'Krieg und Frieden' - Band 1, Teil 3 - Kapitel 01 - 09

  • SiCollier , ich verstehe Dich schon und ich gehöre auch zu denjenigen, die vorne im Buch noch nicht mit dem Wissen von späteren Abschnitten konfrontiert werden möchten.


    Ich möchte gerne durch das Buch reisen ;) und gucke daher auch gar nicht mehr auf den Stammbaum, den ich selbst mal hier eingestellt habe. Irgendwann - bei der Heiratsabsage an Anatol glaube ich - war das "wer mit wem?" doch plötzlich wichtig.

  • Stimmt, im Stammbaum ist etwas (ich bleibe bewußt unbestimmt) ersichtlich, was zu diesem Zeitpunkt des Buches noch völlig unklar ist, Bis es so weit war, habe ich mich gefragt, wie Tolstoi dahin kommen will.


    Ich gehöre allerdings zu den Lesern, die vor Beginn möglichst viel vom Buch und seiner Handlung wissen wollen. Es gibt sogar Fälle, in denen ich nur und erst beginne, wenn ich den Handlungsablauf vollständig kenne.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Auch in der Namensliste von Wikipedia habe ich eben einen kleinen Spoiler entdeckt.:huh:


    Früher hatte ich vor Lesebeginn auch erstmal alle Sekundärtexte, Zusammenfassungen und Klappentexte gelesen. Mittlerweile unterlasse ich das. Das hat dann den Nachteil, dass man während des Lesens mitunter nicht alle Details mitbekommt und entsprechend werten kann.

    Ich muss(te) zum Beispiel auch bei "Krieg und Frieden" ganz oft nochmal vorne was nachschlagen, um aktuelle Zusammenhänge zu verstehen (Bei wem wohnte Pierre, bevor er reich wurde? Mit wem sprach er an dem einen Abend? Und in wessen Wohnung war das Saufgelage, dass der Bärenstory vorausging?).

    Der Vorteil ist jedoch, dass ich das Buch und die Überraschungseffekte so empfinden kann, wie vom Autor beabsichtigt.

  • Ich gehöre allerdings zu den Lesern, die vor Beginn möglichst viel vom Buch und seiner Handlung wissen wollen. Es gibt sogar Fälle, in denen ich nur und erst beginne, wenn ich den Handlungsablauf vollständig kenne.


    Da bin ich absolut konträr. Ich lese sogar meist erst ein Buch, wenn ich den Klappentext vergessen habe, um mich möglichst ohne Vorwissen überraschen zu lassen.


    Mein Problem beim Schreiben hier in den Abschnitten ist, dass ich die Geschichte gut kenne. Nicht nur, weil ich Krieg und Frieden vor langer Zeit einmal ganz gelesen und dazwischen immer wieder mehrere Komplettleseversuche unternommen habe. Auch die Verfilmungen habe ich mehrmals gesehen. Daher weiß ich, wie es weitergeht, darf dies aber in meinen Beiträgen nicht durchblicken lassen. Gleichwohl ist das Buch so umfangreich, dass ich genügend Neues "entdecke". Auch achtet man auf bestimmte Dinge ganz anders, wenn man weiß, wie eine Geschichte endet.

  • Auch achtet man auf bestimmte Dinge ganz anders, wenn man weiß, wie eine Geschichte endet.

    Stimmt, und manche Dinge (das trifft genauso auf Filme zu) fallen einem erst auf, wenn man den weiteren Verlauf bis hin zum Ende kennt. Mit ein Grund, weshalb ich Filme gerne mehrfach in möglichst kurzem Zeitabstand sehe.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ja, ich bin derzeit auch dabei, alle Verfilmungen ausfindig zu machen und meiner Sammlung einzuverleiben - um sie dann auch anzusehen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Wie sehr ist denn die amerikanische Version mit Audrey Hepburn empfehlenswert?

    Die besitze ich zwar, aber noch nicht gesehen. Ich wollte zuerst die sowjetische Fassung schauen, und dann einigen Abstand lassen zur nächsten Verfilmung.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Es ist ein netter Film. Audrey Hepburn spielt die Natascha hinreißend. Bei 208 Minuten kann aber von Werktreue nicht viel übrigbleiben. Ich glaube, dass war auch nicht die Intention der Produzenten. Es ist alles stark gekürzt. So habe ich es jedenfalls in Erinnerung. Es ist schon etwas her, dass ich den Film zuletzt sah.

  • Und vor 10 Jahren gab es ja auch noch eine ZDF-Produktion. Kennt die jemand? 4 Teile und insgesamt 400 Minuten.


    Ich habe gerade entdeckt, dass ich die seinerzeit aufgezeichnet habe. Das war mir völlig entfallen. Soweit ich mich erinnere, ist sie viel heiterer und bunter als der russische Mehrteiler. Bei dem Vierteiler von 2007 handelt es sich wohl um eine Koproduktion zwischen Italien, Frankreich, Deutschland, Russland und Polen. So habe ich es jedenfalls notiert.


    Danke, für die Erinnerung, Xexos. :-] Aber erst einmal schaue ich den russischen Mehrteiler weiter. Und das dauert noch. Ich habe erst die Schlacht bei Austerlitz hinter mir. Es ist sehr interessant die Verfilmung so kurz nach dem Lesen des Buches zu sehen.

  • Ich muss nur noch ein Kapitel lesen, dann habe ich es auch hier geschafft.

    Bei dem Tempo glaube ich nicht, dass ich dieses Jahr mit dem Buch fertig werde. Es ist anstregend, dieses Buch an einem längeren Stück zu lesen. Ich vermute, dass es an der Sprache und den doch häufigen Ausschweifungen liegt. Die sind zwar interessant, aber auch anstrengend.


    Pierre: Der Arme. Irgendwie habe ich ein wenig Mitleid mit ihm. Er kommt mir wie eine Spielfigur seiner Verwandschaft (oder Bekanntschaft) vor. Vorher kam es mir so vor, dass er seinen eigenen Kopf hat. Aber davon ist nichts mehr zu sehen. Wie die Ehe für ihn wohl sein wird. Da bin ich sehr neugierig darauf.


    Marja: Und noch eine, die geehelicht werden soll. Und wieder ist es Fürst Wassilji, nach dessen Pfeife man tanzen soll. Anatol ist mir total unsympatisch. Ich bin froh, dass sich Marja gegen ihn entschieden hat. Die Arme. Dass sie als zu hässlich zum Heiraten beschrieben wird, ist schon ein starkes Stück.

    Bei ihr finde ich interessant, wie schnell sie doch ihre Einstellung zur Ehe ohne Liebe geändert hat. Am Anfang war sie davon überzeugt, dass das Gottes Wille ist; dass sie eine Ehe ohne Liebe eingeht. Als sie dann aber feststellen muss, dass Anatol und Mademoiselle Bourienne einander näher kommen, nimmt sie doch Abstand von der Ehe und will bei ihrem Vater bleiben. So ganz überzeugt von der Ehe war sie wohl von Anfang an nicht so. :gruebe

    Marjas Vater schreit mir übrigens zu viel. Es steht sehr oft da, dass er schreit. Ob das wohl richtig übersetzt wurde?


    Mir gefällt, wie Tolstoi hin und wieder Anzeichen von Wohlstand mit in das Geschehene miteinbringt. Wie z.B. als Wassilij angekleidet wird oder wie es am Tisch nach Gold glänzt. Und auch, wie detailreich er hier und da die Dinge beschreibt.


    Im ersten Teil von Buch I befindet man sich in der zivilen Gesellschaft; allerdings nur die Oberschicht. Im zweiten Teil befindet man sich in der Armee und im Kriegsgeschehen. Im dritten Teil kommen beide 'Welten' vor. Aber noch prallen sie nicht aufeinander.


    Als der Kaiser Alexander seine Truppen besucht, erschallen überall auf geordnete Weise 'Hurra'-Rufe. Ich stelle mir das sehr mitreisend vor, wenn man dabei ist. Bestimmt hätte ich eine Gänsehaut bekommen. Was so ein Truppengefühl an Stärke bringt. Sogar sterben würde der eine oder andere für den Kaiser. So ist der Krieg also möglich.


    So viel erst mal von mir. Die Beträge hier muss ich mir noch durchlesen.

    Sasaornifee :eiskristall

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    "Ich habe nicht mehr Ambitionen zum Fliegen als ein verdammter Strandlöper!" - Die Insel der Tausend Leuchttürme - Walter Moers

  • Eine Ergänzung habe ich noch.


    Was Marjas Vater betrifft, frage ich mich auch immer wieder, warum er so ist, wie er ist. Was ist eigentlich mit seiner Frau geschehen? Wurde da mal etwas erwähnt? Ich weiß es leider nicht. Vielleicht hat ihn irgendetwas derart geprägt, dass er seine Gefühle auf andere und deshalb merwürdige Weise äußert.

    Sasaornifee :eiskristall

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    "Ich habe nicht mehr Ambitionen zum Fliegen als ein verdammter Strandlöper!" - Die Insel der Tausend Leuchttürme - Walter Moers

  • Hallo zusammen,


    da ich gerade erkältet bin und somit mehr Zeit habe, denke ich, ich kann in der nächsten Zeit vermutlich den einen oder anderen Beitrag schreiben.

    Anatol ist mir total unsympathisch. Ich bin froh, dass sich Marja gegen ihn entschieden hat. Die Arme.

    Absolut! :stop :--)

    Pierre: Der Arme. Irgendwie habe ich ein wenig Mitleid mit ihm. Er kommt mir wie eine Spielfigur seiner Verwandtschaft (oder Bekanntschaft) vor. Vorher kam es mir so vor, dass er seinen eigenen Kopf hat. Aber davon ist nichts mehr zu sehen. (…)


    Marjas Vater schreit mir übrigens zu viel. Es steht sehr oft da, dass er schreit. Ob das wohl richtig übersetzt wurde? (…)


    Als der Kaiser Alexander seine Truppen besucht, erschallen überall auf geordnete Weise 'Hurra'-Rufe. Ich stelle mir das sehr mitreisend vor, wenn man dabei ist. Bestimmt hätte ich eine Gänsehaut bekommen. Was so ein Truppengefühl an Stärke bringt. Sogar sterben würde der eine oder andere für den Kaiser. So ist der Krieg also möglich.

    Pierre hat seinen (scheinbar?) eigenen Kopf wohl zum Teil daher, dass er in Frankreich als Napoleonfreund, Atheist etc. erzogen wurde und diese Positionen nun relativ eifrig vertritt. Vielleicht auch deshalb wird seine weitere Geschichte etwas ungewöhnlich, sozusagen "eigen", werden.


    Es kann gut sein, dass das mit Marjas Vater richtig übersetzt wurde; mir wird er im Verlauf des Buches immer unsympathischer.


    Ich fand ich diese Stelle erstaunlich, bei der es um eine Kavallerieattacke geht:


    " 'Nur schnell, nur schnell!' dachte Rostow, der sich sagte, dass nun endlich der Augenblick gekommen sei, wo er den Hochgenuss einer Attacke kennenlernen sollte, über den er von seinen Kameraden, den anderen Husaren, soviel gehört hatte."


    Dieses Gefühl kommt wohl daher, dass man in dieser Angriffssituation einsehen muss, dass man die besten Überlebenschancen hat, wenn man mutig und die anderen motivierend, scheinbar tollkühn, drauflosstürmt und vorerst völlig auf jede Bindung an das eigene Leben und die Sorge darum verzichtet. Und natürlich von dem erwähnten Truppengefühl.

    Was Marjas Vater betrifft, frage ich mich auch immer wieder, warum er so ist, wie er ist. Was ist eigentlich mit seiner Frau geschehen? Wurde da mal etwas erwähnt? Ich weiß es leider nicht. Vielleicht hat ihn irgendetwas derart geprägt, dass er seine Gefühle auf andere und deshalb merkwürdige Weise äußert.

    Da müsste man sich wahrscheinlich über Tolstois Großmutter informieren... In der Quelle, die ich zu den ersten Kapiteln mal angegeben hatte, steht nur das dazu:


    "Sehr früh verwitwet, widmete er sich bis zu seinem Tode (1821) der Erziehung seiner einzigen Tochter Marie, Tolstois Mutter. Fürst Nikolai Sergejewitsch galt als ein strenger, aber nicht grausamer Gutsherr, der zwar unbedingten Gehorsam von seinen Leibeigenen verlangte, dafür aber auch unaufhörlich auf ihr Wohlergehen bedacht war: sie sollten nicht bloß satt zu essen haben und gut gekleidet sein, auch ihr Vergnügen sollten sie haben. Der alte Fürst führte musterhafte Wirtschaftsbauten auf und hinterließ bei seinen Hörigen das Andenken eines sehr gescheiten Menschen und vortrefflichen Landwirtes."

    (vielleicht ist das hier doch deutlich zu positiv geschildert, wenn man Tolstoi so liest?)


    http://www.lexikus.de/biblioth…-Ahnen-muetterlicherseits

  • Da müsste man sich wahrscheinlich über Tolstois Großmutter informieren...

    Hm, ja. Ich vergesse immer, dass Tolstio wahre Personen für seine Figuren hernahm.


    da ich gerade erkältet bin und somit mehr Zeit habe, denke ich, ich kann in der nächsten Zeit vermutlich den einen oder anderen Beitrag schreiben.

    Dann hat deine Erkältung auch eine positive Seite. :-) Gute Besserung wünsche ich dir.

    Sasaornifee :eiskristall

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  • Danke noch für die Besserungswünsche! :-) - genau, in den meisten Umständen kann man auch etwas Positives sehen.

    Es ist anstrengend, dieses Buch an einem längeren Stück zu lesen. Ich vermute, dass es an der Sprache und den doch häufigen Ausschweifungen liegt. Die sind zwar interessant, aber auch anstrengend.

    Ich finde auch, dass das Werk ein größeres und sinnvollerweise zeitlich verteiltes Leseprojekt ist. Ich lese auch öfters nur eine halbe oder dreiviertel Stunde abends, und das auch phasenweise, nicht immer. Besonders Spaß macht es mir, nach einem Abschnitt noch einmal nach interessanten Zitaten zu suchen...



    Andrei Bolkonski verhält sich schon manchmal widersprüchlich, ist für mich manchmal schwer fassbar und wird auch von verschiedenen Personen unterschiedlich wahrgenommen:


    "Die einen, und dies war die Minderheit, waren der Ansicht, dass Fürst Andrei vor ihnen und vor allen anderen Menschen gewisse besondere Vorzüge besitze, erwarteten von ihm hervorragende Leistungen, hörten achtsam auf seine Äußerungen, waren von ihm entzückt und eiferten ihm nach; im Verkehr mit diesen benahm sich Fürst Andrei ungekünstelt und liebenswürdig. Die anderen, die Mehrzahl, mochten ihn nicht leiden und hielten ihn für einen hochmütigen, unangenehmen Menschen; aber auch mit diesen wusste Fürst Andrei sich so zu stellen, dass sie ihn respektierten und sogar fürchteten."


    Erstaunlich finde ich, dass er seinem (immer unsympathischer werdenden) Vater (der ihn schreiend verabschiedet hatte) täglich einen Brief schreibt!


    "Durch diese Gedanken in aufgeregte und gereizte Stimmung versetzt, wollte Fürst Andrei nach seinem Zimmer gehen, um an seinen Vater zu schreiben, dem er täglich einen Brief sandte."


    Humor scheint er auch zu haben, auch wenn er hier nur ein Sprichwort zitiert:


    " 'Sie [Kriegsminister Bilibin] haben mich mit meiner Nachricht aufgenommen wie einen Hund, der auf die Kegelbahn gerät', schloss er mit einer französischen Redewendung"

  • Mir gefällt es, dass du hier und da zitierst. :-)


    Ich überlege auch, ob ich nicht zwischendurch mal meine Eindrücke schildere. Und nicht immer, wenn ich ein Abschnitt beendet habe. Die Zeit dazwischen ist sonst so 'leer'. Nur werde ich dann möglicherweise die Beiträge von euch erst lesen, wenn ich durch bin. :gruebel


    Ich finde auch, dass das Werk ein größeres und sinnvollerweise zeitlich verteiltes Leseprojekt ist.

    Deshalb habe ich diese Woche ein weiters Buch angefangen, was zu einem ganz anderen Genre gehört. Ich brauche noch etwas anderes zum Lesen für zwischendurch.

    Sasaornifee :eiskristall

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    "Ich habe nicht mehr Ambitionen zum Fliegen als ein verdammter Strandlöper!" - Die Insel der Tausend Leuchttürme - Walter Moers

  • Deshalb habe ich diese Woche ein weiters Buch angefangen, was zu einem ganz anderen Genre gehört. Ich brauche noch etwas anderes zum Lesen für zwischendurch.

    Liebe Sasaornifee,


    genauso wie Du gelegentlich bei den Austeneulen vorbeischaust, lese ich Eure Beiträge hier. So ganz hat mich Krieg und Frieden noch nicht losgelassen. :grin


    Könntest Du Dir vorstellen, "für zwischendurch" Frauen und Töchter von Elizabeth Gaskell mitzulesen? Vom Genre her mag der Unterschied nicht so groß sein, bei Gaskell geht es aber immerhin um die "Schlachten" auf dem Heiratsmarkt. :-]