Pawel lebt in einer Kleinstadt, irgendwo tief in Polen an der Grenze zur Ukraine. Er ist ein Entwurzelter, ein einsamer Wolf. Sein Geld verdient er als fliegender Händler gebrauchter Klamotten aus dem reichen Westen. Zusammen mit seinem Kumpel Wladek fährt er durch die Provinz Südosteuropas, verkauft seine Ware an die Landbevölkerung und verdient damit gerade mal so viel Geld, dass er seinen altersschwachen Fiat Ducato mehr schlecht als recht am Laufen halten kann.
Denn chinesische Billigware überschwemmt die Gegend und so können auch die verarmten Bauern und die noch ärmeren Zigeuner an den Segnungen des Kapitalismus teilhaben, doch Pawel und Wladek finden kaum noch Abnehmer für ihre Altkleider. Als Wladek dringend Geld braucht, muss deshalb eine neue Geschäftsidee her und die Geschichte nimmt buchstäblich an Fahrt auf.
Denn der Roman beginnt langsam, fast langweilig. Wir fahren mit Pawel durch die Gegend und gucken uns das postsozialistische Osteuropa an. Es gibt keine Grenzenposten mehr, aber dennoch ist der Begriff (Süd-)Osteuropäer ein Konstrukt des Westens (deutliches Beispiel: Rose Tremaines unsägliches „Der weite Weg nach Hause“), die Grenzen sind offen, aber sehr präsent. Sie sind immer noch Trennlinien ganz unterschiedlicher Völker, deren Hierarchien, auch zwanzig Jahre nach der Wende, durch die Zustände während des Kommunismus zementiert wurden und deren Mentaliät unübersehbar von den sehr unterschiedlichen Landschaften geprägt wurden.
Gemeinsam ist allen das Fehlen von Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Die Kleinstädte sind grau und entvölkert, wo nicht der oberflächliche Glanz der neuen Einkaufszentren die scheinbar segensreichen Errungenschaften der neuen Zeit illuminieren.
Bewegung ist ein wichtiges Motiv in diesem Buch, nur wer ständig unterwegs ist oder überhaupt die Gegend schon verlassen hat, ist noch am Leben. Die Zurückgebliebenen sind erstarrt und willfährige Opfer des Kapitalismus. Die unaufgeregte, sachliche Sprache folgt diesem Bewegungsmotiv. Auch wenn ich sie nicht als monoton beschreiben würde, so folgt sie doch dem Gefühl einer endlosen Fahrt durch die eintönige Ebene der Puszta.
Die Struktur des Buches macht es zu Beginn etwas mühselig, es zu lesen. In Rückblenden wird langsam enthüllt, wie Pawel und Wladek hier, wo man eigentlich nicht tot überm Gartenzaun hängen möchte, gelandet sind. Es sind Lebensläufe, deren Brüche nicht allein aus dem Übergang vom Sozialismus zum Kapitalismus resultieren, sondern auch aus dem Gegensatz zwischen Land- und Stadtleben und der ungebremsten Wucht der Globalisierung
Hier setzt auch meine Kritik an diesem Roman an. Auch wenn ich den politischen Ansichten des Autors durchaus folgen kann, war mir die Kapitalismus- und Globalisierungskritik an manchen Stellen zu vordergründig. Die Chinesen als Inbegriff des Niedergangs der Werte in der Gesellschaft, die Wut über den Plastikpröddel, mit dem sie das Land überschwemmen und das Beklagen der Wegwerfmentalität seiner Landsleute empfand ich an manchen Stelle etwas zu aufdringlich. Das mag aber daran liegen, dass ich in einem Land lebe, in dem die Idee des nachhaltigen Konsumierens schon in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, während diese Vorstellungen in Polen wahrscheinlich eher noch Luxusgedanken sind.
Trotzdem, „Hinter der Blechwand“ ist ein wunderbar atmosphärischer Roman, mit leisem Humor und scharfem Blick auf die Zustände, der vielleicht gerade uns Mitteleuropäern mal Einblicke gewährt, was da im Osten eigentlich los ist.