Wie gestalte ich eine erfolgreiche Lesung?

  • Damit den Zuhörern nicht die Füße einschlafen, was durchaus passieren kann, falls ein unsicherer introvertierter Vorleser sein durchaus gutes Buch zum Besten gibt, frage ich die Vorlese-Spezialisten:


    Was macht ihr, um den Laden zum Kochen zu bringen?
    Habt ihr ganz bestimmte Tricks auf Lager, die sich immer wieder bewährt haben?


    Da fallen mir spontan Schwanks aus dem Autorenleben ein, philosophische Zusammenhänge zum Werk darstellen, Zuhörer als Protagonisten in die eigenen Werke einbauen, Bücher verschenken, alle Zuhörer mit Handschlag begrüßen, mit Marionetten oder Puppen den Roman nachspielen, ein paar Hits aus der Jugend vorspielen und zum Tanz auffordern usw.


    Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir ein paar Schätzchen aus eurer Trickkiste nennen könntet ... (natürlich auch per PN)

  • Hi Beisswenger,


    nenn mich konservativ, was Lesungen angeht - aber ich bin immer noch der Meinung, die beste Art, einer Lesung Pepp zu verleihen, ist ein guter Vorleser und spannender Stoff. Ist beides nicht gegeben, hilft das beste Effektgewitter nicht.




    Zur Vorbereitung empfielt sich:


    Hörbücher hören mit guten Sprechern - von der Art und Weise, wie sie Tempi und Tonlagen modulieren, um einer Action- vs. ruhiger Szene das jeweilige Stimmungsbild zu geben, kann man viel lernen. Oder von der Art, wie sie Dialoge betonen, um kenntlich zu machen, wer der jeweilige Sprecher ist.


    Youtube-Mitschnitte von großen Lesungen ansehen.


    Die Abschnitte zum Lesen sorgfältig auswählen (es sollte in sich ein guter Spannungsbogen entstehen), und sich die drei, vier Sätze übergreifende Story aufschreiben, die man davor und dazwischen erzählt, damit die Leute wissen, wo Du gerade im Buch bist und wer die Protagonisten sind.


    Und dann selbst üben. Zur Not aufnehmen und sich selbst vorspielen, wenn man unsicher ist.



    Was darüber hinaus bei Lesungen gern gemacht wird und auch üblich ist:
    - kulinarische Verköstigung, sofern man einen engagierten Buchhändler und ein paar Bekannte in der Nähe hat, die sich mit drum kümmern
    - anschließende Signierstunde (Standard)
    - wenn man jemanden kennt, ggf. Kombination mit Musik - z.B. Streichquartett o.ä., wenn's zum Thema passt


    Schwanks aus dem Autorenleben u.ä. ergeben sich automatisch aus den Gesprächen in der Pause, bzw. der Fragerunde, die man an die eigentliche Lesung gern anhängt.


    Natürlich ist ein kleiner Sonderbonus, bezogen auf's Thema nett. Wenn Du also z.B. einen Katzenroman geschrieben hättest und die Lesung bei Dir zu Hause um die Ecke ist, könnte es lustig sein, die eigene Katze auf dem Schoß sitzen zu haben, während man liest ;-)
    Autoren historischer Romane treten manchmal im Kostüm auf - wenn's denn passt und die Lesung z.B. im Rahmen eines Mittelaltermarktes o.ä. stattfindet.



    Bei Aktionen, die zuviel Interaktion seitens der Zuhörer verlangen, wäre ich vorsichtig. Sowas kommt normalerweise nur bei Kindern gut an. Da wiederum könnte es fast ein Muss sein. Kinderbücher liest man anders als solche für Erwachsene. Da darf die Lesestunde schon eher in Richtung Bastel- und Rätselstunde laufen.



    Last but not least, falls Du Dich mit dem ganzen Multimedia-Spaß gut auskennst und die Hardware kostengünstig leihen kannst:
    Natürlich kannst Du die Lesung auch zu einer Licht- und Filmshow mit synchronisiertem Soundtrack ausbauen, aber ob das nicht mit Elefantenkanonen auf Spatzen geschossen ist, sei dahin gestellt. Der Aufwand lohnt nur, wenn man 200 Leute auf der großen Bühne des örtlichen Theaters erwartet, und nicht (wie sonst eher üblich) 20 beim kleinen Buchhändler in der Fußgängerpassage, von denen 10 die Bekannten des Autors sind.


    Viel Erfolg jedenfalls!


    Liebe Grüße,
    Andrea

  • Man sollte sich fragen, warum Leute in Lesungen gehen - die Antwort ist nämlich nicht immer einfach. Oder man will sie nicht hören: Es sind Leute, die nichts Besseres zu tun haben, die mit dem Veranstalter verwandt oder befreundet sind - oder im Ort gibt es sonst nichts. Das gilt jedenfalls für geschätzt > 90 Prozent aller Lesungen. Bibliotheken verwenden ihre Etats, weil sie müssen, Buchhändler geben sich nachwuchsfördernd, Autoren veranstalten selbst was oder werden von anderen Autoren eingeladen. Lesungen sind eine Form der Unterhaltung, die das Schlechte aller anderen Unterhaltungsformen vereint: Niemand sieht gut aus, es ist langweilig, man kennt es inhaltlich längst und es zieht sich nicht einmal jemand aus. Bestenfalls ist es unfreiwillig komisch. Eine Lesung: JEMAND LIEST ETWAS VOR. Das tun Eltern, damit das Brüllfleisch einschläft. Noch Fragen? ;-)


    Okay, wenn vorne ein Superstar sitzt, dann geht es nur darum, diese Person mal hautnah zu erleben. Aber alle anderen kacken ab, indem sie nur zusagen.


    Spaß teilweise beiseite. Man kann mit viel Brimborium versuchen, eine Lesung zum Event zu machen, aber damit verstört man das Publikum möglicherweise nur, wenn man nicht gerade Sebastian Fitzek heißt. Man sollte durchaus versuchen, möglichst gut zu lesen, technisch. Ein paar Stunden beim Schauspiellehrer können nicht schaden. Aber Lesungspublikum erwartet normalerweise keine Show, sondern eher Authentizität, Sympathie, Nähe. Es gibt Autoren, die lesen zehn Minuten und erzählen anderthalb Stunden lang - sehr zur Freude des Publikums. Es gibt Autoren, die lesen nur und reißen mit: Selim Özdogan oder Frank Schulz beispielsweise. Es gibt Autoren, die vernichten in strunzlangweiligen Lesungen ihre eigentlich packenden Texte - und umgekehrt.


    Aber Lesungen sind unterm Strich: Ein Autor stellt sein Werk vor, erzählt darüber, kann anschließend befragt und um Autogramme gebeten werden. Punkt. Das kann man gut machen und auch ziemlich schlecht.


    Ich hätte eigentlich nur zwei Tipps: Beim Lesen und vorher nichts Kohlensäurehaltiges trinken. Und bei der Einfahrt in den Ort Namen desselben gut merken.

  • Zitat

    Original von beisswenger
    ... Da fallen mir spontan Schwanks aus dem Autorenleben ein, philosophische Zusammenhänge zum Werk darstellen, Zuhörer als Protagonisten in die eigenen Werke einbauen, Bücher verschenken, alle Zuhörer mit Handschlag begrüßen, mit Marionetten oder Puppen den Roman nachspielen, ein paar Hits aus der Jugend vorspielen und zum Tanz auffordern usw.
    ...


    Bei den Sachen würde ich die Lesung definitiv vor dem Ende verlassen. :lache


    Zuhörer mit Handschlag begrüßen und Bücher verschenken, das würde ich auch irgendwie befremdlich finden.

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

  • Zitat

    Original von Tom
    Lesungen sind eine Form der Unterhaltung, die das Schlechte aller anderen Unterhaltungsformen vereint: Niemand sieht gut aus, es ist langweilig, man kennt es inhaltlich längst und es zieht sich nicht einmal jemand aus. Bestenfalls ist es unfreiwillig komisch.


    :lacht


    Das mit dem Ausziehen hat was. Das nächste Mal engagiere ich eine knackige Dame. Da fällt's dann auch nicht auf, wenn ich rülpse.


    Obwohl: Das sind ja alles Leserinnen. Ich glaube, ich buche einen Herren. Das Lesen lasse ich dann gleich sein, will ja auch was von der Show haben.


    Im Ernst, Beisswenger: Sei einfach du selbst. Dann läuft es. Und lies den Text vorher so oft, bis du ihn bald auswendig kennst, damit du Blickkontakt herstellen kannst, ohne das Lesen zu unterbrechen. Wirkt Wunder.

    Ship me somewhere's east of Suez,
    where the best is like the worst,
    where there aren't no ten commandments
    an' a man can raise a thirst


    Kipling

  • Habe ich mir auch überlegt: da ich noch ein knackiger "Herr" bin, lese ich in Unterhose.



    Nein, bereite dich genau auf deinen Text vor. Lies ihn dir :bruell laut vor und achte auf die Modulation. Wo im Dialog gebrüllt wird, weil sich zwei in den Haaren haben, brüllst du das auch. Wo getuschelt wird, tuschelst du auch, aber laut und deutlich. Du musst deinem Werk eine Stimme geben!!!
    Besser ist noch, wenn du die Dialoge mit zwei Stimmen sprichst (also Tonart und Stimme verstellen)


    Kopf hoch. Wird schon.....

  • Zitat

    Original von Tom
    Man sollte sich fragen, warum Leute in Lesungen gehen - die Antwort ist nämlich nicht immer einfach. Oder man will sie nicht hören: Es sind Leute, die nichts Besseres zu tun haben, die mit dem Veranstalter verwandt oder befreundet sind - oder im Ort gibt es sonst nichts. Das gilt jedenfalls für geschätzt > 90 Prozent aller Lesungen. Bibliotheken verwenden ihre Etats, weil sie müssen, Buchhändler geben sich nachwuchsfördernd, Autoren veranstalten selbst was oder werden von anderen Autoren eingeladen. Lesungen sind eine Form der Unterhaltung, die das Schlechte aller anderen Unterhaltungsformen vereint: Niemand sieht gut aus, es ist langweilig, man kennt es inhaltlich längst und es zieht sich nicht einmal jemand aus. Bestenfalls ist es unfreiwillig komisch. Eine Lesung: JEMAND LIEST ETWAS VOR. Das tun Eltern, damit das Brüllfleisch einschläft. Noch Fragen? ;-)


    Schade, wie Du über Zuhörer denkst ...

  • Ich liebe Lesungen. Es ist eine unglaublich tolle Möglichkeit, mit den Lesern direkt in Kontakt zu treten. Ich stehe (!) da vorne, schaue in erwartungsvolle Mienen und freue mich. Oft überträgt sich schon das.


    Es ist nicht so, dass sie aus Langeweile kommen oder um jemandem einen Gefallen zu tun. Sie zahlen für ein Event und haben ein Recht darauf, bestmöglich unterhalten zu werden. Egal, wie viele Personen es sind, zehn oder 200.


    Meine Lesungen dauern in der Regel 90 Minuten am Stück, und da hat sich noch niemand gelangweilt. Ich bereite Blöcke vor: 10 bis 15 Minuten (zuhause stoppen) aus dem Text lesen (nach Möglichkeit von Anfang an weg, auf jeden Fall aber Szenen, in denen was passiert, keine Landschaftsbeschreibungen - man kann seinen Text auch dahingehend frisieren), dann 10 bis 15 Uhr etwas frei erzählen. Über Begebenheiten, die einem bei der Recherche zum Buch widerfahren sind, aber genauso interessant sind auch Schilderungen aus dem Autorenalltag. Bitte nichts beschönigen. Die meisten im Saal können ja auch selber schreiben und fragen sich, ob sie nicht auch mal ein Buch verfassen könnten. Also kommt es gut an, wenn man berichtet, welch ein einsamer Job das ist, wieviel Disziplin man aufbringen muss, dass man fürs Schreiben aufs Fernsehschauen verzichtet etc... Ich erzähle auch oft frank und frei, wie es mit dem Verdienst aussieht. Beim anschließenden Bücherverkauf runden dann manche mitleidige Seelen die Summe noch um ein zehn-Cent-Stück auf :lache


    Für das Baden-Badener Roulette hatte ich mir einen Trailer gebastelt und vorgehabt, ihn zu Beginn der Lesung per Beamer vorzuspielen. Ich stellte mir das so vor: Alles ist dunkel, der Trailer läuft (aus dem ersten Kapitel des Buches), dann geht das Licht an und ich lese nahtlos an der Stelle weiter, an der der Trailer aufhört. Hat sich aber nie so angeboten. Schon allein, weil das Ambiente das nie hergegeben hat und man ja anfangs bei der Begrüßung im Hellen vor dem Publikum steht und es auf das Buch einstimmt. Danach würde ich es nicht mehr wagen, es "loszulassen" in die Dunkelheit.


    Bei meiner Kollegin Petra Busch allerdings läuft das super gut auf diese Weise. Sie lässt ihren Text aus dem "off" von einem geschulten Schauspieler lesen, dann übernimmt sie den Part des Erzählens, dann liest der Schauspieler wieder. Tolle Sache. Ich könnte mir allerdings von meiner Gage niemanden leisten, genauso wenig wie einen begleitenden Musiker, was ja auch immer öfter angeboten wird.


    Und es ist auch nicht nötig. Die Rückmeldungen, die ich nach den Lesungen bekomme, zeigen mir, dass es mit einfachen Mitteln auch geht, solange man, wie meine Vorschreiber schon kundtaten, unverkrampft und authentisch rüberkommt und auch sein Buch wirklich liebt.


    Viele sind begeistert, weil sie nun mit meiner Stimme im Kopf dieses Buch oder folgende "anders" lesen werden als vorher.


    Also, Beisswenger, probier's einfach mal aus!

  • Zitat

    Original von Nick


    Schade, wie Du über Zuhörer denkst ...


    Wo er Recht hat - da hat er Recht. :grin

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Und wo nicht, da nicht.


    Manche Lesungen sind einfach Event, der erwähnte Stefan Fitzek hat aber auch mal mit ganz normaler Lesung am Tischchen angefangen, Kaminer liest fast nie mehr als drei Sätze aus dem Buch , das der Leser sich diesmal kaufen soll, sondern probiert Geschichten aus seinem Manuskript fürs nächste Buch. Als Leser gehe ich zu Lesungen um zu erkunden ob ich dieses Buch am Rande meines Beuteschenas lesen will, weil ich ein Fan des Autors bin oder weil ich auf den Typ irgendwie gestoßen bin und jetzt mir ein reales Bild machen will, soweit das an einem Selbstdarstellungsabend geht. Allerdings muß ich als Bewohner einer Großstadt mit entsprechendem kulturellen Angebot nicht aus Langeweile zu einer Lesung gehen, das mag in einem Dorf wie Hamburg anders sein. Die meisten Lesungen besuche ich eh in den wenigen Tagen nach den Iden des März.


    Was mich als Leser aber interessieren würde: Wie definierst du "erfolgreiche Lesung"?

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Klasse Kommentare, vielen Dank.


    Vor allem der Vorschlag des "Frisierens" eröffnet ungeahnte Möglichkeiten. Vielleicht variiere ich mein Buch und lese eine ganz andere Geschichte vor, so etwas würde mir gefallen ...


    Beowulf,
    bisher habe ich zwei Lesungen "absolviert", die eine in einer Sozialistenkaschemme in Hamburg vor hundert Leuten, das war lustig und originell; ich las eine mystische Episode vor und anschließend wurde ich von einem Guru gefragt, woher ich wisse, was ich da aufgeschrieben habe, denn es sei die Wahrheit. Ich fragte ihn, woher er das wisse und er antwortete, er wisse alles. Gekauft hat er aber nix.


    Das zweite Mal moderierte ich eine Lesung im Heinrich Heine Geburtshaus in Düsseldorf. Da spielte ein Pianist, der vorher alle Werke der Leser quergelesen hatte. Er hat die Vorleser wirklich toll musikalisch unterstützt. Allerdings waren höchstens zwanzig Zuhörer da.


    So, jetzt steht im April eine Lesung an und zwar in einem Kleinstadtcafé im Rahmen eines Büchermarktes und da muss ich mich optimal vorbereiten. Schließlich möchte ich vermeiden, dass den Damen die Kaffetasse aufs Tropfdeckchen knallt ...



    .... die bisherigen Tipps werde ich analysieren, ausschlachten, modifizieren und dann umsetzen. Nochmals vielen Dank!

  • Ausschließlich aus Lesersicht machen mir Lesungen Spaß und ich gehe mehr als freiwillig hin. Leider auf zu wenige, da das Angebot hier auf dem Land sehr dürftig ist. Ganau deswegen fahre ich wieder zwei Tage auf die Buchmesse, dann kann ich mein Lesungsbedürfnis zumindest wieder einige Zeit stillen :grin.


    Mit gefallen vor allem Lesungen, aus denen nicht nur gelesen wird, sondern der Autor auch was persönliches erzählt. Mit Ritas Schilderung könnte ich mich vollauf anfreunden. In der Hinsicht auf Fragen zu warten halte ich für gewagt. Mich interessieren durchaus Details aus dem Autorenleben, aber ich würde mich wahrscheinlich nicht danach zu fragen trauen. Außerdem kommen vielleicht in einer lockeren Plauderstunde mehr Fragen, als in einem steifen wortgetreuen Vorlesen.


    Ritas Traileranfang wäre übrigends sicher ein überraschender Einstieg. (@ Rita: Probiere es doch einfach mal aus! Begrüßen kannst du auch hinterher.) Allerdings muss sowas nicht zwingend sein, genauso wie Untermalung mit Musik, Schauspiel, Verköstigung ... Wenns passt ist das super, wenns gar nicht passt peinlich! Ausziehende Herren oder Damen - nö bitte nicht!!! - außer, es würde wieder zum Thema passen.


    Aber am allerwichtigsten ist sicher, dass es für dich ganz persönlich passt und dir Spaß macht. Dann kommt auch alles andere!

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Es kommt ja auch immer darauf an, was gelesen wird. Claudia Toman hat bei einem Buch ihre Lesung so gestartet, dass die Leser in Dunkel gesetzt wurden und sie mit einer Taschenlampe in der Hand hereinkam und (logischerweise auswendig!) den Anfang ihres Romans vortrug, indem eine Frau in eine Wohnung eingebrochen hat und diese mit Taschenlampe in der Hand durchsucht.

  • Zitat

    Original von beowulf
    Es kommt ja auch immer darauf an, was gelesen wird. Claudia Toman hat bei einem Buch ihre Lesung so gestartet, dass die Leser in Dunkel gesetzt wurden und sie mit einer Taschenlampe in der Hand hereinkam und (logischerweise auswendig!) den Anfang ihres Romans vortrug, indem eine Frau in eine Wohnung eingebrochen hat und diese mit Taschenlampe in der Hand durchsucht.


    Ja, tatsächlich. :grin Und das Auswendiglernen eines ganzen Kapitels war ganz schön irre.


    Ich hab viel probiert und so meine Schlüsse gezogen. Wenn es euch echt interessiert: Ich habe im Herbst beim Montségurtreffen in Oberursel einen Vortrag über Lesungsgestaltung und Lesungsdramaturgie gehalten. Dauert ein Dreiviertelstündchen, dafür erzähle ich da alles, was euch vielleicht interessieren kann. Wer mag, bekommt den Link zum Nachhören per pn.


    lg Claudia

  • Donnerwetter, was hier teils für ein Aufwand betrieben wird.
    Habe bislang nur einmal eine "Lesung" besucht, von einem südkoreanischen Pansori-Sänger. Der hat seinen Vortrag durch Fächer-Kunsstücke begleitet, und das fand ich schon ziemlich wild. Aber im Vergleich zu vielem, was man hier so liest...


    Reicht es heutzutage nicht mehr, einen guten Roman zu schreiben? Hat sich das Süskind-Modell nicht bewährt?


    beisswenger


    Du hast doch laut eigener Aussage vor Jahren den Existentialismus studiert. Hat dich Camus denn gar nicht inspiriert? Nicht zu weit im Voraus planen, einfach die Lesung geschehen lassen und jeden Moment maximal ausschöpfen. Wenn es nicht so laufen sollte, und dich ein paar Besucher verprügeln, auch diese Momente noch genießen. Wenn du dir dann denkst "Ist das alles absurd", - auch diesen intensiven, reichhaltigen Moment in vollen Zügen ausschöpfen.

    Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.
    - Wittgenstein -

  • Hallo, Nick.


    Zitat

    Schade, wie Du über Zuhörer denkst ...


    Ironiedetektor kaputt? ;-)


    Ich halte Lesungen einfach für eine schwierige Form von Bühnendarbietung, für etwas, das per se und in sich sehr begrenzt ist. Die Lesebühnen haben während der vergangenen Jahre zwar bewiesen, was man machen kann, aber eigentlich sind das keine Lesungen mehr, was die Entertainer da tun. Standard ist, dass ein Autor sein aktuelles Buch vorstellt. Autoren sind aber vor allem deshalb Autoren, weil man sie in den meisten Fällen besser nicht auf eine Bühne setzen sollte. Und das Publikum bei Lesungen ist erstens tatsächlich oft sehr klein (mengenmäßig) und zweitens genau so zusammengesetzt, wie ich das geschildert habe. Das heißt nicht, dass man nicht versuchen kann, eine Lesung zum Event zu machen, aber dabei kann man sich auch böse verheben.


    All das bedeutet auch nicht, dass ich Lesungen nicht mag oder das Publikum geringschätze. Ganz im Gegenteil empfinde ich den Besuch einer Lesung schon als besonderes Maß an gutem Willen. Deshalb versuche ich meistens auch, wirklich mein Bestes zu geben. Aber es bleibt: Eine Lesung. Kein Kasperletheater, keine Comedy, kein Superstarcasting. Das muss man einfach anerkennen - und damit umgehen. Darauf wollte ich hinaus. :wave

  • Zitat

    Original von Tom
    Autoren sind aber vor allem deshalb Autoren, weil man sie in den meisten Fällen besser nicht auf eine Bühne setzen sollte.


    Leider muß ich Tom Recht geben, ich werde ab und an von Freundinnen zu Lesungen mitgeschleppt, zu 75% sind sie ermüdend.


    Ich glaube, wenn man sich als Autor nicht vor Publikum zeigen mag (was ich durchaus nachvollziehen kann), dann merkt das Publikum diesen Krampf nach dem ersten Satz und ist gelangweilt.


    Es ist im Prinzip wie im wahren Leben: einigen Menschen hört man auch bei längeren Monologen gerne zu, weil sie unterhaltsam sind oder man selber dies in diesem Moment so empfindet, die meisten gehen uns aber einfach nur auf die Nerven, wenn wir zuhören sollen.


    Warum gehe ich dann trotzdem hin? - manchmal gibts für 5 Euro tolle Unterhaltung, auch die Umgebung ist manchmal sehenswert (zB Krimilesung im Teemuseum) oder es gibt eine tolle Verpflegung zB literarische Weinprobe für 15 Euro - Prosecco zum Empfang, vor der ersten Lesung ein Glas Wein, in der ersten und zweiten Pause jeweils noch ein Glas, jeder "Gang" jeweils mit launigen Erklärungen eines Weinhändlers, dazu Käseplatte, Brot und Mineralwasser soviel man mag - tja, kann man mal machen :appetit und manchmal ist der Autor auch eine Entdeckung, andernfalls trinkt man ihn sich gut.

  • Zitat

    Nicht zu weit im Voraus planen, einfach die Lesung geschehen lassen und jeden Moment maximal ausschöpfen. Wenn es nicht so laufen sollte, und dich ein paar Besucher verprügeln, auch diese Momente noch genießen. Wenn du dir dann denkst "Ist das alles absurd", - auch diesen intensiven, reichhaltigen Moment in vollen Zügen ausschöpfen.


    Lieber Voland,
    ja, das ist die eine Seite und so werde ich es auch machen. Die andere Seite ist mein Drang, von anderen zu lernen, um mich ständig zu verbessern (Kaizen - fast 20 Jahre in einem japanischen Unternehmen hinterlassen zwangsläufig Spuren im Charakter). Und ich finde, wenn ich schon eine Lesung mache, dann haben es die Zuhörer auch verdient, dass ich mein Bestes gebe (Ironiedetektor ausgeschaltet).


    Und deshalb bedanke ich mich für die Supertipps und für den link, liebe Kollegin Claudia.