Tom Hodgkinson: Leitfaden für faule Eltern

  • Tom Hodgkinson: Leitfaden für faule Eltern
    Rowohlt 2011. 320 Seiten
    ISBN-13: 978-3499626722. 9,99€
    Originaltitel: The Idle Parent
    Übersetzerin: Heike Steffen


    Verlagstext
    "Das Entscheidende am Elternsein ist nicht, was Sie tun, sondern welche Beziehung Sie zu Ihrem Kind haben … Eine gewisse Dankbarkeit dafür, dass sie in unser Leben getreten sind, könnte ein guter Anfang sein." Mit Passagen wie diesen lüftet Kultautor Tom Hodgkinson unseren von Erziehungsratgebern vernebelten Kopf ordentlich durch. Er beschäftigt sich mit neuen Wegen zu einer lustvollen Erziehung und zeigt, wie wir dem Teufelskreis aus straffen Stundenplänen, Leistungsdenken, teuren Freizeitaktivitäten, Kommerz und Verunsicherung entkommen und stattdessen Kreativität, Unabhängigkeit und Selbstvertrauen für unsere Kinder zurückerobern können. Die Lösung ist ganz einfach: Wir müssen unseren Kindern so viel Freiheit wie möglich geben. So einfach ist Elternschaft? Ja, so einfach ist Elternschaft!


    Der Autor
    Tom Hodkinson, geboren 1968, hat englische Literatur studiert und unter anderem in einem Skateboardladen gearbeitet. Nach der Entlassung durch eine bekannte Boulevardzeitung lebte er von Sozialhilfe und gründete die Zeitschrift "The Idler" . Seither gilt er in den englischen Medien als Experte für alles, was mit Müßiggang zu tun hat. Er lebt mit seiner Familie in Devon, England.


    Inhalt
    "Der Samstagmorgen ist dafür da rumzuliegen und nichts zu tun" so Tom Hodgkinson, der uns bereits zum Müßíggang verführte (Anleitung zum Müßiggang), bevor wir Eltern wurden. Kinder können sich gut allein beschäftigen, sie können sich auch allein das Frühstück machen, während ihre Eltern ausschlafen, berichtet der Vater dreier Kinder. Hodgkinson ist erklärter Gegner von Freizeitparks und allen kommerziellen Freizeitangeboten, schließlich biete die Natur genug Kieselsteine für alle. Als positiv für die Entwicklung von Kindern sieht der Autor den eigenen Garten, Haustiere, Campen, Hausunterricht und simples Herumbalgen mit den Kindern. Seine Feindbilder sind ehrgeizige Eltern, die ein Nonstop-Unterhaltungsprogramm anbieten, quengelnde Kinder und moderne Kommunikationstechnologien. Aus dem gesunden Misstrauen des Autors gegen staatliche Bildungssysteme resultiert seine Forderung, die Schulpflicht locker zu nehmen und z. B. die Kinder nur von Dienstag bis Freitag in die Schule zu schicken. Hogdkinsons Elternschelte kann demnach nicht so ernst gemeint sein.


    Als "chaotischer, zum Desaster neigender Faulpelz" hat der dreifache Vater einige seiner klugen Gedanken bei Locke, Rousseau und A. S. Neill gefunden. Das Buch enthält zweifellos Weisheiten, die Eltern zur Konzentration auf das Wesentliche in der Erziehung anregen.


    "Lobt Kinder in der Öffentlichkeit und tadelt sie nur zu Hause" (John Locke),


    Ohne Fernsehen hat der Tag mehr Stunden oder auch:


    Geben Sie nicht die gesamte Verantwortung für Erziehung und Bildung an die Schule ab, bringen Sie sich selbst in die Schulgemeinschaft ein.


    Hodkinson hat sich mit der Überzeugung auf sein Sofa zurückgezogen, dass für seine Kinder gut sein muss, was für den Vater in den 70er Jahren gut war. Da seine Kinder erst zwischen 3 und 8 Jahren alt und die beiden älteren Sprösslinge Jungen sind, mag die analoge Welt des Buddelns, Schnippelns und Hämmerns für sie bisher ein Kinderparadies gewesen sein. Doch was passiert, wenn Hodgkinsons Dreierbande sich später einmal zu drei ganz unterschiedlichen Charakteren entwickelt und seine Tochter sich für andere Dinge interessieren wird als ihre Brüder? Vermutlich folgt dann ein Buch über Töchter oder über Väter Pubertierender.


    Die zweite Hälfte des Buches fällt (selbst für mich als Fan von Lagerfeuern und Baumhäusern) stark ab durch den Eindruck, dass Hodgkinson im Widerspruch zu seinem eigenen Appell gemeinsam mit den Kindern zu lernen, sich ungern mit der Gegenwart oder der Zukunft beschäftigt. Seine Kinderbuch-Empfehlungen, ("ich halte nicht viel von modernen Kinderbüchern") die immerhin mehr als 10 Seiten umfassen, beschränken sich auf Klassiker von Blyton, Lewis bis zu Dickens. Zu loben ist, dass der Autor mit einem sorgfältig erstellten umfassenden Register konsequent für den faulen Leser mitdenkt, der nur die Kapitel lesen möchte, die ihn interessieren.


    Fazit
    Hodgkinsons Polemik provoziert ohne Frage. Im Rückblick stellt der Leser verblüfft fest, dass die grundlegenden Gedanken des Autors Gelassenheit in der Erziehung und innere Unabhängigkeit gegenüber dem, "was alle haben oder tun", bewirken können.
    P. S.: Von Hodgkinson kann profitieren, wer eine Neigung dazu hat, seine Kinder selbst zu unterrichten (was ich in Deutschland für sehr unrealistisch halte) oder nostalgisch mit der Schule nach A. S. Neill sympatisiert.


    7 von 10 Punkten