19:01 Stunden
ungekürzte Lesung
Sprecher: Aya Cash, Tovah Feldshuh, Jessica Hecht, Heather Lind
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Zur Autorin (von Amazon)
Alice Hoffman, geboren 1952 in New York, aufgewachsen auf Long Island. Studium in Stanford. Sie wurde von "Entertainment Weekly" in die Liste der "100 kreativsten Persönlichkeiten der Unterhaltungsbranche" aufgenommen; ihre Romane standen auf den amerikanischen Bestsellerlisten. Heute lebt die Autorin der Nähe von Boston.
Zum Inhalt
Im Jahr 70 n. Chr. hielten rund 900 Juden Masada monatelang in der Judäischen Wüste der Belagerung durch römische Truppen stand. Ihr Schicksal wurde durch Berichte des jüdisch-römischen Geschichtsschreibers Josephus überliefert. (Steht in der englischen Inhaltsangabe und auch bei Wikipedia - verrät allerdings das Ende des Buchs.)
Basierend auf den überlieferten Ereignissen erzählt Alice Hoffman eine fesselnde Geschichte über vier Frauen, jede von ihnen außergewöhlich, mutig, erfindungsreich und einfühlsam und aus unterschiedlichen Richtungen nach Masada gekommen.
Yaels Mutter starb bei ihrer Geburt, ihr Vater vergab ihr den Tod nie. Revka, Frau des Dorfbäckers, musste zuschauen, wie römische Soldaten ihre Tochter brutal ermorden. Sie bringt ihre beiden Enkel mit nach Masada. Aziza ist die Tochter eines Kriegers und wuchs als Junge auf. Shirah kennt sich mit alter Magie und Medizin aus. Die Lebenswege dieser vier Frauen kreuzen sich während der Belagerung. Alle vier kümmern sich um die Tauben (dove keepers) in Masada und haben Geheimnisse - wer sie wirklich sind, wer sie zeugte und wen sie lieben.
Meine Meinung
Alice Hoffmans neustes Buch ist so ungewöhnlich wie beeindruckend. Aus der Perspektive von vier sehr unterschiedlichen Frauen erzählt sie vom Leben in Israel vor rund 2000 Jahren, vor und während der Belagerung der Festung von Masada. Basierend auf den überlieferten historischen Informationen webt sie einen bunten Teppich, dessen Figuren nie ganz schwarz oder weiß sind, sondern schillernd bunt und keine von ihnen blass.
Im Taubenschlag der Festung treffen Yael, Shirah, Aziza und Revka aufeinander, zuständig für das Wohlergehen der Tauben, deren Dung für das Überleben in der Wüste immens wichtig ist. Jeder der Frauen erzählt in einem eigenen Abschnitt von ihrem Lebensweg vor der Ankunft in Masada und von ihrem Leben dort. Die einzelnen Abschnitte schließen chronologisch aneinander an, so dass die Leser von Anfang an in Masada dabei sind, einige Ereignisse jedoch aus unterschiedlichen Perspektiven miterleben.
In jener Zeit versuchte Rom, ganz Israel zu erobern, die Lage in Masada erinnerte mich ein wenig an ein berühmtes gallisches Dorf, denn auch hier versuchen sich die Bewohner gegen die Besatzer zur Wehr zu setzen und ihre eigene alte Kultur zu erhalten. Insbesondere wenn es um den religiösen Glauben geht, werden durch die Haupt- und Nebenfiguren die unterschiedlichsten Strömungen geschildert, verschiedene Richtungen des Judentums, u.a. eine Gruppe Essener, das noch neue Christentum sowie verschiedene ältere Glaubensrichtungen der Israelis und Römer und der weit verbreitete und schillernde Aberglaube.
Der Alltag der Bevölkerung zu jener Zeit, die großen Unterschiede zwischen Männern und Frauen, Traditionen, die historischen Stätten und das Zusammenspiel der verschiedenen Gesellschaftsgruppen werden so lebendig dargestellt, dass ich beim Hören die Figuren und ihre Umgebung vor meinem inneren Auge sehen konnte.
Im Mittelpunkt stehen jedoch weniger die historischen Aspekte als das Leben der vier Frauen, Mütter, Töchter, Schwestern, das sich einerseits natürlich sehr vom Leben heutiger Frauen unterscheidet, in mancher Hinsicht jedoch sehr ähnlich ist. Erwartungen, Wünsche und Träume, selbst und von anderen getroffene Entscheidungen, zugewiesene Aufgaben und Geheimnisse, all dies ist der Stoff der sehr komplexen Handlung, in der natürlich auch die Liebe nicht fehlen darf. All dies in einer weitaus religiöseren Gesellschaft als unserer heutigen; starke Frauen, die sich nicht immer an die üblichen Konventionen halten wollen, die versuchen in jener schwierigen Zeit ihren Weg zu gehen, gemeinsam mit ihren Angehörigen zu überleben. Gleichzeitig sind alle vier auch Kinder ihrer Zeit, deren Verhalten auf mich nicht unzeitgemäß wirkte.
"The Dovekeepers" ist ein sowohl emotional und auch sprachlich anspruchsvolles Buch, das mich an einigen Stellen innehalten ließ mit der Frage, wie ich selbst gehandelt hätte und angesichts der harten Schicksale mehr als einmal schlucken ließ.
Alle vier Sprecherinnen verstehen es gekonnt, ihrer jeweiligen Figur Leben einzuhauchen, mir das Gefühl zu geben, den vier Hauptfiguren selbst zuzuhören, wie sie aus ihrem Leben erzählen und sich immer wieder zwischen Herz und Kopf entscheiden müssen.
Fazit
Ein außergewöhnliches Buch, das mir einen bisher unbekannten Abschnitt der israelischen Geschichte auf sehr eindrückliche Weise vermittelte, mit ernstem Ton. Die vier lebendig gezeichneten Hauptfiguren ließen mich an ihrem Leben teilhaben und ich begleitete sie gerne durch diese schwierige und ferne Zeit. Kopfkino vom Feinsten, nicht nur dank der vier perfekt gewählten Sprecherinnen, sondern auch dank Alice Hoffmans Erzähltalent und den zahlreichen kleinen Details über das Leben in jener Zeit in Masada und im restlichen Israel.
Ich hoffe, dass es bald eine deutsche Übersetzung geben wird, denn diesem Buch wünsche ich auch hier viele Leser.
Edit: Tausche F gegen N