Beeinflusst die Autorenvita eure Kaufentscheidung?

  • Zitat

    Original von hef
    Ich muss bekennen, dass die Vita des Autors für mich ein wichtiger Faktor zum Kauf ist. Ist sie langweilig bis nichtssagend, hat er nur geringe Chancen bei mir. Ist sie gelogen, gefaked, komme ich bald über den Inhalt des Buches dahinter.


    Hm, dann bist du also immer schlauer als jeder Autor der für sein Buch sehr gut recherchiert hat? Hast alles schon gesehen und erlebt? :gruebel :rolleyes

  • Zitat

    Original von hef
    Ich muss bekennen, dass die Vita des Autors für mich ein wichtiger Faktor zum Kauf ist. Ist sie langweilig bis nichtssagend, hat er nur geringe Chancen bei mir. Ist sie gelogen, gefaked, komme ich bald über den Inhalt des Buches dahinter.


    Ich glaube nicht, dass die persönlichen Lebensumstände eines Autors sich zwangsläufig auf die von ihm produzierten Geschichten auswirken.


    Warum soll ein Stubenhocker nicht einen brillianten, hochspannenden Thriller schreiben können?
    Ich habe schon sehr gute Bücher aus der Feder von Schriftstellern gelesen, die ein äußerst unspektakuläres Leben geführt haben.


    Ist etwa auch der Schauspieler überzeugender/besser, der ein exzessives Schillerleben führt?


    Hemingway litt ja bekanntlich unter Alkoholproblemen und Depressionen und hat sich erschossen. Mag sein, dass derartige Persönlichkeiten zu außergewöhnlichen kreativen Leistungen fähig sind. Eine Regel würde ich daraus aber nicht ableiten.

    :flowersIf you don't succeed at first - try, try again.



    “I wasn't born a fool. It took work to get this way.”
    (Danny Kaye) :flowers

  • Mir ist die Vita eines Autors relativ egal. Würde ich meine Kaufentscheidung von der Vita des Autors abhängig machen oder mich von ihr stark beeinflussen lassen, dann hätte ich wohl auf die Bücher von Knut Hamsun, Gottfried Benn oder auch Gertrud Fussenegger verzichten müssen.


    Entscheidend ist das Buch. Die Vita des Autors ist für mich nur dann von Interesse, wenn die Frage im Raum steht, ob der Autor aus eigenem Erleben geschrieben hat.


    Es gibt Autoren die mag ich gar nicht - ihre Bücher aber finde ich genial. So geht es mir beispielsweise bei Günter Grass. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich sehe es ähnlich wie Voltaire: die Vita ist zunächst unwichtig.


    Erfahrungsgemäß verhält sich die Anzahl der Macken des Autors proportional zur Anzahl seiner Ideen und sein erzählerisches Können umgekehrt proportional zu seiner Sozialverträglichkeit.


    Da das Wesen des Autors großen Einfluss auf seine Vita hat, empfehle ich dem Leser, die Vita des Autors im Nachgang als "Epilog" zu lesen. Dadurch wird die Motivation des Stoffs "erhellt" und der Leser (im Zweifelsfall) den Autor besser verstehen lernen.

  • Nun, es wird ja auch hier immer wieder erwähnt, dass jeder, der ein Textverarbeitungsprogramm bedienen kann, sich als Schriftsteller bezeichnen kann. Insofern ist die Vita für mich so eine Art Qualifikationsnachweis, also ob der Autor einen sprachaffinen Beruf ausgeübt hat, ein entsprechendes Fach studiert hat oder sich am Schauplatz gut auskennt.
    Natürlich kann das auch nach hinten losgehen. Schätzing kann als Werbemensch sicherlich gut texten, aber die Bücher sind lausig. Ein naturwisenschaftliches Studium ist sicherlich nicht Garant für einen guten Wissenschaftsthriller und zwei Urlaubsaufenthalte in Schottland (die der Verlag sicherlich als profunde Schottlandkenntnisse bezeichnen würde) reichen vielleicht für einen Highlander-Nackenbeißer, aber sicher nicht für einen vielschichtigen Schottlandroman.


    Natürlich kommt es auf den Inhalt eines Buches an, aber Inhalte sind bekanntlich begrenzt. Wenn mir zwei Bücher einen spannenden Krimi rund um den Nordirland-Konflikt versprechen, greif ich im Zweifelsfall zu dem Autor, der als taz-Korrespondent seit 1986 in Belfast lebt, denn zu der Hausfrau aus Altötting, die seit ihrer Kindheit großer Irland-Fan ist

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Schätzing kann als Werbemensch sicherlich gut texten, aber die Bücher sind lausig.



    Geschätzte Draper,
    welch böse Worte findest du für die Werke des geschätzten Schätzing. Was ist lausig an seinen Büchern?


    Ich habe in seinen geschätzten Werken "Der Schwarm", Tot und Teufel", "Lautlos" keine einzige Laus verschluckt.


    Plot, Spannung, Stil waren m.E. keinesfalls lausig. Aber vielleicht habe ich nichts verstanden, ich bin hier ja noch Stift und muss mich noch nach oben arbeiten ...


    Über eine Erklärung würde ich mich sehr freuen.

  • Zitat

    Original von beisswenger
    Ich habe in seinen geschätzten Werken "Der Schwarm", Tot und Teufel", "Lautlos" keine einzige Laus verschluckt.


    Über eine Erklärung würde ich mich sehr freuen.


    Dummerweise bin ich gelernte Biologin und habe, trotz der erklecklichen Anzahl an Professoren, die Schätzing in seiner Danksagung erwähnt, so manchen wissenschaftlichen Klops gefunden. Blöderweise habe ich das Buch vor meiner Zeit bei den Eulen gelesen, und so weist mir nicht eine bunte Schar an Postit-Zetteln den Weg zu diesen Klopsen.


    Und die Schwarte noch einmal zu lesen übersteigt gerade meine zeitlichen und mentalen Kapazitäten.


    Außerdem schien mir das "Gerüst" des Romanes jederzeit erkennbar, verschwand also nicht hinter der Geschichte. Aber das mag das Problem meines ganz privaten Kopfkinos sein :rolleyes

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Danke, liebe Draper. Dein Urteil kann ich nun für das Buch "Der Schwarm" nachvollziehen. Habe mich weniger mit Biologie beschäftigt, aber auch für mein Denken gelten wissenschaftliche Prinzipien.


    Demnach ist die Induktion als Erklärungsmodell unzulässig.

  • Zitat

    Original von beisswenger


    Erfahrungsgemäß verhält sich die Anzahl der Macken des Autors proportional zur Anzahl seiner Ideen und sein erzählerisches Können umgekehrt proportional zu seiner Sozialverträglichkeit.


    DAS ist eine interessante These ...


    Auf welche Erfahrungen bezieht sich deine Aussage?!


    :gruebel



    Grüße,
    Melle

  • Nun, liebe Kollegin Melle,


    zum einen habe ich eigene Erfahrungen mit Autoren gemacht. Und zum anderen berufe ich mich auf Sekundärliteratur sowie (Vor)Urteile, die allgemein bekannt sind, u.a.


    Ernst Jüngers Käfersammlung, Hemingways Saufgelage, Houellebecqs sexuelle Frustrationen, Max Frischs Sprachfehler, Hesses fehlender Sinn für Humor, Thomas Manns Gefühlskälte, Thomas Bernhards Narzissmus, Swifts Reizbarkeit, Uwe Johnson Grobheit …


    Diese Erfahrungen haben mich zu dieser (leicht ironischen) Wertung veranlasst.


    Übrigens: reizvoll in diesem Zusammenhang ist folgendes Buch:


    Walter Kempowski: „Umgang mit Größen; Meine Lieblingsdichter – und andere“, herausgegeben von Karl Heinz Bittel, Knaus Verlag, München 2011, gebunden, 288 Seiten, 19,99 Euro.

  • OT


    Na, dann habe ich wohl das unverschämte Glück, die wenigen Autoren zu kennen, die trotz großem erzählerischen Können auch über eine angenehme Sozialkompetenz zu verfügen.


    *Schweiß von der Stirn wisch*


    Auch bin ich auch einfach noch zu jung, um Ernst Jünger, Hemingway und Max Frisch persönlich zu kennen - und auch zu unbedeutend, um mit Houellebecqs sexueller Frustration konfrontiert zu werden.
    Vor diesen Erfahrungen bin ich glücklicherweise sicher.


    Abwertung ist übrigens ein weit verbreiteter Abwehrmechanismus, damit ist man also nie alleine ...


    ;-)


    Frau Melle

  • Zitat

    Original von Themrys
    Neulich habe ich irgendwo gelesen, dass sich Bücher von Autoren, die ein interessantes Leben führen (Weltreisen machen, Halbindianer sind, oder was auch immer) angeblich besser verkaufen.


    Trifft das bei euch zu?


    Meine Lieblingsautorinnen und Autoren führen oder führten allesamt ein friedliches, unauffälliges Leben, und bei den Autoren von denen ich nur ein Buch gelesen habe, habe ich den entsprechenden Text nicht mal gelesen. Bin ich unnormal? :gruebel


    Ich habe mal ein unglaublich schlechtes Buch gelesen. In der Autorenvita stand, dass die Autorin vor ihrer Tätiigkeit Sportlerin war und auch das Lesen spät für sich entdeckte.
    Ich lese gerne Bücher von Autoren, die sich mit einer Wissenschaft beschäftigt haben und /oder ein Schicksal gemeistert haben.

    "Literatur ist die Verteidigung gegen die Angriffe des Lebens."


    "...if you don't know who I am - then maybe your best course would be to tread lightly."

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    Nun, es wird ja auch hier immer wieder erwähnt, dass jeder, der ein Textverarbeitungsprogramm bedienen kann, sich als Schriftsteller bezeichnen kann. Insofern ist die Vita für mich so eine Art Qualifikationsnachweis, also ob der Autor einen sprachaffinen Beruf ausgeübt hat, ein entsprechendes Fach studiert hat oder sich am Schauplatz gut auskennt.
    Natürlich kann das auch nach hinten losgehen. Schätzing kann als Werbemensch sicherlich gut texten, aber die Bücher sind lausig. Ein naturwisenschaftliches Studium ist sicherlich nicht Garant für einen guten Wissenschaftsthriller und zwei Urlaubsaufenthalte in Schottland (die der Verlag sicherlich als profunde Schottlandkenntnisse bezeichnen würde) reichen vielleicht für einen Highlander-Nackenbeißer, aber sicher nicht für einen vielschichtigen Schottlandroman.


    Natürlich kommt es auf den Inhalt eines Buches an, aber Inhalte sind bekanntlich begrenzt. Wenn mir zwei Bücher einen spannenden Krimi rund um den Nordirland-Konflikt versprechen, greif ich im Zweifelsfall zu dem Autor, der als taz-Korrespondent seit 1986 in Belfast lebt, denn zu der Hausfrau aus Altötting, die seit ihrer Kindheit großer Irland-Fan ist


    *unterschreib*

    "Literatur ist die Verteidigung gegen die Angriffe des Lebens."


    "...if you don't know who I am - then maybe your best course would be to tread lightly."

  • Diese Vierzeiler vorne im Buch lese ich gar nicht erst durch. Und meine Kaufentscheidung beeinflusst die Vita eines Autors nicht. Aber wenn ich von einem Autor mehrere Bücher gelesen habe, die mir gefielen, dann interessiere ich mich schon dafür, was das so für ein Mensch ist.
    Und ich denke, bei manchen Autoren - John Irving, Thomas Bernhard, Charles Bukowski, um nur einige zu nennen - spürt man beim Lesen ziemlich gut den Menschen, der das Buch geschrieben hat. Aber ich würde nie ein Buch kaufen, weil ich denke: wow, mit der Vita muss der schreiben können. Aber wenn ich einen Autoren mag, dann überprüfe ich gerne, inwieweit sein eigenes Leben auf seine Bücher Einfluss genommen hat.

  • Bei all den Diskussionen hier sollten wir nicht vergessen, dass bei der Buchauswahl fuer die meisten selten nur ein Faktor allein die Entscheidung beeinflusst. Wenige suchen ein Buch nur aufgrund des Covers aus, nur aufgrund des Genres, nur aufgrund des Klappentextes .... oder nur aufgrund der Autorenvita. Und wenn auch nur sehr sehr wenige Buecher den Weg zu mir finden, wo die Autorenvita der Hauptfaktor bei der Auswahl ist (aber immerhin, sie gibt es auch), so spielt es doch bei vielen anderen einen kleinen Teil bei der Entscheidungsfindung. Und ich behaupte jetzt mal, dass dieser kleine Teil bei vielen hier durchaus praesent ist, wenn auch manchmal eher im Unterbewusstsein.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Zitat

    Original von Melle
    Na, dann habe ich wohl das unverschämte Glück, die wenigen Autoren zu kennen, die trotz großem erzählerischen Können auch über eine angenehme Sozialkompetenz zu verfügen.


    Ich kenne so einige, zu deren Sozialkompetenz es gehört in den wichtigen Phasen des Schreibens in Schreibklausur zu gehen, weil sie wissen, dass sie dann generell sozialunverträglich sind.

  • Die Vita nicht, allerdings (und das hört sich jetzt böse an...) würde ich mich manchmal freuen, wenn KEIN Bild der Autoren abgedruckt wäre.
    Man baut sich ein bestimmtes Bild mancher Schreiberlinge auf und das tatsächliche passt manchmal überhaupt nicht zu den Ergüssen. Das macht für mich manchmal einiges im Nachhinein kaputt.
    Nein, mir fällt gerade kein Beispiel ein, bin schon am Überlegen...

    Bücher sind eine höchst ergötzliche Gesellschaft. Wenn man einen Raum mit vielen Büchern betritt - man braucht sie gar nicht zur Hand zu nehmen - ist es, als würden sie zu einem sprechen, einen willkommen heißen.
    -William E. Gladstone-

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