Herman Koch - Sommerhaus mit Swimmingpool

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    Diesem Hausarzt ist nichts heilig, auch nicht seine Familie - der neue Roman von Herman Koch. Marc Schlosser ist Hausarzt in Amsterdam. Als einer seiner Patienten, der berühmte Schauspieler Ralph Meier, stirbt, muss er sich wegen eines möglichen Kunstfehlers vor der Ärztekammer verantworten. Doch war es wirklich ein Kunstfehler? Oder hat das alles vielleicht mit den Geschehnissen im Ferienhaus zu tun, in dem beide Familien den letzten Sommer verbrachten? Zwei heranwachsende Töchter hat Marc Schlosser, Lisa und Julia. Und eine attraktive Frau, Caroline. Als sein Patient Ralph Meier, selbst verheiratet und Vater zweier jugendlicher Söhne, ihn und seine Familie einlädt, sie im Sommer ein paar Tage in ihrem Ferienhaus in Frankreich zu besuchen, klingt das zunächst wie eine gute Idee. Erst jetzt, nach Ralphs Tod, anderthalb Jahre nach den gemeinsamen Urlaubstagen, treten die Verwerfungen zwischen den beiden Familien allmählich zu Tage, und der Leser fiebert atemlos jeder weiteren Enthüllung entgegen. "Sommerhaus mit Swimmingpool" ist ein hochspannendes, meisterlich konstruiertes Familiendrama, in dem Vaterinstinkte, sexuelle Macht und Heuchelei eine große Rolle spielen. Mit scharfem Witz und genialer Beobachtungsgabe legt Koch gesellschaftliche und familiäre Risse bloß und erschafft mit Marc Schlosser den wohl abgründigsten Hausarzt der jüngeren Literatur.




    Meine Meinung:

    Wenn man den Beginn von „Sommerhaus mit Swimmingpool“ von Herman Koch liest, dann kann man sich nicht wirklich vorstellen in welche Richtung die Geschichte gehen wird und schon gar nicht welche Ausmaße sie haben wird.
    Es beginnt zunächst mit sehr detaillierten Beschreibungen über die Tätigkeiten des niederländischen Arztes Marc Schlosser. Das wurde dann so realistisch beschrieben, dass mir kurzzeitig nicht nur schlecht wurde, sondern mir auch besagte Stellen am Körper selbst wehtaten.
    Ich war also sehr skeptisch, ob mir das Buch überhaupt zusagen würde.
    Dann beginnt mit dem Frankreichurlaub der Familie die eigentliche Handlung. Passend zum Titel zieht es Schlossers Familie zu einem Sommerhaus mit Swimmingpool. Nicht nur bei dem Titel, auch bei der jetzt geschilderten Handlung kam bei mir eine richtige Urlaubsstimmung auf. Koch kann nicht nur realistisch erzählen, er schafft es auch, dass der Leser sich selbst als ein Teil der Handlung fühlt, so gefangen ist man in der Geschichte.
    Und dann kam der Bruch dieser Idylle, der bis dahin größtenteils harmlosen, aber doch berührenden Handlung.
    Dieser Bruch wird so klar wie alles andere zuvor geschildert mit einer gewissen Nüchternheit, die einen abstößt aber auch fasziniert – fasziniert in dem Sinn, dass man einfach weiterlesen muss, das Warum erfahren will, wissen will wie es nun weitergeht, was nun passiert. Dieser Zwiespalt zog sich aber bei mir durch das gesamte Buch. Ich wusste einfach nicht was ich von „Sommerhaus mit Swimmingpool“ halten sollte. Liest man nur Titel und Inhaltsverzeichnis, bekommt man eine komplett falsche Vorstellung was auf einen zukommen wird und wird dann natürlich auch komplett von den Ereignissen überrollt. Und das ist auch gut so, da dadurch die ganze Tragweite der Ereignisse und die Härte dieses Bruches erst richtig zum Tragen kommen. Es macht betroffen und stößt zugleich ab. Aber es hat einen Sog von solch einer unglaublichen Kraft, dem man sich nicht entziehen kann.
    Die Personen betreffend, insbesondere Marc Schlosser, war ich ebenfalls sehr zwiegespalten. Ich konnte mit keiner richtig sympathisieren, aber auch keine verabscheuen, zumindest bis zur Auflösung der Geschichte. Marc, einerseits scheinbar eiskalt, andererseits (meistens) mit einem Herz für Tiere, polarisierte bei mir dann sehr. Als Hauptprotagonist zieht man ja meist die Sympathien der Leser auf sich, damit der Leser dann auch mit der Hauptfigur fühlen und sich in sie hineinversetzen kann. Bei Marc war das aber etwas anderes. Am Anfang fand ich ihn einfach nur selbstgerecht, egoistisch und gleichgültig. Das änderte sich dann aber mit der Zeit, als er zeigte, dass er nicht dieses gefühlskalte Etwas ist. Aber richtig warmwerden oder gar sympathisieren konnte ich nicht mit ihm.
    Sprachlich brilliert das Buch dann mit einer äußerst klaren Sprache, die alles nüchtern auf den Punkt bringt, die Emotionen aber nicht zu kurz kommen lässt.
    Für mich ist „Sommerhaus mir Swimmingpool“ ein Hammer von einem Buch. Ein gewaltiges Buch. Ein Buch, das einen nicht nur tief im Strudel der Gefühle und Ereignisse gefangen nimmt, sondern auch regelrecht erschlagen zurücklässt. Ein Buch, das man nicht wirklich in Worte fassen kann. Ich habe es aber zumindest versucht.


    Lesenswert.


    5 von 5 Sternen!

  • garstig, abgründig - aber genial
    Marc Schlosser ist einer der unsympatischen Zeitgenossen - und das als Arzt. Aus seiner Sicht erzählt er die Geschichte. Eine Geschichte voller Abgründigkeiten und voller Selbstbetrug, da ja subjektiv. Schlosser macht keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen seine Patienten und sonstigen Zeitgenossen. Trotzdem wird Schlosser während seiner eigenen Geschichte zum tragischen Held und das lässt das Buch sich anders entwickeln, als man zunächst denkt.
    Wer gerne über menschliche Abgründe und schockierende Bekenntnisse liest und trotzdem Krimielemente, aber auch Dramatik in Kombination mag, der liegt mit diesem Roman genau richtig. Einmal angelesen, kann man das Buch wirklich kaum aus der Hand legen.
    Deshalb gebe ich volle Punktzahl und werde als nächstes den Vorgänger "Angerichtet" lesen.

  • Ich habe das Buch gerade beendet und bin noch etwas dabei meine Gefühle zu sortieren. Wir haben es hier wieder mit einem Protagonisten zu tun, der wirklich alles andere als sympathisch ist, dessen Geschichte man aber nichts desto trotz gespannt verfolgt. Marc Schlosser ist der Hausarzt wie man ihn als Patient befürchtet. Er ist ein Zyniker und er hat einen scheinheiligen Charakter. Er hat bei Untersuchungen seltsame Gedanken zu seinen Patienten und speziell zu deren Körpern, ja er ekelt sich regelrecht vor ihnen und tut alles Mögliche um genaue Untersuchungen die das freimachen jeglicher Körperstellen erfordern zu vermeiden. Dabei spielt er immer den Aufmerksamen, Verständnisvollen. Außerdem sieht er sich als eine Bastion. Hausärzte haben in erster Linie die Aufgabe, die Patienten von den Spezialisten abzuhalten, sonst bricht nämlich das System zusammen. Mag ja sein, dass das sogar stimmt, aber es ist aus Patientensicht wirklich nicht gerade beruhigend das zu lesen (auch wenn es nicht in Deutschland spielt). Man wird nach dem Genuss dieses Buch möglicherweise ein anderes Bild von seinem Hausarzt haben. Ich hoffe aber nicht, zumindest vertraue ich meinem immer noch voll und ganz.


    Der Autor gibt dem Leser immer wieder verschiedene Hinweise, was die Hintergründe für Marcs "Kunstfehler" gewesen sein könnte, den ich im Übrigen wirklich als geradezu diabolisch durchdacht ansehe. Manche gehen in die richtige Richtung, andere dienen lediglich als Verwirrung. Als man dann endlich weiß, was passiert ist, geht das Rätselraten aber weiter. Was ist denn nun genau passiert? Hat Marc wirklich die richtige Schlussfolgerung gezogen? Wie soll man damit umgehen? Was sind das eigentlich für Leute um ihn herum, die im Urlaub dabei waren? Nach und nach erhält man Einblick in diese Aspekte, in diese Figuren. Ich hab heute allein 250 Seiten am Stück durchgelesen. Soviel zum Thema „Zugkraft“ der Geschichte.


    Nebenbei hab ich auch ein paar Dinge über die Niederlande aufgeschnappt, die ich vorher noch nicht wusste, wie z.B. die extrem hohe Säuglingssterblichkeit, die Erdgasvorkommen oder dass es das erste Land war, in dem aktive Sterbehilfe gesetzlich erlaubt wurde.


    Fazit: Mich hat dieser Roman wieder tief beeindruckt. Er geht an die Substanz, er bietet Diskussionspotential ohne Ende, denn es werden einige brisante Thesen aufgestellt denen man vielleicht spontan von Herzen zustimmen möchte, die einem in ihrer Konsequenz aber auch Angst machen.
    Volle Punktzahl kann ich aber trotzdem nicht geben. Irgendwie muss ich meine Abneigung gegen 90% der Figuren ja ausdrücken. ;-)
    9 von 10 Punkten.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Ich bin im Augenblick etwas übersättigt von "Genre-Büchern", deshalb habe ich eher durch Zufall (=Glücksfall) zu diesem Buch gegriffen, das es inzwischen auch als Taschenbuch gibt. Gestern Mittag angefangen und nicht mehr aus der Hand gelegt. Das ist mir in den letzten Monaten sehr selten passiert. Ich gebe zu, ich bin abgestoßen von den handelnden Personen, und zwar durchweg, ganz besonders natürlich vom Helden, dem zynischen Hausarzt Marc Schlosser. Was er für Gedanken bei der Behandlung seiner Patienten hat, ist unerhört und furchterregend. Aber man kann einfach nicht mehr aufhören zu lesen, weil es mal was ganz anderes ist: Eine eigene, kraftvolle Sprache, ein Plot, der nicht zu durchschauen ist. Und Personen, die für sich genommen absolut logisch, wenn auch moralisch verwerflich handeln. Besonders hat mir die handwerkliche Präzision gefallen: Da wird dem Leser zugetraut mitzudenken: wenn der Held lügt, dann muss er das dem Leser in seiner Gedankenwelt nicht vorkauen, er tut es einfach, und wir wissen, warum. Klasse.


    Das Lesepublikum ist ja zwiegespalten - sicher ist dies kein Buch für Romantiker.


    Aber ich spreche eine unbedingte Lese- und Diskutierempfehlung aus!


    10 Punkte.