Goldsommer - Elisabeth Büchle

  • Wie willst du im Leben etwas erreichen, wenn du immer sofort aufgibst, sobald dir der Wind ins Gesicht bläst? (u. a. Seite 376)


    476 Seiten, gebunden
    Verlag: Gerth Medien GmbH, Aßlar 2011
    ISBN-10: 3-86591-581-7
    ISBN-13: 978-3-86591-581-8



    Zum Inhalt (Quelle: Eigene Angabe)


    Amrei ist 14, als ihr Vater und ihr Bruder in den Krieg müssen. Fortan obliegt ihr die Verantwortung für den Hof, die Schwägerin mit ihrem Baby und eine etwas verwirrte ältere Frau. Als sich in ihrer Scheune ein entflohener britischer Kriegsgefangener versteckt, wird es etwas leichter für sie, weil der als Dankeschön für die Verpflegung, die sie ihm zukommen läßt, einen guten Teil der Stallarbeit abnimmt. Doch nach einem Überfall ist er entdeckt und muß den Hof verlassen.
    Nach dem Krieg ist Amrei weiter auf sich alleine gestellt, denn der Vater ist gefallen, der Bruder verschollen. Da sich eine Pferdezucht immer weniger lohnt, eröffnet sie eine Reitpension. Als die ersten Gäste anreisen, beginnt es langsam besser zu werden. Doch die Schatten der Vergangenheit lassen sich nicht so einfach vertreiben, und so zieht Ungemach auf über dem Hof im Gutachtal.


    Das Buch wurde für den DeLiA Literaturpreis 2012 nominiert.
    Aktualisierung: Das Buch gewann den 2. Preis 2012 bei DeLiA Literaturpreis. Herzlichen Glückwunsch!



    Über die Autorin (Quelle: Verlagsangabe, Webseite der Autorin)


    Elisabeth Büchle wurde 1969 in Trossingen geboren und absolvierte sowohl eine Ausbildung zur Bürokauffrau als auch zur Altenpflegerin. Sie wohnt mit ihrem Mann und den fünf Kindern im süddeutschen Raum.


    - < Klick > - die Webseite der Autorin (dort ist unter „Bücher“ eine Leseprobe als PDF hinterlegt
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    - < Klick > - die Seite beim Verlag zum Buch (mit Leseprobe)




    Vorbemerkung


    Um Mißverständnisse zu vermeiden: Das ist ein christliches Buch. Wenn ich Formulierungen wie „wir“ verwende, beziehen sich diese meist nicht auf die Gesamtgesellschaft, sondern auf den christlich geprägten Teil, dem ich mich zugehörig fühle. Ferner ist Denken und Handeln eines großen Teils der Protagonisten stark von ihrem aktiv gelebten Glauben geprägt. Handlungsweisen wie Beten oder Hinwendung zu Gott werden als normal und notwendig angesehen.


    Ich habe lange über die richtige Rubrikeneinordnung nachgedacht und mich dann bewußt für „Belletristik“ (und nicht „Romance“) entschieden, weil zwar eine Liebesgeschichte vorkommt, der Roman jedoch mMn deutlich über eine reine solche hinausgeht und „Romance“ daher zu kurz greift.



    Meine Meinung


    Das ist so ein Buch, welches eigentlich abseits meines üblichen Beuteschemas liegt, so daß besondere Umstände vorliegen müssen, es zu lesen. Abseits deshalb, weil mich das Nachkriegsdeutschland eher weniger interessiert. Die besonderen Umstände waren, daß sich die Möglichkeit einer Leserunde mit Autorin bot, und da dies für Titel in diesem Genre eher selten der Fall ist, habe ich das Buch jetzt kurz entschlossen gelesen. Zum Glück, denn sonst wäre mir etwas entgangen.


    Das ist zwar das sechste Buch der Autorin, aber das erste von ihr, das ich gelesen habe. Sehr schnell war ich in der Geschichte drinnen und habe bald bemerkt, daß die Autorin eine Art zu schreiben hat, daß ich bereit bin, ihr in Räume und zu Themen zu folgen, um die ich sonst eher einen Bogen machen würde. Will sagen, sie vermochte mich zu packen und mein Interesse für Dinge abseits meines üblichen Spektrums zu wecken. Das ist bisher nur wenigen gelungen.


    Wie dem Vorwort zu entnehmen ist, geht es ihr in diesem Buch weniger um eine historisch genaue Ausgestaltung oder das Auftreten von historischen Persönlichkeiten, sondern mehr um das Miteinander der Menschen, um das, was wir einander erzählen oder verschweigen, wie wir einander einschätzen. Um die Schlüsse, die wir daraus ziehen bis hin zu den bisweilen fatalen Folgen, die daraus entstehen können. Unter dieser Prämisse habe ich in dem ablaufenden Kopfkino den Schwarzwald eher in der Form, wie ich ihn von meinen Reisen in Erinnerung habe, gesehen, ab und zu hat sich auch mal eines der hiesigen Fachwerkhäuser in die Vorstellung eingeschlichen, und die amerikanische Limousine entsprach eher meinem Ideal aus den 70ern, als man von solchen Autos mit einem Benzinverbrauch, für dessen Deckung man heute einen 6er im Lotto bräuchte, noch träumen durfte. Aber das sind Nebensächlichkeiten.


    Amrei ist 14, als sie die Verantwortung für den Hof übernehmen muß. Da ist für eine unbeschwerte Kindheit kein Platz mehr, zumal die Schwägerin keine große Hilfe ist. Sie wird schnell erwachsen und für die Umwelt „seltsam“, kann sie doch mit Pferden besser umgehen als mit Menschen. So hat sie ihren Spitznamen „Pferde-Amrei“ bald weg. Und ihr Image der Kratzbürste sowieso. Was sich hinter dieser Fassade verbirgt, interessiert niemanden.


    Aus einer ganz anderen Welt entstammt Tom. Der wird von seinen Eltern auf eben jenen Hof Amreis geschickt, um sich dort umzusehen, ob man diese Pension ins Programm des Reiseunternehmens aufnehmen kann. Durch eine Verwechslung wird er für einen Fotografen gehalten, und schon bald gibt es erste Reibungspunkte zwischen Amrei und dem Schnösel aus dem Norden. Der will eigentlich nur schnell wieder weg, sitzt wegen einer Autopanne jedoch erst mal fest, und bekommt so zwangsweise mehr vom Leben auf dem Hof mit, als er eigentlich möchte.


    Die Zusammenstöße der beiden sind immer wieder für Lacher gut, und dem geneigten Leser ist bald klar, worauf das hinauslaufen wird. Oder besser würde, wenn Amrei nicht nach einer versuchten Vergewaltigung alle Männer auf Abstand hielte.


    Was da für Ungemach, wie ich es in der Inhaltsangabe erwähnt habe, aufzieht, und wer da wem nach dem Leben trachtet, möchte ich hier nicht erwähnen. Die Autorin hat es mindestens zwei Mal im Verlauf des Buches geschafft, mich völlig zu verblüffen, meine anscheinend auf Fakten bzw. sicheren Indizien beruhende Meinung als falsch zu entlarven und deutlich zu machen, daß der Augenschein nicht immer die Wahrheit enthüllt. Und daß niemand vor Fehlurteilen und Fehlhandlungen anderen Menschen gegenüber gefeit ist, weshalb eine gewisse Sorgfalt und Umsicht stets angebracht ist.


    Immer wieder habe ich mich gefragt, wie ich wohl in einer solchen Situation denken und handeln, ob ich die Anzeichen erkennen würde - und ob ich nicht selbst viel zu oft urteile und mir eine Meinung bilde auf Grund des Anscheins, der vollständig zu sein scheint, es aber nur in den seltensten Fällen ist. Je länger ich drüber nachdenke, je mehr fällt mir auf, wie aktuell das eigentlich ist, wie leicht man selbst in solche "Fallen" tappt.


    Erwähnen möchte ich noch, daß auch die Aufarbeitung (bzw. Nichtaufarbeitung) der seinerzeit jüngsten deutschen Geschichte in der Haupthandlung, die fünf Jahre nach Kriegsende spielt, ihren Niederschlag gefunden hat. Auf eine teilweise so unauffällige Weise, daß ich befürchte, daß das der damaligen Realität ziemlich nahe kommt.


    Die Autorin hat ernste Thematiken in eine flüssig lesbare Geschichte, die bei mir sehr schnell das Kopfkino in 3D hat anspringen lassen, verpackt. Die Hauptpersonen waren für mich starke Figuren, die recht bald im Kopf lebendig wurden und mich sicher noch eine Weile begleiten werden. Handlungs- und Beschreibungsabschnitte sind in ausgewogener Balance, so daß der einzige wirkliche Kritikpunkt ist, daß das Buch nach 476 Seiten zu Ende war und ich die Protagonisten verlassen mußte, um in meine eigene Welt zurückzukehren. Aber mit der Kritik kann man, denke ich doch, sehr gut leben. Einstweilen bleibt mir die Gewißheit, daß dies eines der Bücher ist, welches ich mit Sicherheit mehrfach lesen werde.



    Kurzfassung:


    Eine ernste und nachdenkliche Thematik in einer unterhaltsamen und spannenden Geschichte. Sehr lesenswert und zu recht für den DeLiA Preis 2012 nominiert (Ergänzung: und den 2. Preis gewonnen).


    Edit: Preisgewinn aktualisiert
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    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Nachdem "Goldsommer" kürzlich den 2. Preis beim DeLiA-Wettbewerb 2012 gewonnen hat, ist dieser Tage eine Weltbild-Ausgabe des Buches erschienen.


    Hier ist der Link zur Produktseite bei Weltbild. Das Cover gefällt mir zwar besser als das der Originalausgabe, aber ein Heimatroman (wie man auf die Idee kommen könnte) ist das mit Sicherheit nicht.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")