'Krieg und Frieden' - Band 2, Teil 1 - Kapitel 01 - 16

  • In diesem Abschnitt passiert ja so einiges. Er ist spannend und abwechslungsreich, ich habe ihn besonders gern gelesen.


    Dass Hélène hinter der Fassade so arrogant ist, hätte ich gar nicht gedacht. Allerdings hätte ich auch nicht gedacht, dass Pierre sich auf einmal zu einem Duell hinreissen lässt. Den beiden scheint die Ehe nicht gut zu tun :gruebel


    besonders gefreut habe ich mich, als Andrej endlich wieder nach hause gekommen ist und seine Lieben somit nicht mehr um ihn bangen mussten. Dass Lisa kurz darauf bei der Geburt ihres Sohnes verstirbt war schrecklich. Andrej hat sie gerade zu schätzen gelernt und kann nun nie nachholen, was er mit ihr verpasst hat :-(


    Die Geschehnisse rund um die Familie Nikolai haben mir am besten gefallen: meistens geht es fröhlich zu, sowohl Sonja als auch Natascha bekommen einen Heiratsantrag :chen
    Ich befürchte nur, dass es um die Finanzen der Familie nun besonders schlecht steht, wo doch vor Nikolais Spielschulden schon alles verpfändet wurde :gruebel


    Für diejenigen mit der Kindle-Ausgabe :-)
    Der Abschnitt endet damit, dass Nikolai seinem Regiment nach Polen nachreist, nachdem er die Schulden an Dolochow bezahlt hat.

  • Mir hat der Abschnitt auch besonders gut gefallen, weil man endlich wieder etwas über die anderen Personen erfährt.


    Man darf gespannt sein wo das mit Pierre und seiner Frau noch hinführt. :gruebel


    Lises Tod (gerade nachdem Andrej mit veränderten Ansichten zurückgekehrt ist) war ja echt ein harter Schlag.


    Die finanzielle Situation der Rostows wird wohl noch ein größeres Thema. Eigentlich hilft da nur noch eine vorteilhafte Heirat. :rolleyes
    Und das Nikolaj sich so abzocken lässt...
    :schlaeger

  • Nikolai verhält sich beim Kartenspielen ja mal sowas von dämlich, dass es schon unglaubwürdig ist :bonk Dass er mehr verspielt als er ursprünglich vor hatte okay (ist mir auch schon passiert :chen), aber dass er so gar hört finde ich seltsam.


    Den Tod der kleinen Fürstin fand ich auch schlimm, damit hatte ich nicht gerechnet, mit der Oberflächlichkeit von Helene allerdings schon.

  • Das Duell ist eine Wucht! Ich hätte nie gedacht, dass es stattfindet. Und dann schießt Pierre tatsächlich und trifft dann auch noch. Damit hat doch keiner gerechnet.


    Auch in dieser Situation schiebt Pierre die Schuld an den Ereignissen auf das Schicksal.


    Wenigstens überlebt Dolochow. Das ist schon ein eigenartiger Mensch. In dieser Situation, in der er mit dem Tod rechnet, denkt er an seine Mutter. Über das Duell hingegen scheint er sich vorher nicht viele Sorgen gemacht zu haben. Und wie er Nikolai abzockt, aus Rache oder Eifersucht, ist unglaublich. Ich nehme an, dass er ihn betrogen hat.


    Im stürmischen Wetter kommt der totgeglaubte Andrej gerade rechtzeitig zur Geburt seines Sohnes nach Hause.

    "Plötzlich riß ein Windstoß einen Fensterflügel auf, die Gardinen blähten sich auf und ein Strom von Kälte und Schnee stürmte ins Zimmer und löschte das Licht aus. Fürstin Marie fuhr auf, die Amme eilte ans Fenster, um es zu schließen."

    Das finde ich alles etwas konstruiert, unrealistisch und ein bisschen zu viel. Aber das folgende ist ... ja ich trau mich kaum dieses Wort zu verwenden ... wunderschön geschrieben. Und so traurig.

  • Ich nehme an, dass er ihn betrogen hat.

    Das denke ich auch.


    Beim Tod der "kleinen Fürstin" habe ich erstmals im Buch so etwas wie Empathie mit einer Figur empfunden.

    Im stürmischen Wetter kommt der totgeglaubte Andrej gerade rechtzeitig zur Geburt seines Sohnes nach Hause.

    "Plötzlich riß ein Windstoß einen Fensterflügel auf, die Gardinen blähten sich auf und ein Strom von Kälte und Schnee stürmte ins Zimmer und löschte das Licht aus. Fürstin Marie fuhr auf, die Amme eilte ans Fenster, um es zu schließen."

    Ich habe eine ganze Weile suchen müssen, bei mir liest sich das so (S. 427f):

    "Plötzlich fuhr ein Windstoß gegen eins der Fenster, und zwar gegen eins, dessen Doppelfenster bereits entfernt war - denn auf Befehl des Fürsten mußte alljährlich, sobald die erste Lerche da war, aus allen Zimmern je ein Doppelfenster entfernt werden -, der schlecht schließende Riegel gab nach, das Fenster sprang auf, die schweren Damastgardinen flatterten hin und her, ein schneekalter Hauch fuhr ins Zimmer und löschte die Kerze aus. Prinzessin Marja schauerte zusammen, die Kinderfrau legte den Strickstrumpf hin, ging ans Fenster und beugte sich hinaus, um den aufgestoßenen, hin und her schlagenden Fensterflügel zu fassen. Der kalte Wind ließ die Zipfel ihres Kopftuchs und die hervorquellenden grauen Haarsträhnen hin und her flattern."


    Den Satz "Im stürmischen Wetter kommt der totgeglaubte Andrej gerade rechtzeitig zur Geburt seines Sohnes nach Hause." finde ich gar nicht, denn vom ankommenden Fürsten ist erstmals im nächsten Absatz die Rede, und da wird vermutet, daß es der Doktor sei. Daß Andrej nach Hause kommt, merkt man erst, als er ins Haus tritt.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Den Satz "Im stürmischen Wetter kommt der totgeglaubte Andrej gerade rechtzeitig zur Geburt seines Sohnes nach Hause." finde ich gar nicht

    Dieser Satz ist kein Zitat aus dem Buch, sondern meine Beschreibung der Situation, in die das nachfolgende Zitat gehört.

    Übrigens finde ich die Variante in deinem Buch schöner als in meinem.

  • Dieser Satz ist kein Zitat aus dem Buch, sondern meine Beschreibung der Situation, in die das nachfolgende Zitat gehört.

    Dann hatte ich das falsch verstanden.


    Ich habe gestern übrigens mit dem 2. Band begonnen - was Tolstoi da über "Krieg und Frieden" schreibt, ist einfach großartig, philosophisch - und vor allem hoch aktuell.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Um nicht falsch verstanden zu werden: mit dem "zweiten Band" meinte ich den 15. Abschnitt: "Band 3, Teil 1 - Kapitel 01 - 10"

    :wave

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Aus Dolochow werde ich nicht schlau. Einerseits ist er der Draufgänger, anderseits der liebende Sohn und im nächsten Moment legt er seinen Freund herein und erleichtert ihn um ein Vermögen. Gut, dies war ein Ausdruck seiner Eifersucht. Aber das kann sein Handeln nicht rechtfertigen. Spätestens am nächsten Tag hätte er nicht mehr auf der Begleichung der Schulden bestehen dürfen.


    Wenigstens überlebt Dolochow. Das ist schon ein eigenartiger Mensch. In dieser Situation, in der er mit dem Tod rechnet, denkt er an seine Mutter. Über das Duell hingegen scheint er sich vorher nicht viele Sorgen gemacht zu haben. Und wie er Nikolai abzockt, aus Rache oder Eifersucht, ist unglaublich. Ich nehme an, dass er ihn betrogen hat.


    Ich denke, als Soldat entwickelst du deine eigene Art mit dem Tod umzugehen. So sagt Dolochow:


    „Wenn du vor einem Duell dein Testament machst und zärtliche Briefe an deine Eltern schreibst, ja wenn du überhaupt nur daran denkst, du könntest fallen – dann bist du ein Narr und schon so gut wie verloren. Aber du
    brauchst nur mit der festen Absicht hinzukommen, deinen Gegner so schnell und so sicher wie möglich zu töten, und es ist alles in Ordnung.“ (Bergengruen, dtv 19932, S.411.)


    Und dann kommt alles anders!


    Dolochow hat Nikolai beim Kartenspiel betrogen. Da bin ich auch sicher. Er deutet in gewisser Weise sogar an, dass er falsch spielt:


    „Ja, meine Herren, wie ich gehört habe, kursiert in Moskau das Gerücht, ich sei ein Falschspieler. Ich kann Ihnen also nur raten, mir gegenüber möglichst vorsichtig zu sein.“ (Bergengruen, dtv 19932, S.445.)


    Einfühlsam beschreibt Tolstoi, wie Nikolai in den Strudel des Spieles gerät und nicht mehr herausfindet. Denn im Grunde ist er kein Spieler.


    Im stürmischen Wetter kommt der totgeglaubte Andrej gerade rechtzeitig zur Geburt seines Sohnes nach Hause.

    "Plötzlich riß ein Windstoß einen Fensterflügel auf, die Gardinen blähten sich auf und ein Strom von Kälte und Schnee stürmte ins Zimmer und löschte das Licht aus. Fürstin Marie fuhr auf, die Amme eilte ans Fenster, um es zu schließen."

    Das finde ich alles etwas konstruiert, unrealistisch und ein bisschen zu viel. Aber das folgende ist ... ja ich trau mich kaum dieses Wort zu verwenden ... wunderschön geschrieben. Und so traurig.

    Ich denke, die Geschichte mit dem Fenster, das der Windstoß öffnet, soll uns Leser in Schrecken versetzen. Die Kerze erlischt gleichsam als Symbol für das Lebenslicht der kleinen Fürstin. Andrejs Ankunft schiebt den Schauer, die Geburt könnte auch tödlich verlaufen, nur für kurze Zeit auf. Und nach all den wunderbaren Beschreibungen der Gefühle fällt dann der kalte Satz:


    "Sie lag tot da, ..." (Bergengruen, dtv 19932, S.430.)

  • Ich denke, die Geschichte mit dem Fenster, das der Windstoßöffnet, soll uns Leser in Schrecken versetzen. Die Kerze erlischt gleichsam alsSymbol für das Lebenslicht der kleinen Fürstin.

    Die Kerze als Symbol! Ja, das kann man so sehen.


    Vermutlich habe ich diese Szene deshalb als übertrieben empfunden, weil man so etwas schon öfter in Filmen gesehen hat, um einen Gruselfaktor zu erzeugen. Okay, Tolstoi war früher! :grin

  • Ich denke, die Geschichte mit dem Fenster, das der Windstoßöffnet, soll uns Leser in Schrecken versetzen. Die Kerze erlischt gleichsam alsSymbol für das Lebenslicht der kleinen Fürstin. Andrejs Ankunft schiebt denSchauer, die Geburt könnte auch tödlich verlaufen, nur für kurze Zeit auf. Und nach all den wunderbaren Beschreibungen der Gefühle fällt dann der kalte Satz:


    "Sie lag tot da, ..." (Bergengruen, dtv 19932, S.430.)

    Diese Szene ist in der Verfilmung großartig dargestellt. Bis hin zu dem Satz "Sie lag tot da." Wenn ich das richtig in der Reihenfolge im Gedächtnis habe, ist da nicht außer einer endlos langen Zeit ein schwarzer Bildschirm, bevor man die Tote liegen sieht. Und die Stimme aus dem Off wörtlich das Buch zitiert. "Und was habt ihr mit mir gemacht?"

    Eine grandiose Umsetzung dieser düsteren Szene.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Meine Version des zitierten Satzes ist

    "Plötzlich drückte ein Windstoß heftig gegen ein Fenster der Stube, aus welchem der Vorsetzrahmen herausgenommen war (auf Anordnung des Fürsten wurde alljährlich, sobald die Lerchen erschienen, in jedem Zimmer ein Vorsetzrahmen entfernt), stieß einen schlecht vorgelegten Riegel auf, blähte den schweren seidenen Vorhang, trieb eine Menge kalter Schneeluft ins Zimmer und blies die Kerze aus. Prinzessin Marja schrak zusammen; die Kinderfrau legte ihren Strickstrumpf hin, ging zum Fenster, bog sich hinaus und suchte den losgerissenen Fensterflügel zu fassen. Der kalte Wind ließ die Enden ihres Kopftuches und die hervorgedrungenen grauen Haarsträhnen flattern."

    Mir hat diese Szene eigentlich recht gut gefallen. Dass Lisa dann bei der Geburt sterben muss, ist zwar tragisch, wird Andrej aber wohl nochmals bewusst machen, was er zuvor alles falsch gemacht hatte.

  • Rostow und sein falscher Stolz. Warum konnte der Kerl das Spiel nicht beenden? Es ist doch eigentlich vergleichbar mit dem Duell. Auch hier waren sich alle einig, dass der Vorfall ein Duell nicht rechtfertigt. Aus Angst vor einem Gesichtsverlust konnte aber auch da keiner aufhören. Das hatte ich vorne ja auch schon mal so geschrieben: Lieber tot als feige.

  • Mir gefallen ansonsten noch solche Sätze wie "Aufgrund eines Volksglaubens, daß die Gebärerin um so weniger leidet, je weniger Leute von ihren Leiden wissen, waren alle bemüht, sich unwissend zu stellen." Das spiegelt aus meiner Sicht wunderbar den Zeitgeist und diese aus unserer Sicht seltsamen Glaubenssätze wieder.

  • Aus Dolochow werde ich nicht schlau. Einerseits ist er derDraufgänger, anderseits der liebende Sohn und im nächsten Moment legt er seinenFreund herein und erleichtert ihn um ein Vermögen. Gut, dies war ein Ausdruckseiner Eifersucht. Aber das kann sein Handeln nicht rechtfertigen. Spätestens am nächsten Tag hätte er nicht mehr auf der Begleichung der Schulden bestehendürfen.

    Ist es bei Dolochow wirklich nur Eifersucht? Er kommt aus ärmlichen Verhältnissen und ist permanent von reichen Leuten umgeben, denen er sich eigentlich überlegen fühlt. Aber da er weder Rang noch Mittel hat, verbittert er aus meiner Sicht eher. Nie ist er genug und nie bekommt er, was ihm aus seiner Sicht zusteht. Dies würde diese Lust, andere verletzen zu wollen - und grundlos einfach mal ein Pferd eines Fuhrmannes zu erschießen - eventuell erklären können.

  • Ist es bei Dolochow wirklich nur Eifersucht? Er kommt aus ärmlichen Verhältnissen und ist permanent von reichen Leuten umgeben, denen er sich eigentlich überlegen fühlt. Aber da er weder Rang noch Mittel hat, verbittert er aus meiner Sicht eher. Nie ist er genug und nie bekommt er, was ihm aus seiner Sicht zusteht. Dies würde diese Lust, andere verletzen zu wollen - und grundlos einfach mal ein Pferd eines Fuhrmannes zu erschießen - eventuell erklären können.


    Du hast recht. Tolstoi legt seine Charaktere immer vielschichtig an. So gibt es nie nur einen Grund für deren Handeln. Dolochow nimmt beim Spiel (auch später) bewusst andere aus. Bei dieser Textstelle handelt es sich aber um einen Freund von ihm. Einen Freund noch dazu, dessen Familie ihn herzlich willkommen hieß. Und einen Freund, der die Liebe der Frau besitzt, die Dolochow heiraten wollte. Sonja hat seinen Antrag mit der Begründung abgelehnt, sie liebe einen anderen. Dolochow weiß, sie meint Nikolai. Dass Dolochow in diesem speziellen Fall (auch) aus Eifersucht handelt, steht meiner Meinung nach im Text:


    "Er (Dolochow) hatte beschlossen, das Spiel so lange fortzusetzen, bis diese Zahlenreihe dreiundvierzigtausend Rubel ausmachen würde. Diese Zahl hatte er gewählt, weil sein und Sonjas Lebensalter zusammen dreiundvierzig Jahre betrug." (Bergengruen, dtv 19932, S.445.)