'Krieg und Frieden' - Band 2, Teil 4 - Kapitel 01 - 13

  • Wieder ein Abschnitt geschafft! :-] Vielleicht komme ich dieses Jahr doch noch durch mit dem Buch.


    Bei den Rostows sieht es finanziell immer schlechter aus und Nikolai, der doch an der ganzen Misere Schuld ist, ist das alles scheinbar völlig gleichgültig und er kümmert sich nur um sein Privatvergnügen. Eine Braut mit reicher Mitgift will er sich auch nicht suchen, sondern jetzt doch Sonja heiraten. Nicht dass ich ein großer Freund von Vernunftehen wäre, aber in dieser Zeit, in der ja in der Regel nicht aus Liebe geheiratet wurde, lässt das Nikolai doch sehr verantwortungslos dastehen, zumal er ja, wie gesagt, der Schuldige ist, mit der dämlichen Kartenspielerei.


    Sehr schön fand ich den Besuch von Natascha, Nikolai und Petja bei ihrem Onkel, der alte Kauz hat mir gut gefallen.

  • Der Anfang dieses Abschnittes, meine Ausgabe Siebenter Teil, Kapitel 1, Seite 646:


    „Die biblische Überlieferung besagt, die Glückseligkeit des ersten Menschen vor dem Falle sei durch das Fehlen jeder Art von Arbeit, durch den völligen Müßiggang bedingt gewesen. Auch nach dem Sündenfalle hat der Mensch die Liebe zum Müßiggange beibehalten, aber nun lastet ein Fluch auf ihm; nicht nur, daß wir im Schweiße unseres Angesichts unser Brot erwerben müssen, sondern wir können auch auf Grund unserer sittlichen Artung nicht müßig und zu gleicher Zeit von Gewissensbissen frei sein.“

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Bei diesen Zeilen war ich doch überrascht, wie Tolstoi hier den Bogen zum Militär spannt. Ja, für Friedenszeiten stimmt das wohl.


    Nikolai ist nicht der Ernst des Lebens und seiner Lage bewusst. Er lebt weiterhin weit über seine Verhältnisse und spuckt große Töne ("... daß ich meine Gefühle und meine Ehre wegen des Vermögens aufopfere?"). Er unternimmt keine Anstrengungen, die finanzielle Lage der Familie in den Griff zu bekommen. Er hat nie den Umgang mit Geld gelernt, von wem auch.

    Er kann das Thema sehr gut verdrängen.


    Ich wundere mich, wie leicht Ehen arrangiert werden. Welchen Grund haben die Karagins, einer Ehe mit Nikolai zuzustimmen? Reicht es, dass Nikolai Offizier ist? Für den alten Fürsten Bolkonski ist die Familie Rostow keine gute Partie.




    Täusche ich mich, oder wurde da nicht einmal erwähnt, dass die Gräfin Rostow 12 Kinder geboren hat? Bisher war aber nur von Vera, Nikolai, Natascha und Petja die Rede. Was ist mit den anderen? Zuerst habe ich vermutet, dass die alle schon verheiratet und außer Haus sind. Aber sie müssten doch auch gelegentlich erwähnt werden.

    Doch jetzt kam mir der Gedanke, der uns heutzutage völlig fremd ist: Sind die anderen vielleicht alle im Kindesalter gestorben?

  • Er unternimmt keine Anstrengungen, die finanzielle Lage der Familie in den Griff zu bekommen. Er hat nie den Umgang mit Geld gelernt, von wem auch.

    Er kann das Thema sehr gut verdrängen.

    Allerdings, und ich bin gespannt, ob und wann das Folgen zeitigen wird.


    Täusche ich mich, oder wurde da nicht einmal erwähnt, dass die Gräfin Rostow 12 Kinder geboren hat?

    Da kann ich mich jetzt nicht daran erinnern. Deine Vermutung mit der Kindersterblichkeit könnte allerdings zutreffend sein.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Dieses Kapitel ist mir durch allerlei interessante Zahlen aufgefallen.


    Da hat ein Gutsherr für einen Jagdhund „einem Gutsnachbarn drei Familien Leibeigene gegeben.“ (Bergengruen, dtv 19932, S.670.)


    Trotz der pekuniären Notlage der Familie Rostow „bestand immer noch das alte Jagdgefolge, ja, Nikolai hatte es sogar vergrößert; immer noch gab es fünfzig Pferde und fünfzehn Kutscher, ...“ (Bergengruen, dtv 19932, S.684.)


    Überhaupt hat mich verwundert, wie viele Menschen unter dem Dach des Grafen Rostow sehr gut leben!



    Täusche ich mich, oder wurde da nicht einmal erwähnt, dass die Gräfin Rostow 12 Kinder geboren hat? Bisher war aber nur von Vera, Nikolai, Natascha und Petja die Rede. Was ist mit den anderen? Zuerst habe ich vermutet, dass die alle schon verheiratet und außer Haus sind. Aber sie müssten doch auch gelegentlich erwähnt werden.


    Da kann ich mich jetzt nicht daran erinnern. Deine Vermutung mit der Kindersterblichkeit könnte allerdings zutreffend sein.


    Daran kannst Du Dich auch nicht erinnern, SiCollier, denn Bergengruen unterschlägt in seiner Übersetzung einfach die zwölf Kinder!


    „Die Gräfin ... stand im Alter von fünfundvierzig Jahren und hatte offensichtlich einen großen Teil ihrer Kraft in den Geburten ihrer Kinder erschöpft.“ (Bergengruen, dtv 19932, S.48.)


    Vielleicht wollte Bergengruen uns Leser nicht unnötig verwirren, da uns ja nur vier Kinder namentlich bekannt sind.


    Hingegen schreibt Hermann Röhl:
    „Die Gräfin ... war etwa fünfundvierzig Jahre alt und offenbar durch die Entbindungen, deren sie zwölf durchgemacht hatte, stark mitgenommen.“ (E-Book Buch 1 Teil 1 Kap.X.)


    Da Röhl nur von Entbindungen spricht, dachte ich zuerst, er spiele auf mehrere Todgeburten an. Doch dann las ich die Stelle bei Marianne Kegel:

    „augenscheinlich durch die Geburten ihrer Kinder, deren sie zwölf hatte, stark mitgenommen.“ (Marianne Kegel, Darmstadt 19895, S.45.)


    Es wird so sein, wie Ihr annehmt. Die Kindersterblichkeit war in jenen Tagen sehr hoch.

  • Es wird so sein, wie Ihr annehmt. Die Kindersterblichkeit war in jenen Tagen sehr hoch.

    Bei solchen Szenen muß ich immer an "Die verlorene Handschrift" von Gustav Freytag denken. Das spielt zwar etwa in der Mitte des 19. jahrhunderts, aber da gibt es eine Szene, in der der Professor bei der Ankuft auf dem Gut die Beerdigung eines Kindes von ferne beobachtet, danach geht das Leben seinen Gang. Man hat genau so getrauert, wie wir heutigen, doch es war Teil des Lebens, einfach, weil die Sterblichkeit deutlich höher war als heute.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Das wundert mich ja schon, dass die Übersetzungen an so einer bedeutenden Information wie der Kinderzahl so stark voneinander abweichen.


    Und "drei Familien Leibeigene", wie wenig wert doch teilweise die Menschen waren. Aber nur dadurch konnten umgekehrt auch andere Menschen so unermeßlich reich werden, da alles auf dem Rücken dieser Leibeigenen verdient wurde.


    Der junge Rostow hatte doch eigentlich von seiner Kompanie nur Urlaub genommen? Wie lange dauert damals ein Urlaub? Er ist nun schon mehrere Monate wieder bei der Familie zu Hause, ohne dass jemals thematisiert wurde, dass er auch wieder in den Militärdienst zurück muss.:/


    Bei dem Jagdausflug und bei der wilden Schlittenfahrt zu Weihnachten hatte ich jedesmal die Befürchtung, dass es nun zu einem Unfall kommt. Dass also eventuell Natascha bei der Jagd angeschossen wird oder Sonja vom Schlitten stürzt. Solche dramatischen Wendungen waren aber anscheinend damals noch nicht so sehr gewohnte Stilmittel in der Literatur wie sie es heute (bei Thrillern) sind.

  • Der junge Rostow hatte doch eigentlich von seiner Kompanie nur Urlaub genommen? Wie lange dauert damals ein Urlaub? Er ist nun schon mehrere Monate wieder bei der Familie zu Hause, ohne dass jemals thematisiert wurde, dass er auch wieder in den Militärdienst zurück muss.

    Ich denke, man darf das Wort Urlaub nicht so verstehen, wie es heute verwendet wird, also im Sinn eines Zeitraums von ein paar Tagen oder wenigen Wochen.

    Für Rostow stellte sich die Alternative Abschied oder Urlaub, wobei er sich sehr schnell gegen einen Abschied entschied.


    Dass Rostows Urlaub längern dauern wird, zeigt sich daran, dass seine Kameraden ein Abschiedsfest organisieren.

    Anscheinend war so eine lange Abwesenheit in Friedenszeiten kein Problem.

  • Ja, wohl eher im Sinne einer Beurlaubung. Ich dachte beim Lesen aber wirklich, dass er nur ein paar Tage weg wäre. Außerdem wollte er sich doch zu Hause um die Finanzen kümmern? Außer ein bisschen (zu Unrecht) mit Dimitri herummeckern, hat er sich aber damit nicht beschäftigt. Ein seltsamer Kerl, der auch dauern angeben muss.

  • Und weiter dreht sich das Liebeskarussell ...


    Nikolai reist nach Hause, um zu retten, was zu retten ist - eine reiche Erbin wäre eine Möglichkeit, vielleicht Julie Karagin (den Namen habe ich zwar mal gehört, kann ihn aber gerade nicht zuordnen). Er will aber lieber Sonja. Nun, ich drücke ihm die Daumen.

  • Bei dem Jagdausflug und bei der wilden Schlittenfahrt zu Weihnachten hatte ich jedesmal die Befürchtung, dass es nun zu einem Unfall kommt. Dass also eventuell Natascha bei der Jagd angeschossen wird oder Sonja vom Schlitten stürzt. Solche dramatischen Wendungen waren aber anscheinend damals noch nicht so sehr gewohnte Stilmittel in der Literatur wie sie es heute (bei Thrillern) sind.

    Ich bin froh!, dass es zu keinen Unfällen kommt. Zu viel Aufregung könnte ich bestimmt nicht ertragen. (Ich habe aber auch gar keine solchen Zwischenfälle erwartet.) Mir reichen da schon völlig die Anspannungen zwischen den Leuten, die entstehen, als eine weitere Jagdtruppe dazustößt.


    Die Kapitel 1-7 habe ich jetzt gelesen und es war erstaunlich schön.

    Erstens, weil ich mich als Leser draußen bewegt habe 'an der frischen Luft' zu Pferd und eine gewisse Aufregung herrschte. Und zweitens fand ich es richtig faszinierend, wie viele Hunde man doch zum Jagend mitgenommen hat. Drittens aber hat mir der Wolf leid getan. Ich vermute mal, sie haben den Wolf und Fuchs gejagt, weil sie in ihnen Konkurrenten sahen. Und speziell den Wolf, weil er den Menschen vielleicht zu gefährlich wurde. Aber muss man den Wolf dann so quälen? Furchtbar! Ich hätte es lieber gesehen, wenn sie ihn sofort, nachdem sie ihn zu fassen bekamen, schnell getötet hätten, wenn sie ihn doch eh töten wollten; davon gehe ich aus.

    Und da sie nur fleischfresser gejagt haben, gehe ich auch davon aus, dass es eher ein Spaß- und Zeitvertreib für sie war. Die Nahrung jagte vermutlich ihr Personal?


    Täusche ich mich, oder wurde da nicht einmal erwähnt, dass die Gräfin Rostow 12 Kinder geboren hat? Bisher war aber nur von Vera, Nikolai, Natascha und Petja die Rede. Was ist mit den anderen? Zuerst habe ich vermutet, dass die alle schon verheiratet und außer Haus sind. Aber sie müssten doch auch gelegentlich erwähnt werden.

    Doch jetzt kam mir der Gedanke, der uns heutzutage völlig fremd ist: Sind die anderen vielleicht alle im Kindesalter gestorben?

    Ich fände es ehrlich gesagt zu viel, wenn noch mehr Namen auftauchten, die aber (zunächst?) gar keine Rolle spielen. Ich finde es so schon anstrengend genung. Abgesehen davon, erwarte ich gar nicht, dass man alle Namen erwähnt.

    Gut, ich gebe zu, realistisch betrachtet redet oder denkt man ja hin und wieder über bzw. an Menschen, die aber keine aktive Handlung haben. Im realen Leben.

    Also würde ich mir die Frage stellen: Ist es üblich, dass in einer Geschichte Namen auftauchen, die nicht wirklich zum Verlauf der Geschichte beitragen?

    Tolstoi wollte ja - so habe ich es zumindest aufgefasst - aus dem wahren Leben erzählen. Viele wahre Persönlichkeiten aus seinem nahen Umkreis sind Vorlagen für seine Figuren. Aber sollten die Figuren auch zu 100% realistisch wie im wahren Leben dargestellt werden. Bzw. soll der Erzähler etwas erwähnen, dass eher nur die Neugierde befriedigt?



    Was den Urlaub angeht, habe ich mich vorher auch schon immer beim Lesen gefragt, wie lange bei denen ein Urlaub damals war.


    Ich muss dazu sagen, ich fände es, glaube ich, besser, wenn ich meinen Urlaub an einem Stück nehmen könnte. Ich stelle mir das viel erholsamer vor, als immer diese eine Woche hier, zwei Wochen da, ein Tag dort, etc..

    Sasaornifee :eiskristall

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    "Ich habe nicht mehr Ambitionen zum Fliegen als ein verdammter Strandlöper!" - Die Insel der Tausend Leuchttürme - Walter Moers

  • Ich fände es ehrlich gesagt zu viel, wenn noch mehr Namen auftauchten, die aber (zunächst?) gar keine Rolle spielen. Ich finde es so schon anstrengend genung. Abgesehen davon, erwarte ich gar nicht, dass man alle Namen erwähnt.

    Gut, ich gebe zu, realistisch betrachtet redet oder denkt man ja hin und wieder über bzw. an Menschen, die aber keine aktive Handlung haben. Im realen Leben.

    Also würde ich mir die Frage stellen: Ist es üblich, dass in einer Geschichte Namen auftauchen, die nicht wirklich zum Verlauf der Geschichte beitragen?

    Tolstoi wollte ja - so habe ich es zumindest aufgefasst - aus dem wahren Leben erzählen. Viele wahre Persönlichkeiten aus seinem nahen Umkreis sind Vorlagen für seine Figuren. Aber sollten die Figuren auch zu 100% realistisch wie im wahren Leben dargestellt werden. Bzw. soll der Erzähler etwas erwähnen, dass eher nur die Neugierde befriedigt?


    Die hohe Kindersterblichkeit in jenen Tagen ist realistisch. Anscheinend auch, dass darüber kaum gesprochen wurde, da meist alle Familien betroffen waren. (Zeigt sich gerade auch bei Frauen und Töchtern. Der frühe Tod von Mrs. Hamleys Tochter findet nur eine kurze Erwähnung.)


    Ich denke, Charaktere in Romanen oder Filmen sind immer (etwas) überzeichnet. Genauso wie eine gute Soße etwas kräftiger gewürzt wird, damit sie nicht fade schmeckt.


    Ich bezweifle, dass es überhaupt möglich ist, eine Persönlichkeit völlig realistisch wiederzugeben. :hmm Ja, selbst eine Autobiographie ist nichts anderes als eine Selbsteinschätzung, die per se nicht objektiv sein kann. :grin

  • Ich bezweifle, dass es überhaupt möglich ist, eine Persönlichkeit völlig realistisch wiederzugeben.

    Ja, denn 1. ist es nicht immer von Nöten und 2. ist es auch gar nicht möglich, denn dafür müsste man perfekt schreiben können und selbst dann passiert es, dass jemand es so aufnimmt und andere wiederum so.


    Jetzt kommt mir ein Blitzgedanke: Jeder kann sehr gut schreiben, nur der passende Leser muss (noch) gefunden werden. :narrenkappe

    (Es ist Wochenende und ich bin k.o., ich weiß gar nicht mehr, was ich hier schreibe.)


    Sasaornifee :eiskristall

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    "Ich habe nicht mehr Ambitionen zum Fliegen als ein verdammter Strandlöper!" - Die Insel der Tausend Leuchttürme - Walter Moers

  • * Schleicht sich hier mal herein *

    Die hohe Kindersterblichkeit in jenen Tagen ist realistisch. Anscheinend auch, dass darüber kaum gesprochen wurde, da meist alle Familien betroffen waren. (Zeigt sich gerade auch bei Frauen und Töchtern. Der frühe Tod von Mrs. Hamleys Tochter findet nur eine kurze Erwähnung.)

    Ich habe die meisten eurer Kommentare bisher still mitgelesen; im November hatte ich erneut mit "Krieg und Frieden" begonnen, wollte zu Weihnachten fertig sein, aber wie es so geht: zum Jahresende habe ich unterbrochen und werde wohl erst im März weiter und zu Ende lesen können.


    Aber dazu fiel mir - wieder einmal - Gustav Freytag und sein (heute vergessener) Roman "Die verlorene Handschrift" ein. Als der Professor und sein Freund Fritz auf dem Gutshof ankommen, werden sie Zeuge der Beerdigung eines Kindes. Die Menschen haben genauso sehr getrauert wie wir heute, doch der Tod war Bestandteil des Lebens, viel mehr als bei uns heute. Und er trat, wie Brigitte schrieb, viel häufiger ein als wir es heute gewohnt sind.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • * Schleicht sich hier mal herein *

    Immer wieder gerne :-)


    Aber dazu fiel mir - wieder einmal - Gustav Freytag und sein (heute vergessener) Roman "Die verlorene Handschrift" ein. Als der Professor und sein Freund Fritz auf dem Gutshof ankommen, werden sie Zeuge der Beerdigung eines Kindes. Die Menschen haben genauso sehr getrauert wie wir heute, doch der Tod war Bestandteil des Lebens, viel mehr als bei uns heute. Und er trat, wie Brigitte schrieb, viel häufiger ein als wir es heute gewohnt sind.

    Meinst du damit, du glaubst, dass zu der Zeit weniger über früh Verstorbene gesprochen/gedacht wurde, weil der frühe Tod damals 'gewöhnlicher' war.

    Sasaornifee :eiskristall

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    "Ich habe nicht mehr Ambitionen zum Fliegen als ein verdammter Strandlöper!" - Die Insel der Tausend Leuchttürme - Walter Moers

  • Meinst du damit, du glaubst, dass zu der Zeit weniger über früh Verstorbene gesprochen/gedacht wurde, weil der frühe Tod damals 'gewöhnlicher' war.

    Das weiß ich nicht. Mir kommt diese Szene aus der "Handschrift" nur immer wieder ins Gedächtnis, wenn es um Sterblichkeit jener Tage geht. Der Roman erschien erstmals 1864, spielt um diese Zeit und wurde kurz zuvor geschrieben. Mir ist der Eindruck geblieben, die Menschen trauerten ähnlich stark wie wir heute, nur mußte das Leben direkt weiter gehen. Für Ruhe, Trauerverarbeitung o. ö. war keine Zeit, nicht nur, weil die keine Zeit hatten, sondern weil das Ereignis vermutlich zu oft eintrat. Man wäre aus dem Trauern nicht mehr herausgekommen. (Inwieweit ich damit richtig liege, weiß ich nicht. Das ist allerdings mein Eindruck.) Das Leben auf dem Gut ging für die Beerdigung kurz etwas langsamer, aber vom Friedhof zurück, mußte es seinen normalen Gang wieder aufnehmen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Hallo zusammen! :wave

    Ich lese auch eure Beiträge. Ich bewundere euch, wie fleißig ihr hier noch weitere Informationen sammelt und postet.


    Das Thema, wie Menschen früher mit den häufigen Todesfällen fertig geworden sind, beschäftigt mich immer wieder.

    Ich kann hier auch nur spekulieren, aber ich kann mir vorstellen, dass man auf längere Sicht leichter mit den Todesfällen fertig wird, wenn man weiß, dass es "normal" ist und dass es den anderen auch schon passiert ist. Man weiß, der andere kann nachfühlen, wie es einem jetzt geht.


    Man hat es als Schicksal oder Gottes Wille betrachtet, was unausweichlich ist. Heutzutage mit den medizinischen Möglicheiten sucht man eher die Schuld bei anderen Menschen. Man empfindet es womöglich als ungerecht. Warum trifft es ausgerechnet unsere Familie?