Fünf Freunde: Die Sache mit der Schatzinsel/Five on a Treasure Island

  • CCF (Children’s Film & Televison Foundation) GB 1957
    8 Episoden, 120 min. schwarz-weiß
    Deutsche Erstausstrahlung 1964 (ARD)



    Der erste Band der berühmten Serie um die Fünf Freunde von Enid Blyton wurde 1957 für das damals noch junge Fernsehen verfilmt. In 8 jeweils ca. 16 - minütigen wird erzählt, wie sich die vier Kinder und der Hund kennenlernen und in ihren gemeinsame Ferien über einen Schatz und böse Schatzräuber stolpern.


    Die Verfilmung hält sich nahe an die Vorlage. Es gibt ein paar Abweichungen, so sind Georges Eltern gerade beim Umzug, weil sie sich das große Haus nicht mehr leisten können. Zudem wird die englische Marine als Heldin miteingeführt, Onkel Quentin arbeitet an einem geheimen Marine-Projekt. Das wäre nicht gewesen, stört aber nur wenig. Unter visuellen Gesichtspunkten betrachtet, bekommt man noch ein paar schicke Aufnahmen eines älteren (damals hochmodernen) Zerstörers zu sehen. Störend ist eher die Umbenennung von Tante Fanny in ‚Margaret’ und von Georges Freund, dem Fischerjungen Alf in ‚Jan’. Man gewöhnt sich aber schnell daran.


    Die Kinder sind sehr munter, agieren wunderbar natürlich und man fühlt sich sofort wohl mit ihnen. Wir treffen einen ernsten, verantwortungsvollen Julian (Richard Palmer) mit einem überraschend charmanten Lächeln, einen gefräßigen kleinen Dick (John Baily), der zwischen Lausbub und erstem vernünftigem Denken schwankt, eine absolut niedliche Anne (Gillian Harrison), die ihre Bemühungen, genauso tapfer und vernünftig zu sein, wie die ‚Großen’ wunderbar mit der klassischen Rolle eines richtigen lieben kleinen Mädchens verbindet und eine überzeugende George (Rel Grainer). Tatsächlich wünscht man sich, daß die einzelnen Episoden länger wären, damit man der Interaktion der Kinder noch länger zusehen kann, vor allem, wenn sie kabbeln oder dumme Ideen aushecken, auf die nur Kinder kommen können, weil sie noch nicht an die Folgen denken. Hund Timmy wuselt handlungsgerecht herum, verpatzt oder rettet, wie es sich gehört. Schön böse und streckenweise unheimlich sind die Schatzräuber, sympathisch verpeilt und zugleich überstreng Onkel Quentin. Das ist natürlich auch zeitbedingt, wer wird heute noch beim Essen umgehend vom Tisch verwiesen, weil er ein wenig unhöflich ist?


    Die Insel selbst gibt es nicht, gedreht wurden die Szenen in der Burgruine auf Corfe Castle (das auch in der Verfilmung 1996 noch einmal benutzt wurde) und das ganze dann als Insel bei den Ansichten von der Festlandsbucht aus in den Film einkopiert. Ähnlich wird mit dem Wrack verfahren, das hier übrigens nur teilweise auftaucht im Unterschied zur Vorlage.


    Spannung entsteht, weil die Kinder, wie im Buch, lange nichts von den Schatzräubern ahnen und dann bei der Schatzsuche z.T. in haarsträubende Situationen geraten. Da gibt es einiges mehr als im Buch. Es gibt wilde Jagden, viel, vielleicht ein wenig zuviel, Auf und Ab am Burghang bei Verfolgungsjagden und gefährliche Tauchszenen. Die Dialoge sind munter, die Kinder schlagfertig, auch auf der deutschen Tonspur. Hier ist die Übersetzung allerdings auch zeitgenössisch, George sagt dann etwa solche Sätze, wie: Sie sind ein roher, gemeiner Kerl!


    Die einzelnen Folgen wurden von Woche zu Woche ausgestrahlt, und wie es sich gehört, enden sie mehrfach mit richtig fiesen Cliffhangern. Die jungen ZuschauerInnen von 1957 haben noch im Nachhinein mein Mitgefühl. Eingeleitet werden die Episoden jeweils von einer Zusammenfassung, die Julian gibt, oder aber einer der Bösewichte. Gerade letzteres nimmt hin und wieder ein wenig Spannung.


    Man kann die Episoden Stück für Stück anschauen oder alle nacheinander ablaufen lassen, aber auch dann kommt man um die einführenden Worte nicht herum. Das ist schade, denn insgesamt ist das Ganze so gut gemacht, daß man die dauernden Unterbrechungen eigentlich übel nimmt und sich gestört fühlt. Die eigentliche Handlung aneinanderzuhängen und zusätzlich einen 60 Minuten-Film daraus zu machen, wäre die bessere Lösung gewesen. Die Atmosphäre, die die Verfilmung vermittelt, ist einfach wunderschön. Es ist wirklich bedauerlich, daß es damals keine weiteren Verfilmungen dieser Art gab.


    Für Kinder heute ist das Ganze möglicherweise spannungslos, zu zahm, nicht rasant und fetzig genug. Zu still (die Filmmusik ist tatsächlich zu eintönig) und zu farblos. Die erste Verfilmung eines Abenteuers der fünf Freunde ist nostalgisch im besten Sinn, weil sie die Atmosphäre der Blyton-Vorlage bis ins Detail einfängt und wiedergibt. Tatsächlich fühlt man sich beim Anschauen gerade wieder so, wie man sich gefühlt hat, als man das Buch vor vielen vielen Jahren zum erstenmal in der Hand hatte.
    Ein echtes Liebhaberstück.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus