Silvia Roth - Blut von deinem Blute

  • Klappentext:
    In einer Sommernacht werden Lauras Vater und ihre Stiefmutter auf Jersey bestialisch ermordet. Der Täter: unbekannt. Fünfzehn Jahre später will sich Laura den Geistern der Vergangenheit stellen und kehrt in das heruntergekommene Herrenhaus der Familie zurück. Dort wird sie von ihrer exzentrischen Schwester Mia bereits erwartet...


    Rezension:
    Laura Bradley war 19 Jahre alt, als ihr Vater und ihre Stiefmutter in der Küche des Hauses ermordet wurden. Es gab genau 2 Verdächtige: sie und ihre 18-jährige Schwester Mia, die schon immer etwas sonderbar war. Laura, die die Insel sowieso verlassen wollte, hat umgehend nach dem Begräbnis die Flucht nach Frankfurt ergriffen, wo sie sich ein neues Leben aufgebaut hat. Doch auch ihr derzeitiger Freund Leon, ein Historiker, ahnt nicht, welches Trauma Laura mit sich herumschleppt.


    Doch jetzt, in wenigen Tagen, jährt sich der Mord zum 15. Mal und Laura beschließt, noch einmal nach Jersey zurück zu kehren um herauszufinden, was damals passiert ist, denn sie selbst hat an die Nacht, in der das Unglück geschah, keinerlei Erinnerungen. Könnte sie selbst die Mörderin sein oder doch eher ihre exzentrische Schwester Mia. Beide haben vom Tod des Vaters und der Stiefmutter profitiert, denn sie waren die Alleinerben des vermögenden Vaters.


    Kaum auf Jersey angekommen, schlägt Laura Argwohn entgegen, wo immer sie auch hinkommt. Auch mit ihrer Schwester Mia, bei der sie lebt, ist kein schwesterliches Verhältnis möglich. Und dennoch beginnt Laura mit den Nachforschungen um den Mord und stößt dabei auch auf die Geschichte ihrer Mutter, die sich das Leben nahm, als Laura und Mia noch Kinder waren. Überall stößt sie auf eine Mauer des Schweigens unter den Inselbewohnern. Anscheinend kann und will ihr niemand helfen herauszufinden, was zu den tragischen Ereignissen passiert. Kann Leon, der Laure aus Sorge heimlich auf die Insel gefolgt ist, vielleicht Licht ins Dunkel bringen? Denn eines ist gewiss, der Mörder ist nach wie vor auf freiem Fuß ...


    Ein überaus beklemmendes Buch. Der Plot ist vor der Kulisse der Insel Jersey wunderbar ausgearbeitet, ohne dass sich die Autorin in langatmige Beschreibungen verliert. Der Schreibstil ist klar und flüssig, aber ruhig gehalten und die Figuren wurden mit sehr Tiefe dargestellt. Jede Figur wurde sehr individuell dargestellt, sodass jederzeit ein hoher Widererkennungswert vorhanden war. Sehr gut hat mir gefallen, dass sich keine der Figuren hat in die Karten blicken lassen und auch die falschen Fährten, die die Autorin gelegt hat, fand ich sehr überzeugend.

  • Ich kenne bessere Bücher von Silvia Roth.
    Hier hat sie sich rettungslos im Seelenleben ihrer Hauptfigur verstrickt. Dadurch bleiben und die anderen Figuren leider auf der Strecke. Spannung kommt für mich nicht auf. Ich habe nur zuende gelesen weil ich einfach nicht glauben konnte, das dieses Geplänkel alles gewesen sein soll.
    Aber so war es! Leider!
    Auch der Schluß bot keine Überraschung, was ein Ausgleich für die Langeweile hätte sein können - stattdessen wurde noch eine merkwürdige Zukunftsvision drauf gepackt.

  • Silvia Roth: Blut von deinem Blute – Thriller, München 2012, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-21385-1, Softcover, 542 Seiten, Format: 19 x 12 x 3 cm, EUR 9,95 (D), EUR 10.30 (A).


    „Vor fünfzehn Jahren bin ich von zu Hause fortgegangen.
    (…) Aber nun kehre ich doch noch einmal zurück.
    Weil ich eine Antwort finden muss.
    Weil ich eine Lücke in meiner Erinnerung, die mich so tief beunruhigt, schließen will. (…).
    Ich muss herausfinden, ob meine Schwester eine Mörderin ist.
    Oder ich.“
    (Seite 13)


    Mia und Laura Bradley sind noch keine zwanzig Jahre alt, als ihr Vater und ihre Stiefmutter in ihrem Herrenhaus auf der Kanalinsel Jersey brutal ermordet werden. Der Fall wird nie aufgeklärt. Dass die 18-jährige Mia zur Tatzeit friedlich in ihrem Zimmer geschlafen und von der Bluttat nichts mitgekriegt hat, kann niemand so recht glauben. Dass sie, nachdem das Hausmädchen die Leichen gefunden hat, erst mal das Blut aufgewischt und die Tatwaffe gereinigt hat, macht sie erst recht verdächtig. Andererseits … Mia ist immer schon verhaltensauffällig gewesen und neigt zu impulsiven und irrationalen Reaktionen.


    Laura, die ältere Schwester, war zum Zeitpunkt des Doppelmords bei ihrer Tante zu Besuch. Sagt man. Sie selbst hat keine Erinnerung daran. Vom Tattag fehlen ihr mehrere Stunden.


    Seit der Todesnachricht hat Laura ihr Elternhaus nicht mehr betreten. Sie hat sich ein paar Sachen packen lassen und sich gleich nach dem Begräbnis nach Frankfurt abgesetzt. Die Mädchen sind zweisprachig aufgewachsen, lag Deutschland als Ziel für einen Neuanfang nahe.


    Mia ist im Elternhaus geblieben und hat ein Auge aufs elterliche Hotel. Hauptsächlich jedoch bildhauert und malt sie. Die meisten Inselbewohner halten sie vor eine verrückte, grenzdebile Dilettantin. Andere betrachten ihre exzentrischen Auftritte als reines Theater und Mia als clevere und abgebrühte Geschäftsfrau. Was davon stimmt, ist ihrer Schwester Laura bislang egal gewesen. 15 Jahre lang hat sie sich nicht mehr auf der Insel blicken lassen, jeden Kontakt zur Familie gemieden und versucht, die Vergangenheit zu vergessen. Mia staunt daher nicht schlecht, als Laura jetzt auf einmal auf der Matte steht und Antworten will. Laura erwartet ein Kind von ihrem Freund, dem Historiker Leon de Winter und hat das Gefühl, dass vor so einem Neubeginn die Vergangenheit einen sauberen Abschluss braucht.


    Was ist damals wirklich geschehen? Hat Mia die verhasste Stiefmutter und den despotischen Vater im Streit erschlagen? Oder war sie es am Ende selber? War’s der Stiefbruder, der an sein Erbe wollte? Oder ‚Geschäftsfeinde‘ Ihres Vaters? Er war tyrannisch, rücksichtslos und geizige, und es gab eine schier unüberschaubare Menge Leute, die ihn zum Teufel wünschten.


    Laura quartiert sich in ihrem alten Kinderzimmer ein und stellt Nachforschungen an. Aus Mia ist keine vernünftige Antwort herauszubekommen. Sie spielt mit Genuss ihre Rolle als gefährliche Irre. Oder ist sie tatsächlich eine? Aufschlussreicher ist da schon der Nachlass ihrer leiblichen Mutter und die Gespräche mit Menschen, die die Familie Bradley seit langem kennen.


    In bester Absicht mischt sich Lauras Freund Leon in ihre Ermittlungen ein. Auf die Idee, dass sie mit ihren Fragen den Mörder aufschrecken zum Handeln nötigen könnten, kommen sie nicht. Erst als eine ehemalige Angestellte der Bradleys ermordet wird, ehe sie sich mit Laura treffen konnte, dämmert den beiden Amateurdetektiven, wie gefährlich es ist, was sie da tun …


    Gruselig ist das, wie die beiden ungleichen Schwestern in dem verfallenden Herrenhaus umeinander herumschleichen und sich gegenseitig auszutricksen versuchen. Eine fiebrige, ungesunde Atmosphäre herrscht dort. Und man fragt sich, welche der beiden Frauen durch die Familientragödie eigentlich die schwereren Beschädigungen davongetragen hat.


    Die raffinierte und exzentrische Mia ist eine vielschichtige, hochinteressante Figur und wächst einem mit der Zeit mehr ans Herz als die unterkühlte Laura. Immer, wenn man denkt, jetzt hat man kapiert, was mit Mia los ist, kommt wieder eine neue Überraschung. Sie ist einfach nicht zu fassen.


    So ähnlich wird es den damals ermittelnden Beamten mit dem ganzen Fall gegangen sein: Sie haben einfach nicht begriffen, was hier läuft. Sie waren keine Einheimischen, sie kamen von Portsmouth. Und eine Insel ist noch schlimmer als ein Kaff an Land. Kein Außenstehender durchschaut auf die Schnelle die Generationen alten, komplexen Beziehungsgeflechte. Und besonders auskunftsfreudig sind die Einheimischen Fremden gegenüber auch nicht.


    Hätten die beiden Schwestern beizeiten die richtigen Fragen stellen können? Vermutlich nicht. Die eine ist zu jung von zu Hause fortgegangen und der anderen fehlt die nötige Distanz. Und geredet haben sie nicht miteinander. Überhaupt scheint man im Hause Bradley mehr verschwiegen als miteinander gesprochen zu haben. Lügen, Geheimnisse, unheilvolle Zweckgemeinschaften und lange gehegter Groll – in einer solchen Atmosphäre kann nichts Gesundes und Fröhliches gedeihen. Dabei kann nur Düsternis, Krankheit und Tod herauskommen.


    Die meisten Personen in diesem Roman sind zu kaputt um als sympathische Identifikationsfiguren zu taugen. Trotzdem begleitet man Laura und Leon voller Spannung bei ihren Nachforschungen, weil man unbedingt wissen will, was in der Mordnacht geschah. Selbst der routinierte Krimileser hört nicht schon nach den ersten Paar Seiten die Nachtigall trapsen, weil es bei dieser komplizierten Personenkonstellation so viele Möglichkeiten gibt.


    Die Aufklärung des Falls ist vom Ablauf her plausibel. Es kann sich fast nicht anders abgespielt haben. Der psychologische Aspekt des Falls strapaziert jedoch ein wenig die Phantasie des Lesers. Aber die heimliche Heldin des Romans ist ohnehin Mia. Ihre Geschichte ist packend und überzeugend. Da ist es gar nicht mehr so wichtig, ob bei diesem düsteren Thriller die Hintergründe der Tat in allen Einzelheiten nachvollziehbar sind.


    Die Autorin
    Silvia Roth studierte Literaturwissenschaft, Anglistik und Philosophie und arbeitete einige Jahre in unterschiedlichen Berufen, bevor sie mit dem Schreiben begann. Sie lebt mit ihrer Familie in Deutschland und Italien.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner