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'Die Frau in Weiß' - Seiten 001 - 096
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Dann mach ich mal den Anfang.
Ich lese die englische Originalausgabe in der "Penguin Classics"-Edition. Einleitendes Vorwort und dergleichen hab ich jetzt mal weggelassen, weil da schon öfter mal den Dingen der Handlung für meinen Geschmack zu sehr vorgegriffen wurde und so bin ich direkt eingestiegen.
Der Schreibstil gefällt mir sehr gut, und ich habe bis jetzt keine Probleme mit dem verwendeten Englisch. Immer wieder kommt ein wunderbarer Humor durch, der dann in solchen Ausbrüchen wie Professor Pesca (ich liebe diesen Mann! "fair and fat!" :rofl) oder der Überlegung zur Ähnlichkeit zwischen Mrs. Vesey und Kohlköpfen gipfelt. Da konnte ich mich vor Lachen dann wirklich nicht mehr halten.
Interessant war durch die Kommentare zu erfahren, dass Wilkie Collins sich gerne von Menschen um sich herum inspiriern ließ. So gibt es z.B. sowohl für Prof. Pesca als auch für Mr. Frederick Fairlie echte (damals) lebende Vorbilder, teilweise sogar extrem ähnlich. Das wäre heutzutage wohl nicht mehr so möglich, bei den ganzen "Ähnlichkeiten sind rein zufällig" etc. Versicherungen.Die Sache mit der entflohenen (vermeintlichen) Irren ist natürlich sehr mysteriös und es ist schon ein arger Zufall, dass er ausgerechnet in Limmeridge House anfängt zu arbeiten, wo Anne seinerzeit war. Aber Zufälle werden in Geschichten aus dieser Zeit gerne mal als Verursacher vieler Begebenheiten bemüht und ich habe diesbezüglich kein Problem damit.
Walter kommt zwar alles in allem sympathisch rüber, für meinen Geschmack ist er dann aber vielleicht doch ein bisschen zu weich. Das einzige was mich in diesem Abschnitt wirklich ein wenig genervt hat war die Schwärmerei über Laura. (was soll man zu Laura auch sagen? typisches Weibchen, hat kaum was geredet, wie soll man sie da kennenlernen?) Abgesehen davon, mag ich persönlich Marian viel mehr. Sie scheint für ihre Zeit sehr selbständig, klug und resolut zu sein, sehr um das Wohl ihrer von allen so geliebten Schwester besorgt. Aber nein, sie ist ja die dunkelhaarige Hässliche, kein Vergleich zu Fräulein Rühr-mich-nicht-an (nein, ich reg mich da jetzt nicht drüber auf! :lache). Na mal abwarten, wir sind ja erst am Anfang. Vielleicht geht Walter doch irgendwann noch ein Lichtlein auf.
Bisher bin ich von der Geschichte sehr positiv überrascht, vor allem was Humor und (die meisten *g*) Figuren angeht. Ich hatte mit etwas sehr düsterem, grusligen gerechnet, aber im Augenblick ist es eher eine erheiternde Lektüre.
Ich als Leser gehe jetzt mal davon aus, dass der Brief von Anne ist, die aus eigener leidvoller Erfahrung an die Tochter ihrer einstigen Wohltäterin schreibt um sie zu warnen. Jetzt bin ich mal auf diesen Sir Percival gespannt (und seinen Freund mit dem Hang zu Vanille-Bonbons wie mein Buchrückentext verspricht, allein das klingt schon wieder extrem köstlich).
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Ich bin noch nicht ganz durch den Abschnitt durch, möchte aber schon mal etwas niederschreiben.
Deine Eindrücke teile ich, Paradise, der Roman liest sich wirklich sehr unterhaltsam. Die Personen sind in einer liebevollen, bildhaften Weise gezeichnet, und jeder Figur wird bisher viel Aufmerksamkeit gewidmet.
Ich lese eine kostenlose eBook-Ausgabe, und die Übersetzung ist uralt, was sehr gut zur Grundstimmung des Buches passt. Ich genieße so etwas ja, wenn es passt (Schreibweisen wie Thun, Wohlthat...).
Ich muss mich mal zurückhalten, deine Kommentare zu lesen, Paradise Lost, denn ich bin gerade erst aus dem Arbeitszimmer von Mr. Fairlie herausgekommen. Ein sehr seltsamer Mann, niedergeworfen von Krankheiten und Symptomen, die zum großen Teil wahrscheinlich selbstgemacht sind. Sein Kunstinteresse scheint zumindest echt zu sein.
Von den jungen Damen habe ich erst, ich sage das jetzt mal, weil sie es selbst gesagt hat, die hässliche kennengelernt. Die Dame ist so herzerfrischend offen und scheint eine genaue Beobachterin zu sein, entwaffnend ehrlich und sehr direkt.Ich mag die keinen Exkurse in die Moral oder Gedankenwelt der damaligen Zeit sehr, so z.B. Walters Gedanken über die "heutigen jungen Leute" und die Generation seiner Eltern (im Haus seiner Mutter). Man sieht mal wieder, diese Vergleiche gab es zu jeder Zeit.
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Mein Exemplar des Buches ist zugegebenermaßen schon etwas abgekämpft, die Blätter vergilbt, aber es macht trotzdem Spaß, es zu lesen.
Den Aufbau des Romans finde ich hochinteressant und ich frage mich, welchen Beweiswert die Blätter eventuell vor einem Gericht hätten.
Die Darstellung der britischen Justiz jener Jahre (Seite 5: „voreingenommenen Diener des größeren Portemonnaies“) ist jedenfalls nicht besonders freundlich, für mich sogar ziemlich befremdlich, wird aber wohl der Realität entsprochen haben. Und vermutlich spielt nicht nur das Portemonnaie eine große Rolle, sondern ebenso Stand und Ansehen der Person.Schade, dass zur Situation (finanziell, hierarchiemäßig etc.) des Zeichenlehrers an sich so wenig gesagt wird. Überhaupt hätte dem Buch meiner bescheidenen Meinung nach ein Nachwort oder weiterführende Hinweise gut getan. Aber das wird im Zeitalter von Internet und Google ein Ansinnen sein, dem immer weniger Rechnung getragen wird. Wie gesagt, schade.
Seite 6: „müde Pilgrime“ - ehrlich gesagt, ich habe geblinzelt, aber es stand dann immer noch da. So ein Wort hab ich lange nicht gehört resp. gelesen. Allerdings bin ich von der Übersetzung teilweise irritiert, anfangs war es hauptsächlich der teilweise eigenwillige Einsatz der Kommata, der meinen Lesefluss störte. Aber auch das eine oder andere Wort bzw. Formulierung empfinde ich als gewöhnungsbedürftig. Ich frage mich nur, hat der sprachmächtige Arno Schmidt das extra gemacht, damit, um meine Formulierung aufzugreifen, der Lesefluss gestört wurde. Im Großen und Ganzen allerdings gefällt mir die Sprache der Übersetzung gut bis ausnehmend gut - trotz Irritation.
Seite 11: Die Beobachtung zur „jüngeren Generation“ - ich finde es einfach herrlich, jede Generation weiß wohl gleiches von sich und der ihnen nachfolgenden zu berichten.
Seite 22: Der Auftritt der Dame in Weiß hat einen gewissen Gruseleffekt. Sie scheint etwas verwirrt, aber trotzdem in der Lage, schön (aus-)formulierte Sätze zu sprechen. Einen gewissen Bildungsstand scheint sie mir auch zu haben.
Seite 35, 36 (Hartright betrachtet die Aussicht und dann Marian): Von den Formulierungen bin ich ziemlich hin und weg. Die gute alte Zeit, da hatte man wohl noch Zeit für solcherart und ausführliche Überlegungen. Heute würde so etwas deutlich kürzer abgehandelt. Marian jedenfalls finde ich einfach hinreißend, auch wenn sie in Hartrights Augen hässlich von Gesicht ist.
Nochmals zur Übersetzung:
Seite 37: „hülfreich“
Seite 39: Frau Vesey ist „für nichts zu rechen“
Seite 40: „haben wie billig keinen Schimmer“
- das sind alles so Worte, bei denen ich stocke. Ich hätte gar zu gerne gewusst, warum Schmidt das so wählte. Glaubte er, damit der Zeit Genüge getan zu haben? Lehnt sich seine Übersetzung eng bis sehr eng an Collins Vorlage an? Wie mag wohl eine modernere Übersetzung klingen?Seite 44: Das Zimmer Fairlies wird beschrieben, die „Wände waren mit Zitz … bespannt“ - was mag das wohl sein? Eine Art Stofftapete?
Seite 56, 57, Auftritt Lauras: Ihre Beschreibung gereicht einem elegischen Dichter zur Ehre. Natürlich hat er sich sofort verliebt, fragt sich nur in wen, den Menschen oder das Bild, das er zeichnet?
Die beiden Damen Marian und Laura erinnern mich entfernt an die beiden jungen Damen im Stechlin, die eine (zu) hübsch, die andere (zu) klug, und natürlich hat immer die Hübschere die Verehrer, die andere aber immerhin die Treue, was ja auch nicht gerade wenig ist.
Ein anonymer Brief taucht auf, dazu viele dunkle Vorahnungen. Aber bemerkenswert, wie viel Zeit Collins sich mit allem nimmt – schön für mich!
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Zitat
Original von Clare
Sein Kunstinteresse scheint zumindest echt zu sein.Glaubst Du? Ich hatte es fast schon als Angeberei aufgefasst.
ZitatIch mag die keinen Exkurse in die Moral oder Gedankenwelt der damaligen Zeit sehr, so z.B. Walters Gedanken über die "heutigen jungen Leute" und die Generation seiner Eltern (im Haus seiner Mutter). Man sieht mal wieder, diese Vergleiche gab es zu jeder Zeit.
Zwei und ein Gedanke!
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Zitat
Original von Lipperin
Überhaupt hätte dem Buch meiner bescheidenen Meinung nach ein Nachwort oder weiterführende Hinweise gut getan.
Ich schaue bei so alten Klassikern immer, dass ich eine kommentierte Fassung kriege (so denn vorhanden), oft sind dort auch hilfreiche Hinweise zu den anderen Lebensumständen z.B. zur Umrechnung (dass z.B. der Verdienst von Walter mit den 4 Guinees sehr großzügig bemessen ist)ZitatOriginal von Lipperin
Nochmals zur Übersetzung:
Seite 39: Frau Vesey ist „für nichts zu rechen“
Da heisst es im Original "she is counting for nothing." das hätte ich in dem Fall eher mit: "sie zählt nicht" oder "von ihr haben sie nichts weiter zu erwarten" (neben ihren Kardinaltugenden) übersetzt.ZitatOriginal von Lipperin
Seite 44: Das Zimmer Fairlies wird beschrieben, die „Wände waren mit Zitz … bespannt“ - was mag das wohl sein? Eine Art Stofftapete?
Im englischen steht da "chintz" und da findet man auch im deutschen unter Wikipedia folgendes: http://de.wikipedia.org/wiki/Chintz -
Bin zwar noch nicht weit gekommen, aber bis jetzt liest es sich ganz gut. Was mich etwas wundert - meine Ausgabe hat nur 649 Seiten aber es ist sehr klein geschrieben, dann gleicht es sich ja wieder aus.
Viele Grüße und bis bald
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Sabine Sorg
Das ist bei mir ähnlich. Ohne Anhang hat die Geschichte 627 Seiten und ist recht klein geschrieben. Aber es geht schon noch. Ist halt nur etwas anstrengender zu lesen. -
*palim palim*
Ich melde mich mal, obwohl ich nicht zur Leserunde angemeldet bin, zu Wort.
Den Film mit Heidelinde Weiss (die nach dieser Doppelrolle angeblich in ein Sanatorium musste), Pinkas Braun und Erich Ponto vor viiieelen Jahren gesehen und das Buch vor fast ebenso langer Zeit gelesen habend, geniesse ich es ausserordentlich, euch gedanklich zu begleiten.
Auch meine Sympathien lagen sofort bei Marian (ich weiss nicht mehr, wer sie im Film darstellte, aber hässlich fand ich sie nicht), Fairlie erinnere ich als opportunistischen und egoistischen Hypochonder, Pesca als interessant und ziemlich klug (hatte der nicht irgendwelche Kleintiere (Mäuse?), Sir Percival Glyde als bedrohlich, Laura als harm- und farblos und sehr unselbstständig, Walter erschien mir nie so ganz greifbar. Aber wie gesagt, lang lang ists her.
Ich werde euch - überwiegend nur hier lesend - begleiten, meine Erinnerungen Revue passieren lassen und meine Eindrücke überprüfen.
Vielleicht habt ihr ja Lust, auch irgendwann "Der rote Schal" zu lesen.EDIT stellt gerade fest, dass ich Pesca und Fosco verwechselt habe.
Werde mich wirklich mit dem Kommentieren zurückhalten.
Euch weiterhin viel Spaß! -
Also wenn mir das Buch weiterhin so gut gefällt, liebäugele ich ja zusätzlich noch mit dem hier... (dann müsste ich mein Buch auch unterwegs nicht ständig mitschleppen).
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Das ist also der Autor, danke Paradise!
Ich bin jetzt auch mit dem Abschnitt durch. Auf Sir Percival Glyde bin ich gespannt, aber ich bin mir nicht sicher, ob wir ihn auch kennenlernen. Wieder so ein Nachteil des eBooks: man blättert nicht so einfach mal im Buch und schaut sich die Überschriften etc. an.
Ich habe mir vorn die Einteilung noch mal angesehen. Ist es so, dass verschiedene Leute nacheinander die Geschichte fortlaufend berichten? Denn Walter wird ja morgen (so hieß es) abreisen und den Verlobten seiner Angebeteten gar nicht sehen.Wie unterschiedlich wir doch im Vergleich zu damals empfinden (oder liegt es nur an mir?). Als der ominöse Brief ankommt, sagt z.B. Walter, dass er den Eindruck habe, der Brief sei von einer Geisteskranken geschrieben, und ihm wird zugestimmt. Das konnte ich so nicht sehen.
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Zitat
Original von Paradise Lost
Ich schaue bei so alten Klassikern immer, dass ich eine kommentierte Fassung kriege (so denn vorhanden), oft sind dort auch hilfreiche Hinweise zu den anderen Lebensumständen z.B. zur Umrechnung (dass z.B. der Verdienst von Walter mit den 4 Guinees sehr großzügig bemessen ist)
Da heisst es im Original "she is counting for nothing." das hätte ich in dem Fall eher mit: "sie zählt nicht" oder "von ihr haben sie nichts weiter zu erwarten" (neben ihren Kardinaltugenden) übersetzt.
Im englischen steht da "chintz" und da findet man auch im deutschen unter Wikipedia folgendes: http://de.wikipedia.org/wiki/ChintzDanke!
Von Chintz zu Zitz zu kommen, muss man aber einen etwas eigenartigen gedanklichen Umweg nehmen, finde ich. Chintz hätt ich gekannt. Vielleicht gab es zur Zeit der Übersetzung ja den Begriff Zitz
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Zitat
Original von Clare
Ich habe mir vorn die Einteilung noch mal angesehen. Ist es so, dass verschiedene Leute nacheinander die Geschichte fortlaufend berichten? Denn Walter wird ja morgen (so hieß es) abreisen und den Verlobten seiner Angebeteten gar nicht sehen.Ja.
Es ist wohl nicht zu viel verraten, wenn ich die Reihenfolge angebe:
Zunächst Hartright, dann Herr Gilmore, dann kommen Tagebuchauszüge von Marian. Interessant wird der folgende Bericht von Herrn Fairlie, sodann wird uns eine Eliza Michelson unterrichten. Dann kommen mehrere kleine Einzelberichte unter anderem der Köchin von Conte Fosco und eines Arztes. Was dann kommt, verrat ich doch besser nicht, aber danach kommt wieder Hartright zu Wort, außerdem noch Frau Catherick und wieder Fosco, der Bericht wird beschlossen von Hartright. -
Hallo, ich bin auch dabei. Allerdings bin ich in diese - meine erste - Leserunde leider aus zeitlichen Gründen recht langsam gestartet. Bin daher erst am Anfang, bei der Vorstellung von Prof. Pesca im Haus der Mutter. Es gefällt mir aber bisher sehr gut. Ich hatte im Vorfeld etwas Bedenken dass die Sprache evtl. "altmodisch" sein könnte und man vlt. nicht so gut reinkommt, aber das war nicht der Fall. Wie hier schon erwähnt stolpert man zwar vereinzelt über Begriffe "Pilgrim" etc, aber das finde ich ganz interessant.
Ich habe hier jetzt nicht alles von euch gelesen, um mir nicht zuviel der Handlung vorwegzunehmen. Der exzessive Gebrauch der Kommata ist mir auch schon aufgefallen, man gewöhnt sich aber auch dran. Ich lese übrigens auch die Übersetzung von Arno Schmidt.
Schön finde ich, dass Collins sich Zeit nimmt die Personen genau einzuführen, so dass man sie bildlich vor sich sieht. Köstlich die Beschreibung des südländischen Temperaments des Professors. Und auch die Spannung wird schön aufgebaut, indem er immer wieder auf die bald folgenden Ereignisse / die Frau hinweist und den Leser quasi auf die Folter spannt. Daher will ich jetzt schnell weiterlesen..., also bis später.
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Zitat
Original von Clare
Wie unterschiedlich wir doch im Vergleich zu damals empfinden (oder liegt es nur an mir?). Als der ominöse Brief ankommt, sagt z.B. Walter, dass er den Eindruck habe, der Brief sei von einer Geisteskranken geschrieben, und ihm wird zugestimmt. Das konnte ich so nicht sehen.
Da gab es in meinem Buch einen interessanten Kommentar dazu. *rauskrams*
Also im Original steht da "deranged mind" und der Kommentar dazu lautet, dass es sich um ein ganz bestimmtes "Model" der Geisteskrankheit handelt, bei der sich der Irrsinn der jeweilige Person durch einen traumähnlichen Zustand erklärt, also dass der Verstand Traum und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden kann (was ja zum Brief passen würde). In dem Zusammenhang klingt Walters Anmerkung schon wieder ganz anders. -
Das wird, fürchte ich, nicht viel mit mir bei dieser Leserunde. Nicht, weil mir das Buch nicht gefiele, oh nein. Sondern weil ich vermutlich ziemlich lange brauchen werde, länger, als eine LR hier normalerweise läuft. Ich lese das Buch auf Deutsch, habe aber nur ein unwesentlich schnelleres Lesetempo, als ich es vermutlich auf Englisch hätte. Keine Ahnung, woran das liegt, denn altertümliche Sprache ist eigentlich mehr mein Fall als moderne, und die Übersetzung von Arno Schmidt ist, soweit ich das beurteilen kann, einfach großartig.
Dennoch habe ich bedauert, mich aus Zeitgründen für die deutsche Version entschieden zu haben, denn selbst in der Übersetzung fiel mir die stilistische Ähnlichkeit mit der 1869 erstmals veröffentlichten „Lorna Doone“ auf. Sicher ist das hier eine ganz eigene Sprache, aber die (wunderbare!) Weitschweifigkeit, die immer wieder durch quasi philosophische Überlegungen unterbrochene Handlung, die etwas altertümliche Sprache, das kam mir sehr vertraut vor. Ich habe mir dann von MyBeBook.com legal > hier die PDF-Version < kostenlos heruntergeladen, und werde wohl ab und zu mal in die Originalversion reinlesen.
Praktisch für mich ist, daß die Seitenzahlen der Einteilung hier mit denen in meiner Buchausgabe (Büchergilde Gutenberg, 1971) übereinstimmen.
Und gleich auf Seite 5 mußte ich ob dieses Satzes grinsen: Aber noch sind Recht und Gesetz, in gewissen unvermeidlichen Fällen, eben zunächst einmal die voreingenommenen Diener des größeren Portemonnaies; (...)
Auf Seite 7 kam mir dann gleich eine Querverbindung zu meinem Zweitbuch „Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts“ von Jürgen Osterhammel. Da hatte ich nämlich just über Lebenserwartung gelesen. Um 1800 lag die im Schnitt bei 30 Jahren, mehr als die Hälfte der Menschen starben vor Erreichung des Erwachsenenalters. In England begann die Lebenserwartung um 1850 zu steigen. Dazu fallen mir auch die „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“ von Wilhelm von Kügelgen ein, 1867 erstmals veröffentlicht, in denen diese hohe Sterblichkeit durch einen Augenzeugen bestätigt wird.
Spätestens auf Seite 52 war ich dann endgültig im Buch drinnen und hatte nur noch Probleme mit der Rechtschreibung. Nein, nicht, weil das die richtige, also von vor der sogenannten Rechtschreibreform, ist, sondern weil ich ständig ein „th“ statt ein „t“ sehe oder ein „i“ statt eines „ie“, eben die Rechtschreibung, die zu diesem Buch passen würde. Die üblich war zu der Zeit, als es erstmals erschien. Ich habe kürzlich ein Buch mit Druckdatum 1896 gelesen; nach diesen rund 900 Seiten ist mir diese alte Schreibweise in Fleisch und Blut übergegangen, zumal ich derzeit noch Texte solcher Art abtippe, daß mir bisweilen selbst die „alte“ Rechtschreibung zu modern ist.
So richtig vorstellen (und habe ihn ihm Kopf reden hören) konnte ich mir den Hausherrn, Herrn Fairlie. Ich habe mich köstlich über ihn amüsiert, begegnen möchte ich dem Hypochonder jedoch lieber nicht.
ZitatOriginal von Paradise Lost
So gibt es z.B. sowohl für Prof. Pesca als auch für Mr. Frederick Fairlie echte (damals) lebende Vorbilder, teilweise sogar extrem ähnlich. Das wäre heutzutage wohl nicht mehr so möglich, bei den ganzen "Ähnlichkeiten sind rein zufällig" etc. Versicherungen.
Vor längerer Zeit stand mal im „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“, daß man heute einen Roman erst mal von einem Juristen lesen lassen müßte, bevor er ins Lektorat ginge.@ Lipperin
Daß Du mit der Darstellung der britischen Justiz seinerzeit so Deine Probleme hast, kann ich mir denken. Ich habe die Stelle ja auch zitiert, bin allerdings (teilweise auch aus eigener leidvoller Erfahrung) der Meinung, daß Recht der bekommt, der a) das meiste Geld hat (bzw. sich die Juristerei überhaupt leisten kann) und b) die besseren Beziehungen. Besonders günstig ist, wenn beides zusammentrifft.ZitatOriginal von Lipperin
Lehnt sich seine Übersetzung eng bis sehr eng an Collins Vorlage an? Wie mag wohl eine modernere Übersetzung klingen?
Das möchte ich, offen gesagt, gar nicht wissen. Mein bisherigen Versuche mit modernen Übersetzungen (Dostojewskij, Lagerlöf, Tolkien) sind alle gescheitert, ich unternehme keine mehr.Hm, wenn ich die Anmerkungen von Paradise Lost über die Originalausgabe so lese, ärgere ich mich noch mehr, auf Deutsch zu lesen. Aber in rund zwei Wochen habe ich schon wieder eine LR, Ende März noch eine und vor jener muß ich noch ein anderes nicht gerade dünnes Buch lesen. Ich sollte meine LR besser übers Jahr verteilen. Aber ich werde mir auf jeden Fall die nächsten Tage „The Woman In White“ zulegen, mal sehen, welche (kommentierte) Fassung es wird.
Anm: Ich habe meine Ausgabe hier verlinkt, es gibt jedoch auch eine billigere für EUR 28,00, bei Amazon leicht zu finden.
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Ich bin - durch den Karnevalsstress - noch nicht mit dem Abschnitt durch. Aber das, was ich gelesen habe gefällt mir sehr gut.Die Sprache und Schreibweise ist zwar teilweise ziemlich altmodisch - aber es paßt gut zum Buch. Warum habe ich das Buch nur solange auf dem SuB liegen gehabt?
Ich gehe mal weiterlesen...
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Zitat
Original von Paradise Lost
Da gab es in meinem Buch einen interessanten Kommentar dazu. *rauskrams*
Also im Original steht da "deranged mind" und der Kommentar dazu lautet, dass es sich um ein ganz bestimmtes "Model" der Geisteskrankheit handelt, bei der sich der Irrsinn der jeweilige Person durch einen traumähnlichen Zustand erklärt, also dass der Verstand Traum und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden kann (was ja zum Brief passen würde). In dem Zusammenhang klingt Walters Anmerkung schon wieder ganz anders.Danke, das ordnet seine Worte wirklich anders ein. Hat schon Vorteile, das Original zu lesen, besonders bei älteren Werken, die zig mal übersetzt wurden.
Aber heute würde doch niemand das mehr als geisteskrank bezeichnen...Die Schreiberin würde vielleicht wegen ihrer "Vision" vielleicht lediglich in den esoterischen Bereich eingeordnet werden. -
Zitat
Original von SiCollier
... Ich lese das Buch auf Deutsch, habe aber nur ein unwesentlich schnelleres Lesetempo, als ich es vermutlich auf Englisch hätte. Keine Ahnung, woran das liegt, denn altertümliche Sprache ist eigentlich mehr mein Fall als moderne, und die Übersetzung von Arno Schmidt ist, soweit ich das beurteilen kann, einfach großartig.Dennoch habe ich bedauert, mich aus Zeitgründen für die deutsche Version entschieden zu haben, denn selbst in der Übersetzung fiel mir die stilistische Ähnlichkeit mit der 1869 erstmals veröffentlichten „Lorna Doone“ auf. Sicher ist das hier eine ganz eigene Sprache, aber die (wunderbare!) Weitschweifigkeit, die immer wieder durch quasi philosophische Überlegungen unterbrochene Handlung, die etwas altertümliche Sprache, das kam mir sehr vertraut vor. Ich habe mir dann von MyBeBook.com legal > hier die PDF-Version < kostenlos heruntergeladen, und werde wohl ab und zu mal in die Originalversion reinlesen. ...
Ich lese die Übersetzung von Marie Scott, die 1891 im Verlag Karl Prochaska in Teschen erschien, lt. Internet-Info. Die Weitschweifigkeit der Erzählweise kommt perfekt rüber, wenn auch die alte, und ich meine die wirklich alte, Rechschreibung das Lesen etwas erschwert.
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Zitat
Original von Clare
Danke, das ordnet seine Worte wirklich anders ein. Hat schon Vorteile, das Original zu lesen, besonders bei älteren Werken, die zig mal übersetzt wurden.
Aber heute würde doch niemand das mehr als geisteskrank bezeichnen...Die Schreiberin würde vielleicht wegen ihrer "Vision" vielleicht lediglich in den esoterischen Bereich eingeordnet werden.
Ich versuche wo es geht bei den englischen Klassikern im Original zu lesen, also sprich, da wo ich nicht einen Satz 5 Minuten anschauen muss um zu kapieren worums geht. Bei Shakespeare würde ich vermutlich eher die deutsche Variante versuchen. Ohne den Kommentar hätte ich aber auch nicht gewusst was genau gemeint ist.Stimmt, die Erklärung bezieht sich auf eine damalige Definition von Geisteskrankheit. Ob das heute noch ähnlich ist weiß ich nicht. Realitätsverluste werden da eher anders eingeordnet (Paranoia o.ä.).