Erschienen 2010 bei Kiepenheuer & Witsch, 238 Seiten
Originaltitel: Sacharnyi Kreml
Übersetzer: Andreas Tretner
Kurzbeschreibung:
ZitatRussland im Jahr 2028: ein neues Mittelalter, geprägt von Informationstechnologie und Massenarmut. Körperliche Züchtigung ist an der Tagesordnung. In einem gewaltigen Stimmenchor führt Sorokin den Leser durch die dunklen Seitengassen des Lebens in einem utopischen Russland, das er dem heutigen wie einen Zerrspiegel vorhält.
In fünfzehn virtuosen Kurzerzählungen lernen wir Hofnarren, Henker, Zwangsarbeiter, Bettler und Dissidenten kennen - und die anrührende Marfuscha, die wie Tausende anderer Kinder am Weihnachtstag auf dem Roten Platz ein Kremlmodell mit Mauern, Türmen und Toren ganz aus Zucker geschenkt bekommt. Weil alle Brennstoffe ins Ausland verkauft werden, heizen auch wohlsituierte Moskauer mit Holzscheiten, und die Aufzüge der Wohnhäuser stehen am Wochenende still. Der Alltag ist geprägt von Angst und Gewalt, versüßt wird er höchstens aus der Zuckerdose oder eben mit den fabrikmäßig hergestellten Zuckerkremln, die mal als Devotionalie, mal als Ersatzbefriedigung fürs Volk dienen: ein Trost, den man lutschen kann.
Meinung: Ein fiktives Russland im Jahre 2028 wird dem Leser in Kurzgeschichten näher gebracht. Das Buch spielt also 1 Jahr später als der Roman "Der Tag des Opritschniks" und tatsächlich kommen auch in dieser Kurzgeschichten-Sammlung die Opritschniki als brutale Machtelite vor, allerdings diesmal nicht vordergründig. Sorokin beschreibt in den Kurzgeschichten verschiedene Berufsgruppen und Bevölkerungsschichten - von Bettler bis Geheimdienstler.
Fast alle Geschichten haben ein gemeinsames Merkmal: Gewalt und Willkür sind an der Tagesordnung. Die äußeren Feinde versucht man durch den Bau einer gigantischen russischen Mauer auszusperren, die Inneren durch Gewalt auszumerzen und abzuschrecken. Ein kleiner Lichtblick für die Untergebenen in diesem totalitären System sind da nur die Zuckerkreml, Modelle des Kreml aus Zuckerguß, die jedes Jahr pompös an die russischen Kinder verschenkt und dann in der Familie entsprechend aufgeteilt werden, denn -wie so vieles- ist der Zucker in Russland knapp.
Leider konnte das Buch meiner Erwartung nicht gerecht werden, ich habe es nach 2/3 abgebrochen. Mit den Geschichten konnte ich wenig bis gar nichts anfangen. Teilweise mag das an der Übersetzung oder mangelnden Russland-Kenntnissen liegen, aber aus meiner Sicht kam einfach kein richtiger Erzählfluß auf, um mich in die jeweiligen Protagonisten hineinzuversetzen. Nach dem Lesen einer Geschichte blieb für mich immer die Frage, was Sorokin dem Leser damit sagen wollte ...
Vielleicht kann ja eine andere Eule mehr mit dem Buch anfangen...