'Krieg und Frieden' - Band 2, Teil 3 - Kapitel 14 - 26

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  • Das mit Marja ist ja eine merkwürdige Wendung. Sie will schon seit längerem Pilgern gehen. Wow. Das ist ungwöhnlich.? Das fällt regelrecht aus dem Rahmen der Geschichte. Ob sie das wohl wirklich mal machen wird?


    Ja, Schwierigkeiten in der Ehe zwischen Andrej und Natascha sind schon vorprogrammiert. Kurz hatte ich den Eindruck, Andrej macht vielleicht einen Rückzieher, weil er sich vielleicht daran erinnert hat, wie es damals mit Lisa war. Damals war er ja gar nicht glücklich, verheiratet zu sein.


    Warm uns Herz wird mir, wenn ich lese, wie Andrej von Pierre spricht.

    Und wieder ein Pluspunkt für Pierre.

    Ich ahne schon. Ich habe ihn wahrscheinlich falsch eingeschätzt.

    "Berg lächelte im Bewusstsein seiner Überlegenheit über so ein beschränktes weibliches Wesen und schwieg dann, weil er sich sagte, dass seine liebe Frau doch eben nur ein beschränktes Weib sei, das kein rechtes Verständnis dafür habe, worin der Wert eines Mannes bestehe.

    Gleichzeitig lächelte auch Wjera in dem Bewusstsein ihrer Überlegenheit über ihren Mann, der ja ein rechtschaffener, guter Mensch war, aber doch, wie alle Männer nach Wjeras Begriffen, das Leben falsch auffasste. Berg, nach seiner Frau urteilend, hielt alle Frauen für beschränkt und dumm. Wjera, die nur nach ihrem Mann urteilte und diese Beobachtung verallgemeinerte, war der Ansicht, alle Männer hielten sich allein für klug, verständen aber dabei doch gar nichts und seien hochmütig und egoistisch. (…)

    In diesem Augenblick wurde Graf Besuchow gemeldet. Die beiden Ehegatten wechselten miteinander einen selbstzufriedenen Blick, indem ein jeder es sich zurechnete, dass ihnen die Ehre dieses Besuches zuteil wurde."

    Ja, das ist schon lustig. :D

    Sasaornifee :eiskristall

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    "Ich habe nicht mehr Ambitionen zum Fliegen als ein verdammter Strandlöper!" - Die Insel der Tausend Leuchttürme - Walter Moers

  • Ich habe bis zu der Stelle gelesen, als Andrej sich dafür entschlossen hat, seinem Sohn einen Erzieher zu suchen und er selbst will ins Ausland reisen und die Welt entdecken; leben und glücklich sein.


    :gruebel Ich weiß noch nicht so ganz, was ich davon halten soll. Früher war das wahrscheinlich völlig normal, dass man sein Kind zurücklässt, um selbst zu leben und glücklich zu sein. Heute ist so etwas eher undenkbar. Allein schon, weil der Erziehungsberechtigte ja dann gar nicht da ist.


    Das ist ein Punkt, den wir heute nur sehr schwer nachvollziehen können. Aber die Erziehung der Kinder wurde - sofern man es sich leisten konnte - in die Hände von Profis gegeben. Und ein Gentleman gar, der eine Schwester hat, sollte sich um die Erziehung seines Sohnes kümmern?


    Hast Du gewusst, Sasaornifee, dass die Eltern von Jane Austen ihre Kinder das erste Lebensjahr in die Obhut einer Amme gegeben haben? Mit anderen Worten, ihre Kinder kamen erst im Alter von einem Jahr ins Elternhaus.

  • Hast Du gewusst, Sasaornifee, dass die Eltern von Jane Austen ihre Kinder das erste Lebensjahr in die Obhut einer Amme gegeben haben? Mit anderen Worten, ihre Kinder kamen erst im Alter von einem Jahr ins Elternhaus.

    Nein, das wusste ich nicht (mehr?).

    Sasaornifee :eiskristall

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  • Bevor Andrej in den Krieg ging, meinte er ja auch zu Pierre, dass er die Ehe eigentlich (noch) nicht wollte. Oder so was in der Art.

    Genau, damals hat sich das noch anders angehört, als er zu Pierre sagt:

    "Heirate niemals, mein Freund, niemals. Oder ich will meinen Rat so formulieren: heirate nicht eher, als bis du alles geleistet hast, wozu deine Kräfte dich befähigen, und nicht eher, als bis du die Frau, die du dir ausgewählt hast, aufgehört hast zu lieben, nicht eher, als bis du ein völlig klares Urteil über sie hast; andernfalls begehst du einen Fehler, der sich grausam rächt und sich nicht wiedergutmachen lässt. Heirate, wenn du ein Greis bist, der zu nichts mehr taugt. Sonst wird alles, was in dir Gutes und Hohes wohnt, zugrunde gehen. Alles wird für nichtigen Kram verausgabt werden." ^^


    Mit Berg und Wjera geht es kurios weiter:


    "Pierre wurde in dem neuen Salon empfangen, in dem man sich nirgends hinsetzen konnte, ohne die Symmetrie, Sauberkeit und Ordnung zu stören, und daher war es sehr begreiflich und keineswegs sonderbar, dass Berg sich zwar in großmütiger Weise bereit erklärte, die Symmetrie der Lehnstühle oder des Sofas um des teuren Gastes willen zu verderben, aber doch, da er selbst in dieser Hinsicht sich augenscheinlich in einer peinlichen Unentschlossenheit befand, die Entscheidung dieser Frage dem Belieben des Gastes anheimstellte. So zerstörte denn Pierre die Symmetrie, indem er sich einen Stuhl heranzog, und nun ließen Berg und Wjera sofort ihre Abendgesellschaft beginnen: sie unterhielten den Gast und unterbrachen einander abwechselnd."


    Fragt sich nur, welche Methode wir jetzt wählen sollen, um darüber zu lachen:


    "Speranski hörte zu und lachte schon im Voraus über das, was Magnizki sagen wollte. In dem Augenblick, als Fürst Andrei ins Zimmer trat, wurden gerade wieder Magnizkis Worte durch Gelächter übertönt. Stolypin, der an einem Stück Brot mit Käse kaute, lachte laut und in tiefen Tönen, Gervais leise und zischend und Speranski hell und deutlich."

  • "Speranski hörte zu und lachte schon im Voraus über das, was Magnizki sagen wollte. In dem Augenblick, als Fürst Andrei ins Zimmer trat, wurden gerade wieder Magnizkis Worte durch Gelächter übertönt. Stolypin, der an einem Stück Brot mit Käse kaute, lachte laut und in tiefen Tönen, Gervais leise und zischend und Speranski hell und deutlich."

    :lache


    Tolstoi ist schon lustig auf seine Art.

    Sasaornifee :eiskristall

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  • Ja, absolut. :)

    Abgesehen davon, fand ich es in diesem Abschnitt bisher sehr schön, wie das innere Gefühlserlebnis von Natascha und Andrej so beschrieben wurde.

    Das finde ich auch sehr gut beschrieben, z.B. hier:


    "Die ganze Welt ist jetzt für mich in zwei Hälften geteilt: die eine Hälfte ist sie, und dort ist alles eitel Glück und Hoffnung und Licht; die andre Hälfte, das ist alles, wo sie nicht ist, und da ist alles Mutlosigkeit und Finsternis."

    "Nur selten sprachen die beiden von der künftigen Gestaltung ihres Lebens. Fürst Andrei hatte eine Scheu, darüber zu reden. Natascha teilte diese Empfindung, wie alle seine Empfindungen, die sie stets erriet."


    Andreis Ausführungen in Band 1 gehen noch weiter, und zwar sehr krass (in der Röhl-Übersetzung noch etwas sprachlich eleganter formuliert, aber die hab ich gerade nicht bei mir):


    "Mein Vater hat recht: Egoismus, Selbstverliebtheit, Hohlheit, Beschränktheit in allem, das sind die Frauen, wenn sie sich zeigen, wie sie sind. Wenn man sie in der Welt sieht, könnte man glauben, es sei etwas anderes in ihnen. Aber nein, es ist nichts, nichts! Ja, mein Freund, ich sage dir, heirate nicht!" :wow :wow (sein Vater sollte sich auch mal an die eigene Nase fassen)


    Warum dann aber der alte Graf Bolkonski jetzt plötzlich die Mademoiselle Bourienne heiraten möchte?? :huh: Oder ist sie die rühmliche Ausnahme von der Regel?


    " 'Warum sollte ich sie nicht heiraten?', sagte er zu seiner Tochter. 'Sie wird eine famose Fürstin abgeben.' "

  • "Mein Vater hat recht: Egoismus, Selbstverliebtheit, Hohlheit, Beschränktheit in allem, das sind die Frauen, wenn sie sich zeigen, wie sie sind. Wenn man sie in der Welt sieht, könnte man glauben, es sei etwas anderes in ihnen. Aber nein, es ist nichts, nichts! Ja, mein Freund, ich sage dir, heirate nicht!" (sein Vater sollte sich auch mal an die eigene Nase fassen)

    Oh-haaa, das wusste ich gar nicht mehr. Ganz schön heftig, was sein Vater da sagt.


    Warum dann aber der alte Graf Bolkonski jetzt plötzlich die Mademoiselle Bourienne heiraten möchte?? Oder ist sie die rühmliche Ausnahme von der Regel?

    Was, er wird noch einmal heiraten! :yikes Da bin ich ja mal gespannt, wie es dazu gekommen ist!

    Sasaornifee :eiskristall

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  • Hm, ob er nochmal heiraten wird, ist nicht sicher, und viel darüber steht auch nicht da; vielleicht ist diese Stelle in Band 2,3,26 bei dir weggekürzt:


    "Zu den früheren beiden Themen, die der Fürst für seine Spötteleien benutzte, trat nun noch ein neues: Äußerungen, dass er seinen Kindern eine Stiefmutter geben wolle. Und zu diesen Äußerungen stimmten seine Liebenswürdigkeiten gegen Mademoiselle Bourienne. (...) Und zu ihrer staunenden Verwunderung nahm Prinzessin Marja seit dieser Zeit wahr, dass ihr Vater wirklich anfing, die Französin mehr und mehr zu sich heranzuziehen."


    Der arme Andrei dagegen fährt in Band 1,1,8 fort:


    "Ja, ja, ja! (...) Wenn du gehofft hattest, in der Zukunft etwas zu sein und zu leisten, so wirst du als Ehemann auf Schritt und Tritt spüren, dass für dich alles zu Ende ist, dass dir jede Arena verschlossen ist, außer dem Salon, wo du dann mit einem lakeienhaften Höfling und einem Idioten auf einer Linie stehen wirst... Ein schöner Genuss! (...)

    Aber binde dich an eine Frau, und du verlierst wie ein in Ketten geschmiedeter Sträfling jede Freiheit. Und alles, was an Hoffnungen und Kräften in dir steckt, das alles lastet lediglich mit schwerem Druck auf dir und quält dich mit steter Reue. Salons, Klatschgeschichten, Bälle, Eitelkeit, nichtiges Treiben, das ist der verhexte Kreis, aus dem ich nicht herauskommen kann." :keks


    Noch eine Stelle zum spaßigen Ausprobieren (ich konnte dabei zumindest nicht ernst bleiben; vielleicht ist Bizki ja mit dem Soldaten aus Band 2,2 verwandt):


    " 'Der Kaiser hat gesagt, der Reichsrat und der Senat seien staatliche Körperschaften; er hat gesagt, die Regierung dürfe nicht nach Willkür verfahren, sondern müsse ihrem Handeln feste Prinzipien zugrunde legen. Der Kaiser hat gesagt, das Finanzwesen müsse reorganisiert werden, und es solle ein Rechenschaftsbericht publiziert werden', berichtete Bizki, wobei er einzelne Worte stark betonte und in bedeutsamer Weise die Augen weit öffnete."


    Vielleicht hat er ja dabei auch gelächelt und sogar leise geschrien... :grin

  • Hm, ob er nochmal heiraten wird, ist nicht sicher, und viel darüber steht auch nicht da; vielleicht ist diese Stelle in Band 2,3,26 bei dir weggekürzt:

    Nein, da steht es auch inhaltlich so drinnen. Aber ich nehme, dass der Fürst da seine Scherze treibt. Nur Marja scheint sich nicht ganz so sicher zu sein.

    Sasaornifee :eiskristall

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  • Stimmt, das wird später noch klarer, dass er da im Wesentlichen Scherze macht; im nächsten Abschnitt, wo diese Geschichte weitergeht, scheint aber vielleicht auch eine wirkliche entsprechende Zuneigung gegenüber Mlle Bourienne dazuzukommen:


    "da war ihm im ersten Augenblick wie eine Art von Witz der Gedanke gekommen, wenn Andrei heirate, so könne auch er selbst Mademoiselle Bourienne zu seiner Frau machen; aber dieser Gedanke gefiel ihm offenbar mit der Zeit immer besser, und in der letzten Zeit legte er mit einer gewissen Hartnäckigkeit (...) eine ganz besondere Freundlichkeit gegen Mademoiselle Bourienne an den Tag (...)"


    Mit Berg und Wjera geht es humorvoll weiter; gleichzeitig auch mit satirischen Seitenhieben auf die Soireen:


    "die beiden Gatten [fühlten] mit Vergnügen, dass, trotzdem nur erst ein Gast da war, die 'Soiree' einen sehr guten Anfang genommen hatte und jeder Soiree mit Gesprächen, Tee und brennenden Lichtern glich wie ein Ei dem andern. (...) und es war kein Zweifel mehr, dass diese Abendgesellschaft allen andern Abendgesellschaften vollkommen ähnlich wurde. (...) - alles war in jeder Hinsicht ebenso wie bei andern Leuten."


    Schön, wie Pierre von Andrei lobend beschrieben wird:


    "Wenn Sie irgendein Kummer befällt (...), ich bitte Sie, und auch Sie, Fräulein Sonja, was auch immer vorfallen mag, wenden Sie sich an ihn, nur an ihn, um Rat und Hilfe. Er ist ein sehr zerstreuter, komischer Mensch, aber er hat ein wahrhaft goldenes Herz."


    Ja, Pierre hat sicherlich das nötige Wohlwollen und Anliegen für Andrei und Natascha, dass er in ihrem Sinne hier und da einen guten Ratschlag geben kann, auch wenn er, der Theoretiker, eigentlich sein eigenes Leben kaum auf die Reihe bekommt.

  • Stimmt, das wird später noch klarer, dass er da im Wesentlichen Scherze macht; im nächsten Abschnitt, wo diese Geschichte weitergeht, scheint aber vielleicht auch eine wirkliche entsprechende Zuneigung gegenüber Mlle Bourienne dazuzukommen:

    Ich werde jetzt für eine Stunde noch im nächsten Abschnitt lesen. Ein bisschen hatte ich vor kurzem schon angefangen.



    "Wenn Sie irgendein Kummer befällt (...), ich bitte Sie, und auch Sie, Fräulein Sonja, was auch immer vorfallen mag, wenden Sie sich an ihn, nur an ihn, um Rat und Hilfe. Er ist ein sehr zerstreuter, komischer Mensch, aber er hat ein wahrhaft goldenes Herz."

    Ja (Hand auf's Herz legend) Die Stelle finde ich auch sehr schön. :-)

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  • :wave Hallo an alle, die in den letzten Tagen im nächsten Abschnitt geschrieben haben; danke für eure Beiträge! Schreibend bin ich noch in diesem Abschnitt, aber ich werde wohl in absehbarer Zeit auch am nächsten Abschnitt mitschreiben.


    Noch mehr Humorvolles von Berg und Wjera:


    "Wjera, die in ihrem klugen Kopf zu dem Resultat gelangt war, Pierre müsse mit einem Gespräch über die französische Gesandtschaft unterhalten werden, brachte sofort diesen Gegenstand aufs Tapet. (…) Berg war zufrieden und glücklich (…); aber (…) es mangelte noch ein lautes Gespräch unter den Männern und ein Streit über irgendeinen wichtigen, ernsten Gegenstand. Ein solches Gespräch hatte nun der General angefangen, und Berg beeilte sich, Pierre zu diesem Gespräch mit heranzuziehen."


    Tolstoi hat Natascha also durchschaut (und nicht nur sie) und auch ihre Naivität erkannt:


    "Sie kehrte an diesem Morgen wieder zu dem Zustand zurück, in dem sie sich am wohlsten fühlte: und dieser Zustand bestand darin, dass sie sich selbst liebte und von sich selbst entzückt war. 'Was für ein reizendes Wesen ist doch diese Natascha!', sagte sie wieder von sich selbst"

    "In Nataschas Augen waren alle auf dem Ball Anwesenden insgesamt gute, liebenswürdige Menschen und alle liebten einander von Herzen. Niemand war imstande, einem anderen zu kränken, und somit mussten sie alle glücklich sein."

    Dazu gibt es nette Beschreibungen von Pierre und Berg:


    " 'Ich bin gerade bei der Arbeit', fügte [Pierre] hinzu und zeigte auf sein Heft mit der Miene, mit welcher unglückliche Menschen auf ihre Arbeit ansehen, durch die sie sich aus dem Elend des Lebens zu retten suchen."

    "Berg rechnete sein Leben nicht nach Jahren, sondern nach den Avancements" :)