Mit Rollator auf Verbrecherjagd
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll; so sehr hat mir dieses Krimi-Debüt der Übersetzerin und Autorin Marlies Ferber gefallen! Denn sicher ist es eine Sache, als Erstling einen „lustigen Krimi“ zu veröffentlichen, wie es derzeit gerade Mode ist. Eine völlig andere Sache ist es jedoch, glaubhafte Charaktere mit einer unterhaltsamen Story und vielen, liebevollen Referenzen an große Krimi-Vorbilder so zu verquicken, dass ein eigenes, aber durch und durch glaubwürdiges „Produkt“ entsteht.
In diesem Buch fließen Reminiszenzen an James Bond und Miss Marple gekonnt zusammen, sowohl was „Setting“ und Handlung, als auch was die handelnden Personen betrifft. Hauptpersonen sind erstens James Gerald, pensionierter Geheimdienstagent in den 70ern, und seine Freundin, Nachbarin und ehemalige Kollegin Sheila Humphreys (ihrerseits auch schon 69 Jahre alt). Ein ungutes Bauchgefühl treibt James mitsamt seinem Spezial-Rollator (!) in die Seniorenresidenz „Eaglehurst“ in Hastings an der Südküste Englands. Sein ehemals bester Freund ist in der besagten Seniorenresidenz plötzlich verstorben, und James mag an die Harmlosigkeit des Vorfalls einfach nicht glauben. Sheila wettert per Telefon anfangs noch gegen James’ Entschluss, sich im Heim niederzulassen – doch einige unerklärliche, weitere Todesfälle später reist auch sie an, um gemeinsam mit James der Sache auf den Grund zu gehen…
Die Handlung mag ich gar nicht weiter zerpflücken. Es würde dem Buch und seinem ganz eigenen, herzallerliebsten Witz auch gar nicht gut tun, dem Leser alles vorweg zu nehmen. Ganz wie bei Miss Marple & Co. ergibt sich jede neue Situation, jede neue Verwicklung aus einem scheinbar winzigen Detail heraus. Auch von scheinbaren Vergiftungen und Überfällen auf der Straße lassen sich James und Sheila nicht beirren! Mit Charme (Sheila) und knochentrockenem Witz (James) begegnen sie so mancher Situation, und das ist mehrfach wirklich urkomisch!
Besonders herrlich fand ich die Veralberung, bzw. Bezugnahme auf den Technik-Spleen des „echten“ James Bond. James ist eine wahre Fundgrube an hochmodernen Ermittlungstechniken, und jongliert mit Apparaturen, bei denen man als Leser nur noch mit den Ohren schlackert. Und das mit 70! Und letztlich sind es genau diese Dinge, die der Aktion ihren Erfolg einbringen.
Sheila wird angenehm als Begleitfigur aufgebaut, nicht zu dominant, eher wie eine „würzende Beigabe“. Mit ihren 69 Jahren wirkt sie doch viel jünger, immer noch attraktiv, charmant, und ihren Minirock (!) schwingend. Ein wunderbar skurriles Paar, das sich die Autorin hier ausgedacht hat! Auf die zahlreichen „literarischen Verneigungen“ vor weiteren Kriminalfiguren, geschickt in der Handlung versteckt, möchte ich nur am Rande hinweisen. Krimi-Leser werden schon allein am Herauspicken dieser Details ihre helle Freude haben!
Ich habe ungern im (wiederum herrlich schrägen) Prolog von den Figuren Abschied genommen. Ganz wie in einem dieser alten Schwarzweiß-Filme mit Margaret Rutherford, bleibt man am Ende verblüfft, aber auch wieder befriedigt zurück. Es geht weniger darum, ob man den Täter selber auch erraten hätte – mir wäre dies z.B. nicht gelungen. Es geht vielmehr darum, den Leser glänzend zu unterhalten, und sich vor literarischen Vorbildern zu verbeugen. Beides ist der Autorin hervorragend gelungen. Bitte mehr davon!