'Krieg und Frieden' - Band 2, Teil 4 - Kapitel 01 - 13

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  • Ich beschäftige mich im Moment mit dem Komponisten Giuseppe Verdi. Beide Kinder aus seiner ersten Ehe starben im Kindesalter. Dann verlor er auch noch seine Frau kurz nach dem Tod seines Sohnes. Er trauerte bestimmt nicht anders, als dies heute ein Mensch in einer solchen Situation tun würde. Seine komische Oper, die er ausgerechnet in dieser Zeit der Trauer komponieren musste, viel dann auch prompt beim Publikum durch. Verdi beschloss, nie wieder zu komponieren. Dies zeigt doch, wie tief ihn diese Schicksalsschläge trafen. Erst zwei Jahre später feierte er mit Nabucco einen seiner größten Erfolge.


    Ich denke, es ist eher der Umgang der Gesellschaft mit der Kindersterblichkeit. Früher war sie Normalität, gehörte sie zum Leben. Dabei brauchen wir gar nicht so weit zurückzugehen. Fragt in Euren eigenen Familien nach. Diphtherie und Scharlach waren die Killer im Kindesalter meiner Eltern. Und ja, meine Familie war auch betroffen.


    Wenn heute ein Kind stirbt, wissen viele überhaupt nicht, wie sie mit den Eltern umgehen sollen. Die meisten schauen weg. Es ist wie ein Makel. Bei Bewerbungen wird den betroffenen Eltern sogar geraten, ihr totes Kind nicht zu erwähnen, weil man sie dann nicht mehr für belastbar hält. Ich würde behaupten, das Gegenteil ist nicht selten der Fall. Denn jene gingen an den Rand der Belastbarkeit und wuchsen über sich hinaus.

  • Ich beschäftige mich im Moment mit dem Komponisten Giuseppe Verdi. Beide Kinder aus seiner ersten Ehe starben im Kindesalter. Dann verlor er auch noch seine Frau kurz nach dem Tod seines Sohnes. Er trauerte bestimmt nicht anders, als dies heute ein Mensch in einer solchen Situation tun würde. Seine komische Oper, die er ausgerechnet in dieser Zeit der Trauer komponieren musste, viel dann auch prompt beim Publikum durch. Verdi beschloss, nie wieder zu komponieren. Dies zeigt doch, wie tief ihn diese Schicksalsschläge trafen. Erst zwei Jahre später feierte er mit Nabucco einen seiner größten Erfolge.

    Jetzt wo Du das schreibst. Vor einer halben Ewigkeit lief im Fernsehen (wurde mW nie wiederholt) die Serie "Giuseppe Verdi - Eine italienische Legende". Die zweite - oder dritte? - Folge endete eben damit und dem (fast schon unheimlichen) Kommentar aus dem Off (aus dem Gedächtnis zitiert): "Er wollte nie wieder eine Oper schreiben".


    Und dann kam Nabucco.

    Ich denke, es ist eher der Umgang der Gesellschaft mit der Kindersterblichkeit. Früher war sie Normalität, gehörte sie zum Leben. Dabei brauchen wir gar nicht so weit zurückzugehen. Fragt in Euren eigenen Familien nach. Diphtherie und Scharlach waren die Killer im Kindesalter meiner Eltern. Und ja, meine Familie war auch betroffen.

    Ich denke, es geht um den Umgang mit Sterblichkeit überhaupt. Manchmal habe ich das Gefühl, als ob man wirklich der Meinung ist, wenn es keine Krebstoten mehr gibt, wenn im Straßenverkehr niemand mehr stirbt, niemand mehr durch Rauchen etc. pp., daß dann alle Menschen ewig leben würden. Würden sie nicht. Gott (oder, wem das mehr zusagt, die Natur) findet andere Wege, daß die Menschen sterben, wenn die Zeit gekommen ist.


    Ich kann niemand mehr fragen, da ich inzwischen selbst "die oberste Generation" bin. Ich weiß, daß meine Oma 11 Kinder hatte, von denen 10 überlebt haben, und ich entsinne mich dumpf an Erzählungen, daß die Spanische Grippe ein Opfer (eben dieses Kind?) gefordert hat.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Jetzt wo Du das schreibst. Vor einer halben Ewigkeit lief im Fernsehen (wurde mW nie wiederholt) die Serie "Giuseppe Verdi - Eine italienische Legende". Die zweite - oder dritte? - Folge endete eben damit und dem (fast schon unheimlichen) Kommentar aus dem Off (aus dem Gedächtnis zitiert): "Er wollte nie wieder eine Oper schreiben".


    Und dann kam Nabucco.

    Ich bin beeindruckt. Genau diese Verfilmung sehe ich mir im Moment an. :anbet


    Dieser Mehrteiler gehört zu jenen Filmen, die damals die ganze Familie sah und über die man sich austauschte. :-]

  • Schön, dass hier so fleißig geschrieben wurde. :-)


    Ich selbst erwische mich auch immer wieder dabei, wie ich versuche die Menschheit oder Gesellschaft von früher und heute zu vergleichen. Was sie so bewegte, dachte, wie sie lebte, miteinander umgegangen ist, was ihre Ziele waren etc. etc. Und wohin sich unsere Gesellschaft in den nächsten 50 Jahren wohl bewegen wird.


    Ja, ja. Geschichte ist sehr interessant. Nur verstehen tue ich sie leider nur selten.

    Sasaornifee :eiskristall

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    "Ich habe nicht mehr Ambitionen zum Fliegen als ein verdammter Strandlöper!" - Die Insel der Tausend Leuchttürme - Walter Moers

  • Ich selbst erwische mich auch immer wieder dabei, wie ich versuche die Menschheit oder Gesellschaft von früher und heute zu vergleichen.

    Das ist hier in der Familie immer wieder ein Thema: man darf frühere Generationen nicht mit den heutigen Maßstäben messen und beurteilen. Und doch scheint mir das heute weit verbreitet zu sein. Umgekehrt wäre das so, als ob man unsere heutigen Dinge mit den Maßstäben von, sagen wir, 2120 beurteilen würde. Da würden wir uns vermutlich auch recht heftig wehren.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ja, die Umstände in der jeweiligen Zeit sind immer ganz andere. Alles entwickelt sich weiter. Ich muss mir das auch immer vor Augen halten.


    In etwa ist es auch so, wenn ich die verschiedenen Länder in der heutigen Zeit mit ihren Kulturen, Einstellungen und Verhalten vergleiche. Von außen betrachtet kommen mir manche Dinge nicht nachvollziehbar vor. Aber wenn ich dann erfahre, was vor der Zeit war oder dahinter steckt, kann ich manches doch dann eher nachvollziehen.

    Sasaornifee :eiskristall

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  • Hallo an dieser Stelle nochmal an alle Beitragsschreiber. :)

    Ja stimmt, ich bin mir sicher, dass man in der Zukunft über uns die Hände über dem Kopf zusammenschlagen wird und sich wundern wird, wie dumm und eingebildet wir waren.


    Zu Verdi: klassische Musik mag ich, aber Vokalmusik/Opern in der Regel nicht. Den (vielleicht nicht so sehr bekannten) Beginn des marcia trionfale aus Aida finde ich sehr schön:


    http://www.youtube.com/watch?v=AssDQbaIP_I


    (An meinem Geburtsort wurde nach jedem Tor der Fußballmannschaft der Triumphmarsch aus den nahegelegenen Stadionlautsprechern gespielt, bis Verdi irgendwann vom "Anton aus Tirol" den Rang abgelaufen bekam...)


    In diesem Abschnitt findet sich die wohl beste Beschreibung von Langeweile, die ich bisher gelesen habe (Kap.9):

    " 'Ach, Nikita, bitte, geh doch hin...' ('Wohin könnte ich ihn nur schicken?', dachte [Natascha] ) 'Ja, geh doch auf den Wirtschaftshof und hol mir, bitte, einen Hahn (…)' (...) 'Was soll ich nur anfangen? Wohin soll ich nur gehen?', dachte Natascha, während sie langsam den Korridor entlangging. (...) Nachdem sie so gleichsam ihr Reich durchwandert, ihre Macht erprobt und sich überzeugt hatte, dass alle ihr gebührendermaßen gehorchten, das Leben aber trotzdem langweilig war (…)"

  • Ah, du hast mich wieder aufgeholt. :-) Ich bin in Kapitel 8. Dann werde ich die Tage mal versuchen, weiterzulesen. Wird nur wohl etwas schwierig, weil ich die nächsten Wochen mehr eingespannt bin.

    Sasaornifee :eiskristall

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  • Und zweitens fand ich es richtig faszinierend, wie viele Hunde man doch zum Jagen mitgenommen hat.

    Meine Güte :yikes, das ist auch besser so; da bricht ja schon fast ein Nachbarschaftskrieg aus, weil es nicht der eigene Jagdhund war, der die Jagd gewonnen hatte - nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die Wolfsjagd komplett erfolglos gewesen wäre... :gewitter

    (die Anzahl der Hunde macht hier wohl den Unterschied zwischen Krieg und Frieden)

    aber in dieser Zeit (…) lässt das Nikolai doch sehr verantwortungslos dastehen, zumal er ja, wie gesagt, der Schuldige ist, mit der dämlichen Kartenspielerei.

    Nikolai hat natürlich seinen Anteil an der Notlage, aber mir kommt es so vor, als ob das finanzielle Problem viel umfassender ist und dass es hauptsächlich an der mangelnden Fähigkeit seines Vaters, mit den Finanzen umzugehen, liegt. Ich zitiere auch nochmal aus der Zusammenfassung von M. Sommer:


    "... der Familie Rostow, bestehend aus dem alten Grafen, der supernett ist und deshalb nie Kohle hat [und] seiner Frau, die nicht so nett, aber genauso verschwenderisch ist..." :)


    Mich wundert, dass Nikolais Mutter ihn anscheinend zwingen will, sein Versprechen zu brechen, Sonja zu heiraten, und dass sie dann wohl auch bereit ist, das Sonja gegenüber zu vertreten (obwohl man ihre finanzielle Notlage natürlich verstehen kann). Oder hat Nikolai ihr vielleicht gar nicht von dem Versprechen erzählt, weil er angenommen hatte, dass ihr das egal wäre? Oder hat er ihr nicht von dem Versprechen erzählt, weil es ihm peinlich war, oder weil er wusste, dass er selbst es evtl. nicht einhalten würde?

  • Ich habe jetzt weitergelesen. Ich bin jetzt einfach nur gespannt, wie es mit den ganzen Personen weitergeht.


    Und ich muss wieder einmal anmerken, wie schön Tolstoi schreibt bzw. sich die Übersetzung von Bergengruen liest. Ich genieße momentan einfach jeden Satz.

    Sasaornifee :eiskristall

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