Der Geschichtenerzähler - Omair Ahmad

  • Inhaltsangabe (laut Schutzumschlag)
    Mitte des 18. Jahrhunderts wird Delhi wieder einmal zerstört. Ein heimatloser Geschichtenerzähler findet auf der Flucht Unterschlupf bei einer jungen Fürstin. Für die gewährte Unterkunft erzählt er ihr eine Geschichte. Sie antwortet mit einer Geschichte und fordert den Erzähler heraus. Als Resultat entspinnen sich Geschichten voller Poesie und versteckter Botschaften, mit vielschichtigen Bezügen zu Krieg und unlebbarer Liebe.


    Der Autor
    Omair Ahmad, wurde 1974 in Nordindien geboren, lebt nach Abstechern in Saudi-Arabien und einem Studium in New York heute wieder in Delhi.


    Die Übersetzung besorgte Anne Breubeck.



    Meine Meinung
    Der vorliegende schmale Band, trotz großzügigen, aber deutlich augenfreundlichen Drucks gerade einmal 138 Seiten stark (mit Danksagung), war im letzten Jahr eines der Quartalsbücher im Anderen Literaturklub.


    Geschichten, mir natürlich unbekannt und doch war da ein (Wieder-)Erkennen, ein Hauch nur, wie der erste warme Wind, der im Frühjahr die Haut streichelt und die Erinnerung wach ruft an duftende Blüten, an laue Abende, an leise Gespräche und an das Lauschen in die Dunkelheit. Geschichten, die jene aus Tausendundeiner Nacht fortführen, so schien es mir. Geschichten, denen der manchmal allzu süßliche Geruch eines offensichtlichen Happy End gänzlich fehlt. Geschichten, die vor allem von einem berichten, nämlich von der Liebe. Geschichten auch, die ich mehrfach gelesen habe, doch kann ich immer noch nicht daran glauben, ihre ganze Schönheit wirklich erfasst zu haben.


    Die Rahmenhandlung ergibt sich aus der oben zitierten Inhaltsangabe. Die (erzählten) Geschichten, ganze vier sind es nur, haben zum großen Teil und für mich doch verblüffenderweise das gleiche Personal, sie beziehen sich aufeinander, schreiben sich fort, erzählen sich aus einem anderen Blickwinkel. Es sind Geschichten um Aresh, den Königssohn, und Barab, den Sohn des Holzfällers, um ihr Leben als Brüder, ihre Freundschaft zueinander, um ihre Wirkung, innerlich wie äußerlich, auf die Menschen in den Geschichten wie auf die beiden Hauptdarsteller der Rahmenhandlung. Es sind auch Geschichten über Gewalt und Krieg - Gewalt zum Teil bedingt durch Liebe, Krieg natürlich bedingt durch Gier und Neid.


    Omair Ahmad leugnet die lange Erzähltradition seiner Heimat, seiner Vorfahren nicht; im Gegenteil, er – so sagt er in seinem lesenswerten Vorwort – erzähle diese Geschichten, die nicht ihm gehörten, „nur“ auf seine Weise. Das empfand ich als überaus gelungen, für eine viel zu kurze Zeit war ich Teil dieser Märchen, dieses Buches, saß ich mit in der lauschenden Schar, ließ mich gefangen nehmen von der Eleganz und der Poesie dieses Erzählens, das schon anders klingt als das der „Alten“, nicht so verwoben, nicht so blumig. Klarer könnte man es vielleicht nennen, vielleicht sogar nüchterner, auf jeden Fall aber moderner.


    „Der Geschichtenerzähler“ ist eine kleine Perle – oder sollte ich nicht besser sagen ein kleines, aber sehr kostbares Stück Brokat, changierend und mit Farben, die eher zu glühen denn zu leuchten scheinen. Einmal in der Hand gehalten, wird man es nie so ganz vergessen können.


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    Edit wollte noch gesagt haben, dass man nicht Mitglied des Anderen Literaturklubs sein muss, um das Buch erwerben zu können.


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  • Sehr schöne und aufschlussreiche Rezi. Das Buch liegt auch noch bei mir und wartet darauf gelesen zu werden. Der "Andere Literaturclub" bringt immer wieder wunderbare Sachen heraus. Ich habe die Mitgliedschaft dort bis heute nicht bereut. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.