Originaltitel: Kommer aldrig mer igen (2011)
Heyne Verlag 2012, 349 S.
Über den Inhalt:
Als Ylva ihr Büro verlässt, ahnt sie nicht, dass sich ihr Leben in Kürze für immer verändern wird. Sie verabschiedet sich von ihren Kollegen, wünscht allen einen schönen Abend und macht sich auf den Heimweg. Nach wenigen Minuten hält ein Auto neben ihr. Alte Bekannte, wie es scheint. Sie bieten Ylva an, sie ein Stück mitzunehmen. Ylva fühlt sich unbehaglich, doch sie will nicht unhöflich sein, nimmt das Angebot an und steigt ein. Eine Entscheidung, die sie für immer bereuen wird.
Über den Autor:
Hans Koppel wurde 1964 in Helsingborg geboren. Er hat lange als Journalist gearbeitet, bevor er sich gänzlich dem Schreiben zuwandte. Hans Koppel lebt heute mit seiner Frau und seiner Tochter in Stockholm.
Meine Meinung:
In diesem Fall ist das Pseudonym sehr zu begrüßen, denn Hans Koppel schreibt unter seinem richtigen Namen Petter Lidbeck Kinderbücher. Und Kinder sollten dieses Buch wirklich nicht in die Hände bekommen. Die Misshandlungsszenen sind für meinen Geschmack unnötig ausführlich und plastisch geschildert.
Als Ylva Zetterberg eines Abends nicht von der Arbeit nach Hause kommt, ahnt ihr Ehemann Mike noch nicht, welcher Alptraum auf ihn zukommen wird. Denn Ylva wurde entführt. Mike meldet seine Frau schließlich bei der Polizei als vermisst, die daraufhin glaubt, er hätte etwas mit ihrem Verschwinden zu tun. Niemand kommt auf den Gedanken, dass Ylva noch am Leben ist, dass sie nur einen Steinwurf von ihrem Zuhause entfernt gefangen gehalten wird.
Koppel teilt seinen Roman in „wissenschaftliche“ Abschnitte ein, nach einer Methode, nach der Täter vorgehen, um ihre Opfer zu unterdrücken. Dadurch entsteht ein beklemmendes Gefühl beim Lesen, das vermutlich Realitätsnähe vermitteln soll. Die jedoch lässt das Buch in einigen Passagen vermissen. Manches habe ich auch als extrem störend empfunden: das ungeheuer engstirnige, inkompetente Vorgehen der stupiden Polizisten zum Beispiel, das fast schon an Parodie grenzt, ginge es nicht um ein so ernstes Thema. Die ausführlichen Beschreibungen darüber, auf welche Weise Ylva von ihren Entführern gedemütigt, erniedrigt und sexuell misshandelt wird, sind nichts für zarte Gemüter und haben in diesem Roman für meinen Geschmack zuviel Raum erhalten.
Auf der einen Seite habe ich einen recht simpel aufgebauten Roman mit einigen Schwachstellen in der schnell durchschaubaren Handlung und oberflächlichen, schwach gezeichneten Charakteren gelesen. Es gibt nur wenig Wendungen oder Überraschungen, wobei eine gewisse Spannung durchaus vorhanden ist, weil der Ausgang bis zum Schluss ungewiss bleibt. Die Auflösung ist plausibel, auch wenn die Frage, warum die Täter sich so lange Zeit gelassen haben, bis sie ihren Racheplan in die Tat umsetzen, nicht zufriedenstellend beantwortet wird.
Interessanter als die mäßig spannende Handlung fand ich die psychologische Seite, hier kann der Autor durchaus mit Tiefgang überraschen. Das Thema Verlust und der Umgang damit ziehen sich als roter Faden durch die Geschichte: der Verlust der persönlichen Freiheit und Würde, der Verlust eines Menschen durch den Tod, der Verlust des Vertrauens durch Betrug, der Verlust, den ein Kind erfährt, wenn es plötzlich mutterlos wird.
Sehr missfallen hat mir die häufige Erwähnung von Ylvas früherer Untreue ihrem Ehemann gegenüber. Das ist als subtiler Unterton gegenwärtig, lenkt die Aufmerksamkeit ständig auf Ylvas sexuelle Vergangenheit und suggeriert, dass das Opfer nicht unschuldig an seiner Situation ist.
Das Thema Kidnapping wirft immer eine Menge psychologischer und moralischer Fragen über die Täter-Opfer-Beziehung auf. So liegt der wahre Schrecken der Geschichte in Ylvas Akzeptanz ihrer unerträglichen Situation trotz der unvorstellbaren Brutalität ihrer alltäglichen Realität ebenso wie in Mikes Umgang mit ihrem Verschwindens, der als so leicht wirkender Übergang von Verlust und Tragödie in einen normalen Alltag erscheint.
Alles in allem ein Buch, das ich schnell durchgelesen hatte, wobei die entwürdigenden Szenen der sexuellen Erniedrigung und brutalen Behandlung Ylvas schwer zu ertragen sind. Hier wurde der Bogen aus meiner Sicht deutlich überspannt.