Mai 1981, der Nordirlandkonflikt ("The Troubles") ist auf dem Höhepunkt, der Hungerstreik der IRA-Inhaftierten im Maze-Gefängnis hat bereits zwei Todesopfer gefordert und fast täglich kommt es auf den Straßen von Belfast zu Ausschreitungen. Detective Sergeant Sean Duffy ist seit einem Monat bei der Polizei in Carrickfergus, einer Kleinstadt fünf Meilen nördlich von Belfast und er ist der einzige Katholik in einem sonst ausschließlich protestantisch besetzten Polizeirevier.
Als auf einem Feld ein Toter gefunden wird, dem eine Hand abgetrennt wurde, sieht es zunächst wie ein recht einfacher Fall aus: eine Vergeltung der IRA an einem Verräter, meist wird auch noch ein Beutel mit 30 Münzen für den Judas beigelegt, der hier aber fehlt. Bei der Autopsie wird festgestellt, dass das Opfer vor seinem Tod homosexuellen Kontakt hatte und die abgetrennte Hand einem anderen Toten gehört, der kurze Zeit später auch entdeckt wird. Sind dies die Taten eines Serienkillers, der speziell Schwule töten will? Homosexuelle Handlungen sind in Nordirland illegal und werden noch mit Gefängnis bestraft und die gesellschaftliche Einstellung ist sehr konservativ und vorwiegend homophob. Der Verdacht eines Serienkillers scheint bestätigt, als in einem Bekennerschreiben weitere Morde angekündigt werden. Ein Kollege von Duffy, "Crabbie" McCrabban meint zwar, dass es in Nordirland keine Serienkiller gäbe, wer das Bedürfnis verspüren würde, Leute umzubringen, bräuchte sich doch nur der IRA oder UDA/UFF oder einer anderen paramilitärischen Splitterorganisation anzuschließen und könnte sich unter dem Deckmantel politischer Rechtfertigung austoben. Chief Brennan dagegen ist sogar recht erfreut, zur Abwechslung mal "ein paar nette Morde ohne politischen Hintergrund zu haben". Da durch die Ausschreitungen und Ermittlungen im Umkreis der IRA das meiste Personal gebunden ist, geht die Aufklärung dieser beiden Morde an das Team Sean Duffy, McCrabban und Matty von der Forensischen Abteilung. In einem Waldstück wird dann eine tote junge Frau gefunden, die seit einem halben Jahr verschwunden war. Sie war die Ex-Frau eines der IRA-Häftlinge, der sich auch am Hungerstreik beteiligt hatte. Sie scheint Selbstmord begangen zu haben, aber die Autopsie lässt Zweifel aufkommen und Duffy will diese Akte noch nicht schließen.
Die Handlung von "The Cold Cold Ground" ist spannend, spannend ist aber auch der zeitliche Hintergrund. In den Nachrichten immer die zentralen Themen: der Hungerstreik für die Forderungen an die britische Regierung zur Anerkennung der inhaftierten IRA-Mitglieder als politische Häftlinge sowie die damit in Verbindung stehenden Ausschreitungen und Bombenanschläge, in Rom wurde gerade ein Attentat auf den Papst verübt, es ist noch unklar, ob er überlebt und bis zur Hochzeit von Lady Diana und Prinz Charles sind es nur noch zwei Monate. Kaum jemanden interessiert ein möglicher Serienkiller.
Als Sean Duffy und seine Kollegen in Belfast in der Gegend der Falls Road das Haus des ersten Opfers untersuchen und einen Zeugen befragen wollen, sind sie mit Schutzausrüstung und einigen Constables zur Verstärkung unterwegs und dass die Land Rover der Polizei alle gepanzert sind, ist eine Selbstverständlichkeit. Straßensperren und regelmäßige Kontrollen durch Polizei und Militär sind üblich, das Stadtzentrum von Belfast ist abgeriegelt und nur nach Personenkontrollen zu Fuß zu erreichen. Duffy macht Witze darüber, dass er mal wieder ins Kino gehen wollte, bevor wirklich alle Kinos ausgebombt sind. Während Sean Duffy versucht, die Morde aufzuklären, sterben bei mehreren Bombenanschlägen wieder über ein Dutzend Menschen und ebenso viele werden schwer verletzt. Dies ist für den Leser eine interessante Gegenüberstellung zu dem zu ermittelnden Fall, was ist denn eigentlich "das Böse", irgendwo im Laufe der Handlung gibt es während einer Unterhaltung auch mal den relativ bekannten Spruch, "Des einen Terrorist, ist des anderen Freiheitskämpfer".
In Carrrickfergus ist es etwas ruhiger als in Belfast, die letzte große Fabrik hat geschlossen und die Arbeitslosigkeit ist auch hier hoch, auf der Hauptstraße haben die meisten Läden schon dichtgemacht, die Segregation zwischen Protestanten und Katholiken ist auch hier in den Köpfen tief verankert und es regnet. Und regnet.
Adrian McKinty ist 1968 in Carrickfergus geboren und aufgewachsen und er lebte in der Coronation Road, wie er in einem Nachwort berichtet, der Straße in der im Buch auch sein Protagonist Sean Duffy sein Haus hat. An das Jahr 1981 und die klaustrophobische Atmosphäre kann er sich noch gut erinnern und das merkt man dem Buch mit jeder Zeile an, beim Lesen fühlt man sich wie in einer kleinen Zeitreise in das Jahr 1981 hineinversetzt und durch die vielen Details fühlt sich die Geschichte sehr authentisch an. Bevor Detective Sean Duffy morgens zur Arbeit fährt, überprüft er zunächst, dass in der Nacht keine Bombe unter seinem Auto angebracht wurde. Adrian McKinty erzählt, dass er und sein jüngerer Bruder des Öfteren von einem britischen Army-Captain aus der Nachbarschaft mit zur Schule genommen worden sind, bei extrem ungemütlichem Wetter hatte der seine routinemäßige Bombenkontrolle auch mal ausgelassen und die beiden Jungs kannten die Angst, dass sie den Weg zur Schule möglicherweise nicht überleben würden.
Beim Lesen von "The Cold Cold Ground" verfällt man aber nicht dem Trübsinn und der Depression, dafür sorgen die spannenden Charaktere, maßgeblich Sean Duffy, der die Geschichte in der ersten Person erzählt und der schwarze Humor, der das Buch durchzieht. Adrian McKinty schreibt wunderbare Prosa und großartige Dialoge und ich habe jede Seite genossen.
Es gibt ein, zwei kleine Kritikpunkte, die aber die Gesamtwertung nicht beeinflussen, von mir gibt es klare Zehn Punkte. "The Cold Cold Ground" ist der Auftakt einer Trilogie und ich freue mich schon auf das nächste Buch.
Edit: Deutsche ISBN und Titel ergänzt.
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