Runen - Elias Snaeland Jónsson

  • Ich hab es ja schon geahnt, dass dieses Buch Mist sein würde, aber dass es so schlimm kommen würde, hat mich dann aber doch überrascht.


    Melkorka ist Fernsehjournalistin beim isländischen Fernsehen, sieht wahnsinnig gut aus, ist furchtbar klug und ausgesprochen erfolgreich. Zudem ist sie mit dem sexiesten Mann Islands verheiratet und Mutter eines kleinen Sohnes. Dunkle Schatten legen sich auf das Leben dieses Bilderbuchweibs, als ihr geliebter Opa ihr ein Notizbuch, natürlich in Runenschrift verfasst, vermacht, aus dem hervorgeht, dass er in seiner Jugend als begeisterter Nazi versucht hat, eine in irgendeinem Edda-Lied angeblich verschlüsselte Bauanleitung für Thors Geheimwaffe aufzustöbern, mittels der die Nazis hofften, den Krieg doch noch zu gewinnen.
    Bald hat Melkorka jede Menge seltsame Gestalten am Hacken, Nazis und Nazijäger, Söldner, verrückte Millardäre a la Dr. No und dubiose Wissenschaftler, die alle hinter das Geheimnis des Notizbuchs kommen wollen...


    Mit einer hirnrissigen Story mag man noch leben können, aber hier ist auch die Umsetzung unter aller Kanone, und zwar in allen Disziplinen. Die Sprache geht über die einer ambitionierten Viertklässlerin nicht hinaus: Augen blitzen, man steht starr vor Schreck, beobachtet mit ungläubigem Entsetzen.


    Auch eine glaubwürdige Personenzeichnung ist in diesem Roman nicht existent. Die Heldin mutiert zwar zu einer unkaputtbaren Kampfmaschine, als es um die Rettung ihres Sohnes geht, ansonsten interessiert sich sich im Laufe des gesamten Buches nicht die Bohne für das Kind. Es ist vollkommen unersichtlich, aus welchen Motiven die Protagonisten handeln, die Nazis sind halt Nazis, die Nazijäger finden Nazis eben doof und wäre nicht ab und zu der Hinweis platziert worden, dass das Ganze ja in den Öfen Auschwitz' endete, wäre unklar geblieben, wo eigentlich das Problem liegt.


    Noch nicht mal ordentlich geplottet ist die ganze Geschichte. Hinweise sind so ungeschickt platziert, dass die Auflösung, die eigentlich erst ein paar Seiten später kommen soll, sofort klar auf der Hand liegt. Mancher Handlungsstrang verliert sich im Sande und selbst die, die bis zum Schluss durchhalten, verlieren im Laufe des Romans ihren roten Faden, so sie denn je einen gehabt haben und die ganze Geschichte endet in einem heillosen Durcheinander.


    Ich hatte mal in der fünften Klasse eine Klassenkameradin, die regelmäßig die Bonanzageschichten nachgeschrieben hat, die sie zuvor im Fernsehen gesehen hatte. Hätte sie das mit einem frühen Bond getan, wäre wohl genauso eine Geschichte dabei rausgekommen.
    Prädikat unterirdisch!

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Schöner Verriß!
    Macht Freude sowas auch mal zu lesen.
    Obwohl ich Island-Krimis sehr gern mag, werde ich von diesem Ding dann wohl besser meine Finger lassen.
    Herzlichen Dank für diese Warnung. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Du hast das doch schon im SUB, nicht wahr? Ich hadere gerade mit mir, ob "Runen" dem "Höllenengel" den Rang als miesester Island-Krimi ablaufen kann
    und bin auf weitere Meinungen gespannt :wave

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Ja, die subben sogar beide bei mir. Ich finde halt nur die Vorstellung, wir würden "Runen" aktuell im Lesekreis lesen und beim nächsten Treffen dann so richtig nach Strich und Faden gemeinsam auseinandernehmen, hinreißend. Wahrscheinlich wäre das Machwerk über die Auswahlrunde aber eh nicht hinausgekommen. :lache

  • Zitat

    Original von Fandorina
    Wahrscheinlich wäre das Machwerk über die Auswahlrunde aber eh nicht hinausgekommen. :lache


    Ja, es deutet sich in der Tat schon sehr früh an, dass dieses Buch, ähm, speziell ist.

    Allerdings ist es durchaus interessant, üben doch die Nazis eine fast morbide Anziehungskraft auf so manchen isländischen Autor aus. Dabei spielen dann weniger Blitzkrieg, Endlösung oder der Hitler-Stalinpakt eine Rolle, sondern meist stehen verschwundenes Nazigold, Germanen-Mumpitz oder Runen-Schnickschnack im Vordergrund. Wenn ich mich recht entsinne, spielte das auch im Höllenengel eine Rolle, wie auch im Gletschergrab von Indridason.
    Vielleicht könnte man sogar vom Sub-Genre des isländischen Nazi-Thrillers sprechen, der in Island zwar gut ankommt, in Deutschland aber tendentiell durchfällt :gruebel


    Wie wär's, wenn du zumindest eins von beiden in deinem SUB ein wenig nach oben rücken ließest?

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Ich knabbere ja leider noch immer an "Blutberg", weil ich mangels Lesezeit schon fast den Überblick über die handelnden Personen verloren habe. Allerdings habe ich mir "Runen" nun tatsächlich mal unübersehbar zuforderst ins Regal gelegt. :yikes

  • Ja, sehr schöne Buchvorstellung. :lache


    Vielen Dank. :bonk :grin

    Bisher habe ich noch nie einen Island-Krimi zuende gelesen, allerdings auch nur einen angefangen. Nach der TV-Kommissarin Lund aus Kopenhagen im letzten Sommer, die begeistern konnte, sind dann doch mal einige Nord-Krimis auf die Merkliste oder in den SUB gewandert, so auch dieses "Machwerk" (?). Der Plot hörte sich zwar nicht realistisch an, aber manchmal mag man ja auch mal Action und das Cover finde ich ganz hübsch.


    Das hübsche bunte Cover sehe ich auch nur online, ich habe "Runen" als eBook, das war zumindest 3 Euro preiswerter und nimmt keinen Platz weg ... Es kommt ja immer mal vor, dass man nicht (ein)schlafen kann, vielleicht kann ich dann ja irgendwann auch noch eine Meinung beisteuern.



    .

  • Wobei ich ja glücklicherweise kein oder zumindest kaum Geld dafür ausgegeben habe. Ist ein Tauschbuch von Tauschticket.


    Ich lese seit ein paar Monaten wieder verstärkt Krimis und Romane von isländischen Autoren. Und ich kann sagen, dass sie alle ihre eigene Handschrift haben. Auch wenn sich manche Themen scheint's in den Krimis extrem oft wiederfinden. Zum Thema sexueller Missbrauch an Jungen habe ich sogar eine kleine Liste erstellt. :rolleyes

  • Zitat

    Original von Fandorina
    Ich knabbere ja leider noch immer an "Blutberg", weil ich mangels Lesezeit schon fast den Überblick über die handelnden Personen verloren habe. Allerdings habe ich mir "Runen" nun tatsächlich mal unübersehbar zuforderst ins Regal gelegt. :yikes


    Aber knabbre doch bitte zuerst mal den Blutberg zu Ende. Der ist nämlich meiner Meinung nach mal ein wirklich gelungener Islandkrimi.


    Deine Missbrauchs-Liste würde mich allerdings auch mal interessieren, mir fällt gerade nur ein, dass das bei Indridasson öfter mal Thema ist, aber sonst :gruebel

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Wenn ich länger am "Blutberg" dranbleiben kann, flutscht der auch richtig gut. :-)


    Meine kleine Liste sieht folgendermaßen aus:


    Arnaldur Indridason "Menschensöhne" + "Engelsstimme"
    Viktor Arnar Ingólfsson "Haus ohne Spuren" + "Späte Sühne"
    Yrsa Sigurdardóttir "Feuernacht"


    In allen diesen Krimis geht es in der Haupt- oder Nebenhandlung um das bewusste Thema und alle diese Krimis habe ich quasi hintereinander weg gelesen. Da musste es mir auffallen.

  • Ich habe auch schon ziemlich viele Isländer gelesen, aber "Höllenengel" und "Runen" habe ich beide nicht weiterlesen können.
    Die sind beide so üüüüberspektakulär und Gangsterfilm-mäßig, dass man den Eindruck hat, man hätte den CSI-Miamis Winterjacken angezogen, ihnen die Sonnenbrillen weggenommen und sie nach Island geschickt.
    Dieser Auftritt ist dann bestenfalls affig, was auch "Runen" und "Höllenengel" gut beschreibt.
    Und zum "Runen"-Cover: Sieht halt aus, wie alle Island-Krimis, mit Gletscher und Häuslein. Was aber die Runen und die Nazis damit zu tun haben sollen, weiß ich auch nicht.
    Aber das gehört halt zum Islandkrimi-Business: idyllische Cover und oft dämliche Titel in allen Variationen von "Eis", "Gletscher", "Feuer" und "Kälte".
    Ich kann inwischen auch gar nicht mehr auseinanderhalten, was ich da schon gelesen hab, das ist mir oft alles zu ähnlich.
    Da muss mir Draper immer noch weiterhelfen, so nach dem Motto
    "Äääh, hast du noch das eine Buch von Indridason, äh, das mit dem Gletscher und den komischen Namen, und dem Kommissar mit der Tochter, oder das Andere mit dem Verschollenen Jungen..." :gruebel
    ...
    Wundersamerweise bekomm ich dann doch immer eins, das ich noch nicht gelesen habe.
    Vielleicht merk ichs auch einfach nicht, lese eins dreimal und denke mir "mannmann, das ist ja genau wie in dem anderen Buch mit dem Gletscher und den komischen Namen..." :grin
    @ Fandorina: Die verwechsel ich übrigens auch gerne, die heißen schon alle immer ähnlich und seltsam, die Isländer. Wenn dann auch noch die Verniedlichungsformen dazukommen, seh ich überhaupt nicht mehr durch...
    Manche isländische Autoren scheinen das mit den Namen aber nachvollziehen zu können und schreiben ein Namensverzeichnis. :anbet


    (zurück zu "Runen": Ich hab ja schon vieles gehört, Melkorka ist zweifelsohne der dämlichste Name, der mir jemals in einem Buch untergekommen ist...)

  • Auweia! Dieses Buch habe hatte ich seit vor Weihnachten auf meiner Wunschliste stehen :yikes. Es sah einfach so schön aus :-( Zum Glück habe ich jetzt diesen Fred gesehen :lache Jetzt habe ich es schnell mal runtergelöscht.

    Liebe Grüße :wave


    Waldmeisterin


    Every day I give my family two choices for dinner: take it or leave it!


    Nulla unda tam profunda quam vis amoris furibunda

  • Zitat

    Original von Pause
    @ Fandorina: Die verwechsel ich übrigens auch gerne, die heißen schon alle immer ähnlich und seltsam, die Isländer. Wenn dann auch noch die Verniedlichungsformen dazukommen, seh ich überhaupt nicht mehr durch...
    Manche isländische Autoren scheinen das mit den Namen aber nachvollziehen zu können und schreiben ein Namensverzeichnis. :anbet


    An den isländischen Namen liegt meine Verwirrung keinesfalls. Zumal gerade in "Blutberg" viele der verwendeten Namen auch in Deutschland gebräuchlich sind, z. B. Katrín, Stefán, Róbert und Matthías. Nein, ich mag die isländischen Namen sogar sehr und kann sie gemeinhin auch sehr gut auseinanderhalten.


    Den Krimi habe ich übrigens noch immer nicht durch. Habe am Wochenende ein anderes Buch dazwischen geschoben, um einer Leseflaute zu entgehen. Und bin jetzt einigermaßen motiviert, den Krimi doch noch zu beenden. Obwohl ich ihn schon als "abgebrochen" gelistet habe und mir ehrlich gesagt die Auflösung inzwischen auch herzlich egal ist.

  • In zweierlei Hinsicht.
    Draper hat das sehr gut getroffen, die ganze Geschichte ist haarsträubend und in RTL II-Blockbuster-Manier geschrieben.
    Sie besteht hauptsächlich aus Beweihräucherung der Protagonistin, ein Bisschen Halbwissen in Sachen Nationalsozialismus und mystischer Verklärung- ich hatte gehofft, diese übernatürliche Komponente würde sich aufklären, aber nein, am Schluss kommts nochmal dick. Thors Hammer gibts nämlich wirklich und davon abgesehen ist letztendlich doch wieder alles gut, nur keiner weiß warum.
    Irgendwie beschlich mich auch der Gedanke, dass Mister Island die gute Melkorka doch irgendwann verlassen oder zumindest betrügen müsste, aber das ist die Erweiterung des Plots in meinen Gedanken, weil der im Buch nicht ausreicht.
    Die Personen sind irgendwie derart öde, dass ich mich in der realen Welt nie und nimmer mit ihnen auseinandersetzen würde. Im Buch musste ich das leider zähneknirschend, da ich schon rausfinden wollte, was denn nun noch alles in diese Geschichte reingestopft wird.
    Lustigerweise saß im Zug neben mir ein Glatzköpfiger Hüne mit Vollbart, Runentatoos und Thor-Steinar-Bauchtäschchen, inklusive "White Pride" T-Shirt.
    Der illerte immer recht interessiert auf das Buchcover, da dachte ich mir schon, "wenn der wüsste", und lachte in mich hinein, obwohl solche Menschen eigentlich ja nicht zum Lachen sind.


    Kurzum: es IST das schlechteste Island-Buch.
    Runen hat zwar gewisse Tendenzen in Richtung "Iron Sky", ist aber bierernst gemeint, was mich eher seufzen als schmunzeln lässt. Noch dazu ist dieses heikle Thema in einer Art und Weise übertrieben worden, die auf das Vollständige Fehlen von Anstand und Humor beim Autor schließen lässt.
    Höllenengel ist hingegen so überzogen und absurd, dass der Trashfaktor wirklich Spaß macht.
    Ich brauchte für Runen zwei Anläufe, aber ich war am Ende genauso verwirrt wie mittendrin.
    Schlimmster Humbug, das Buch.


    Gruß,
    Pause :monster

  • So langsam sollte ich es wirklich mal lesen. :lache


    Pause :
    "Höllenengel" fand ich auch unterhaltsam in seiner Überzogenheit.