"Der Hai von Shinjuku: Rache auf chinesisch" von Arimasa Osawa
Verlag: Cass Verlag
ISBN: 3980902234
Seitenzahl: 321
Übersetzerin: Katja Busson
Über den Schrifsteller:
Arimasa Osawa, Jahrgang 1956, ist ein über Japans Grenzen hinaus bekannter Schriftsteller, der sich nicht nur dem Kriminalroman verschrieben hat, sondern auch Veröffentlichungen in den Genres Horror und Science Fiction aufzuweisen hat.
"Der Hai von Shinjuku: Rache auf chinesisch" ist der zweite Band einer Serie um den Kommissar Samejima, von der bisher lediglich zwei Bände in deutscher Übersetzung vorliegen.
Für seine Romane ist Arimasa Osawa bislang mit dem Yoshikawa-Eiji-Preis für junge Autoren und dem Preis des Verbandes der japanischen Kriminalschriftsteller ausgezeichnet worden.
Über den Inhalt:
Kommissar Samejima, Mitte dreißig, eingesetzt in Tokyos kriminellstem Bezirk Shinjuku und ein Mann mit Prinzipien, kommt während einer nächtlichen Observierung einer Spielhölle auf die Spur eines taiwanesischen Profikillers, dessen anvisiertes Opfer ein Yakuzachef ist. Samejima, der bei seinen eigenen Leuten und als auch bei der Yakuza nicht den besten Ruf genießt,
will ein Blutvergießen verhindern.
Meine Meinung:
"Der Hai von Shinjuku: Rache auf chinesisch" ist bereits der zweite Band der bereits neun Bände umfassenden Serie um den Kommissar Samejima, der in Tokyos härtestem Bezirk unterwegs ist.
Samejima, mit Mitte dreißig bereits im Karriereaus, ist ein Polizist wie es ihn unter seinen Kollegen nur noch selten zu finden gibt: ein Mann, der die Berufsehre hochhält, sich mit der Yakuza anlegt und mit Prinzipien, die ihn seine Karriere gekostet haben. Der unter seinen Kollegen nur wenig beliebte Polizist versieht nunmehr Streifendienst und darf sich mit Kleinkriminellen herumschlagen, die mit Toluol und Amphetaminen handeln und sie auch selbst konsumieren.
Arimasa Osawa, der bekennender Anhänger des amerikanischen hard-boiled Krimis ist, zeichnet in "Rache auf chinesisch" ein sozialkritisches Bild abseits vom Glamour einer konsumorientierten Gesellschaft in Zeiten wirtschaftlicher Instabilität, in denen die Verlierer ihren Trost mit billigsten Drogen betäuben. Während Samejima sich noch mit den Dealern herumschlägt, ahnt der Leser bereits, dass auf den ambitionierten Kommissar höhere Aufgaben warten.
Während einer nächtlichen Observierung beobachtet Samejima eine Auseinandersetzung zwischen dem taiwanesischen Profikiller Duyuan und dessen Opfer Guo Rongmin, der sich später als taiwanesischer Kommissar zu erkennen gibt.
Duyuan, genannt auch der Affe und motivgebend für ein Cover, das in besonderem Maße eigenwillig aus der Masse heraussticht, und Guo Rongmin verbindet eine gemeinsame Vergangenheit: Beide ließen sich bei der taiwanesischen Marine zu Elitekämpfern ausbilden, doch dann trennten sich ihre Wege und stehen sich nun in Tokyo als Gegner gegenüber:
Duyuan, der eine Rechnung mit einem taiwanesischen Bandenchef begleichen will und Guo, der ihn daran hindern will.
Arimasa Osawa versteht es brilliant, die Lebenswege der beiden Gegenspieler zu schildern und trotz der unterschiedlichen Entwicklungen den verbleibenden Respekt für einander zu beschreiben.
Nachdem Guo Samejima bittet, ihm bei der Festnahme von Duyuan behilflich zu sein, sagt dieser bereitwillig zu, da er den Kampf gegen die Yakuza immer noch nicht aufgegeben hat und in Guo einen Polizisten sieht, der die gleichen Ideale wie er vertritt.
Überhaupt geht es in diesem Roman, der anders als viele andere seines Genres ist, um Verbündete.
Duyuan, der kaum japanisch spricht, nach Japan illegal eingereist ist und einen Job in einer Nachtbar annimmt, findet in dem Barmädchen Nami eine Verbündete. Als Tochter eines Chinesen und einer Japanerin, die zunächst in China aufwächst und im Schulalter nach Japan kommt, sieht sich Nami von Anfang an den Vorurteilen ihrer Mitschülerinnen ausgesetzt und spürt später deutlich die Verachtung einer Gesellschaft, die sich im Umgang mit Ausländern schwertut. Nach einigen komplizierten Beziehungen und zahlreichen Demütigungen durch ihre wechselnden Arbeitgeber
findet das Barmädchen in Duyuan zum ersten Mal einen Menschen, mit dem sie nicht nur die gleiche Sprache spricht, sondern jemand, der sie achtet.
Am Ende dieses Romans webt Arimasa Osawa geschickt die Fäden um den Kommissar Samejima, dessen Name Haifischinsel bedeutet und der im Milieu nur der Hai genannt wird, die Unternehmungen der Yakuza und den Motiven des Affen zusammen und spart auch Gewaltszenen, dort wo sie nötig sind, nicht aus. "Rache auf chinesisch" ist jedoch mehr als ein Kriminalroman, der einen Profikiller in den Mittelpunkt stellt und das Treiben der Yakuza, die den japanischen Alltag bestimmen, beobachtet; es ist die Bestandsaufnahme eines Staates, der die Unterwelt gewähren lässt und Anklage erhebt, wie der Inselstaat mit dem Einzelnen umgeht.
Mit Sicherheit hat Arimasa Osawa nicht den großen Japanroman abgeliefert, lesenwert ist er jedoch allemal.
Dem auf japanische Literatur spezialisierten Cass Verlag ist zu danken, dass zwischen Manga-Mania und Kirschblütenkitsch die Romane von Arimasa Osawa eine Chance erhalten. Bitte mehr davon.
Edit: Fehler berichtigt.