Daniel Rondeau: Istanbul - Eine Entdeckungsreise
Frederking u. Thaler 2008. 160 Seiten
ISBN-13: 978-3894058555. 12,95€
Der Autor
Daniel Rondeau ist in Frankreich ein bekannter Linksintellektueller. Seit Ende der 1970er-Jahre arbeitet er als Autor, Journalist und Kulturredakteur für Zeitungen wie Libération, L'Express, L'Observateur; daneben moderiert er Literatursendungen für Arte etc. Neben seinen Städteporträts über Tanger, Alexandria und Istanbul hat er Bücher geschrieben über den Libanon, Johnny Halliday, die Außenpolitik Mitterands, das Freie Frankreich sowie mehrere Romane. Für sein Gesamtwerk hat er den Prix Morand der Académie Francaise" erhalten.
Quelle: Piper Verlag
Verlagstext
Daniel Rondeaus Istanbul-Porträt ist eine stille Erkundung dieser einzigartigen Weltstadt und ihrer fast 3000jährigen Geschichte des Wandels - von Byzanz zu Konstantinopel zur modernen Metropole Istanbul, mit geschätzten 15 Millionen Einwohnern. Dank seiner unaufdringlichen Neugierde kommt Rondeau auf seinen Streifzügen durch die verschiedenen Stadtviertel ins Gespräch mit Fischern, Händlern und Handwerkern, Künstlern, Historikern und Orientalisten, Juden, Christen und Muslime, die ungeheuer vielschichtige Einblicke in ihren Alltag zwischen urbaner und archaischer Stadtkultur eröffnen. Ein sinnliches, bereicherndes Leseerlebnis.
Inhalt
Wer auf dem Weg zur Arbeit jeden Morgen mit der Fähre von Europa nach Asien übersetzt (oder umgekehrt) muss in Istanbul leben. Auch dem französischen Autor Daniel Rondeau bedeuten der Blick auf den Bosporus, das Tuten der Schlepper und die alltäglichen Vorgänge an seinen Ufern sehr viel. Auf dem Bosporus finden Demontrationen an Bord von Booten statt, Ausflugsschiffe transportieren Ausflügler zu prächtigen Holzvillen und Überlieferungen berichten von Rebellen, die zur Zeit Alis des Schwarzen im Fluss ertränkt wurden.
Der Autor kann auf ein dichtes Netz an Kontaktpersonen in Istanbul zurückgreifen, die Französisch sprechen oder der französischen Kultur eng verbunden sind. Rondeau sucht das Gespräch mit Anglern, Kleingärtnern und Frühsportlern. Er entwickelt bei seinen Erkundungen einen besonderen Blick für die Lebensbedingungen der "kleinen Leute". Ein Fotograf erzählt von seiner Dokumentation der Stadtansicht noch bevor für die Trasse zum Flughafen eine Schneise in die Stadt gerissen wurde. Der Journalist berichtet von "Koffergeschäften", dem Kleinhandel russischer Besucher, von den "Nataschas" und über Nachfahren jener Zuwanderer, die einmal aus Griechenland, Italien oder Bulgarien in die Stadt der Glückseligkeit einwanderten. Die historische Verbindung zwischen Istanbul und Venedig kommt zur Sprache, wie auch die vielen Flüchtlinge, die im 19. und 20. Jahrhundert hier ein Exil fanden. Geschickt fügt Rondeau die Geschichten in sein Stadtportrait ein, die ihm seine Gesprächspartner über das alte Istanbul der Sultane erzählen. Rondeau wandert an den drei nacheinander gebauten Stadtmauern entlang und erläuft sich die Geschichte des alten Konstantinopel anhand seiner Baudenkmäler. Anekdoten von Hunden, Katzen und Tauben reihen sich an die Bedeutung der Tulpe und des Fußballs für den türkischen Nationalstolz. Rund 150 Anmerkungen zu den Zitatan im Buch weisen auf die Belesenheit des Autors und auf sorgfältiges Quellenstudium hin.
Fazit
Ein lebendiges, sehr sinnliches, in prägnantem Ton geschriebenes Stadtportrait, das Istanbul auf der Liste meiner Sehnsuchtsorte nach ganz oben rücken lässt.
9 von 10 Punkten