Kurzbeschreibung
"Ich glaubte mal an Joschka Fischer, Alice Schwarzer und Jan Ullrich. An den aufrechten Grünen, die kämpferische Feministin und den ehrlichen Sportler. Dann kamen der Beratervertrag, die Bildzeitung und die Blutwäsche. Und ich fragte mich, ob es besser wäre, an nichts mehr zu glauben. Aber geht das: ein Leben ohne Ideale?"
Über den Autor
Julia Friedrichs, geboren 1979, studierte Journalistik in Dortmund. Heute arbeitet sie als freie Autorin von Fernsehreportagen und Magazin bei trägen, u. a. für die WDR-Redaktionen »Monitor«, »die story« und »Aktuelle Dokumentation«. Für eine Sozialreportage wurde sie 2007 mit dem Axel-Springer-Preis für junge Journalisten und dem Ludwig Erhard-Förderpreis ausgezeichnet. Julia Friedrichs lebt in Berlin. Bei Hoffmann und Campe veröffentlichte sie den Bestseller »Gestatten: Elite. Auf den Spuren der Mächtigen von morgen« (2008) und »Deutschland dritter Klasse. Leben in der Unterschicht« (mit Eva Müller und Boris Baumholt, 2009).
Meine Meinung:
Ich hatte große Erwartungen an dieses Buch von Julia Friedrichs und keine dieser Erwartungen wurde erfüllt, abgesehen, von einer, die ich eigentlich eher im negativen Sinn hatte. Ich hatte mit etwas trockenem und schwierig zu lesendem Stoff gerechnet und dies ist das Buch nun wirklich nicht.
Es ist angenehm geschrieben, der Stil leicht verständlich und man hat die wenigen Seiten rasch hinter sich gebracht. Leider führt das aber auch dazu, daß man die Autorin irgendwie nicht ganz ernst nimmt. Sie wirkt naiv und kindlich, ihre Sprache ist immer noch die einer Jugendlichen, was ja nicht gänzlich schlecht, hier aber leider wenig stimmig ist. Das auf dem Umschlag aufgebrachte trotzige Bild der Autorin führte dazu, daß ich mir leicht schmunzelnd vorstellte, wie sie in den Gesprächen, immer dann, wenn sie nicht die Antworten bekam, die sie haben wollte trotzig mit dem Fuß aufstampfte. Keine gute Voraussetzung, um als Journalistin und Autorin ernst genommen zu werden.
Grundsätzlich hat mir das Buch einige nachdenkenswerte Überlegungen geliefert, hat meine Gedanken in eine neue Richtung gelenkt, hat mich aber auch immer wieder über Naivität und Trotzreaktionen der Autorin schmunzeln lassen. Die Gespräche mit den Menschen, die für sie ihre Ideale verraten haben waren für mich durchweg zu stark von den Ansichten der Autorin gefärbt, sei es offensichtliche Verehrung für Schröder oder Wut auf all diejenigen, die ihr nicht antworten wollten, was sie zu hören erwartete. Es wirkt einfach wenig seriös, leider.
Ihre Schreibweise, die ich einerseits als angenehm locker empfunden habe, konnte mich andererseits auf die Palme treiben, wenn sie zum Xten mal über Alice Schwarzer herzieht (die ich zugegeben auch nicht sehr schätze) nur weil diese nicht auf ihre Interviewanfragen reagiert. Oder wenn sie sich mal wieder bemüßigt sieht zu zeigen, daß sie so schrecklich modern und anders lebt, mit ihrem Freund und ihrem Sohn und daß sie als fürsorgliche Mutter sich natürlich all diese Gedanken um Ideale nur deshalb macht, weil ihr Kind heranwächst und sie diesem Kind später etwas weitergeben will. Nervig, wirklich, das habe ich auch nach der ersten Erwähnung begriffen, das muß nicht alle 10-12 Seiten erneut erwähnt werden.
Fazit: Ein interessanter Ansatz, ein netter Schreibstil, aber letztlich kein Buch, daß ich als irgendwie wichtig oder bewegend empfinden würde, was vielleicht aber auch daran liegt, daß meine Erfahrungen mit jungen Menschen gänzlich anderer Art sind. Sie mögen nicht mehr ihre Ideale durch Demonstrationen vertreten, aber sie haben durchaus andere Ideale als Mann, Kind, Reihenhaus und Hund, so wie die Autorin es darstellen will.
Sehr schade ist, daß mir das Buch aufgrund dieser naiv-trotzigen Schreibe die Lust auf "Gestatten: Elite" verdorben hat.