Die Menschen des Westens bewegten sich nach Osten, um dort andere Menschen zu töten. Und nach dem Gesetz des Zusammenfallens der Ursachen schoben sich nun diesem Ereignis ganz von selbst Tausende kleiner Ursachen für diese Bewegung und für den Krieg als Stützen unter und trafen mit diesem Ereignis zusammen: die Vorwürfe wegen der Verletzung des Kontinentalsystems; und der Herzog von Oldenburg; und der Einmarsch der Truppen in Preußen, der nach Napoleons Meinung nur unternommen war, um einen bewaffneten Frieden zu erreichen; und die Kriegslust des französischen Kaisers und seine Gewöhnung an den Krieg, womit die Neigung seines Volkes zusammentraf; und der Reiz, den die Großartigkeit der Vorbereitungen ausübte; und die Kosten dieser Vorbereitungen und das Bedürfnis, sich Vorteile zu verschaffen, durch die diese Kosten wieder ausgeglichen werden könnten (…)"
Derartige Überlegungen wird Tolstoi im Verlauf des Buches noch gefühlt einige Dutzend Mal anstellen.