Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C.Boyle

  • Carl Hanser Verlag
    Übersetzt von Dirk van Gunsteren
    Gebundene Ausgabe: 464 Seiten


    Kurzbeschreibung:
    Zwei Fraktionen von Umweltschützern liefern sich einen erbitterten Kampf. Schauplatz sind die Channel Islands vor der Südküste von Kalifornien, wo die Umwelt vom Menschen empfindlich gestört wurde. Soll man das Gleichgewicht des Ökosystems mit viel Steuergeldern wiederherstellen - was zwangsläufig die Ausrottung mancher Tierarten bedeutet -, oder soll man um jeden Preis das Töten verhindern? T. C. Boyles furioser, apokalyptischer Roman handelt von der Ausbeutung der Natur durch den Menschen und den katastrophalen Folgen. Boyle hat eines seiner ältesten Themen weiterentwickelt, nie war er so bitter und böse, nie war es ihm so ernst.


    Über den Autor:
    T. C. Boyle, 1948 in Peekskill (Hudson Valley) geboren, war nach ausschweifenden Jugendjahren in der Hippie- und Protestbewegung der 60er Jahre Lehrer an der High School in Peekskill und publizierte während dieser Zeit seine ersten Kurzgeschichten in namhaften Zeitschriften. Heute lebt er mit seiner Frau und drei Kindern in Kalifornien und unterrichtet seit 1986 an der University of Southern California in Los Angeles 'Creative Writing'. Für seinen 1987 erschienenen Roman "World´s End" erhielt Boyle den PEN/Faulkner-Preis.


    Mein Eindruck:
    Auch in seinem neuen Roman „Wenn das Schlachten vorbei ist“ setzt T.C.Boyle sein Werk und seine Themen ungebrochen fort. Lebhaft und mit Ironie, wie gewohnt, und nicht unbedingt hoffnungsvoll.
    Er startet furios ungefähr in den fünfziger Jahren mit einem Schiffsuntergang und einer Schiffsbrüchigen auf einer einsamen, ungemütlichen Insel nahe Kaliforniens, Anacapa. Hier gibt es seltene Vögel, aber auch viele Ratten.
    Das Buch ist gut gestaltet und besitzt übrigens Karten, die die nördlichen Santa Barbara-Inseln zeigen, die „Galapgos Inseln Nordamerikas sozusagen.
    Boyles Roman ist geschickt strukturiert und bald befindet sich der Leser in der Gegenwart.
    Hier gehen die Meinungen der Menschen weit auseinander, ob und wie Menschen Natur und Umwelt beeinflussen sollen. Wie Boyle seine Figuren aufeinanderprallen lassen, ist alles andere als langweilig.
    Dennoch kommt der Roman nicht an meine Lieblingsromane von Boyle heran. Der Grund liegt an den Charakteren, die teilweise nur schematisch entworfen sind, zu oft und schnell wechseln und mir nicht wirklich nahe kommen. Ausnahme ist Alma Boyd Takesue.
    Eine schillernde Figur jedoch wie der Tierschutzaktivist Dave LaJoy funktioniert aufgrund fehlender Tiefe nicht gerade gut.


    Mich hat das Buch nicht so sehr gepackt, wie ich erwartet hätte.
    Aufgrund des interessanten Themas und Boyles Stärke bei der Beschreibung von Details lohnt es sich dennoch allemal, den Roman zu lesen.

  • Wow, du warst ja schnell, danke für die Rezi :wave ...


    In der Beschreibung steht, dass es sich um einen "furiosen, apokalyptischen Roman" handelt - würdest du dem zustimmen? Klingt für mich so nach Übertreibung und an den Haaren herbeigezogenen Katastrophen ... :gruebel


    So richtig überzeugt mich der Klappentext irgendwie nicht, also werde ich mal schauen, wann das Buch in der Bibo verfügbar ist.

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Ich habe mich voller Vorfreude auf den neuen Roman von T.C. Boyle mit dem martialischen Titel „Wenn das Schlachten vorbei ist“ gestürzt und bin nun nach der Lektüre einigermassen ernüchtert. Dem verheissungsvollen Auftakt folgt eine routiniert aber weitgehend uninspiriert erzählte Geschichte die bei mir als Leser bis auf ein paar Passagen keine nennenswerten Emotionen wecken konnte.


    Der Roman beginnt mit einem ungewöhnlich langen Prolog und dieser ist spannend erzählt. Dort lernen wir die eigentlichen, die wichtigsten Protagonisten des Romans kennen, es sind die „Galapagos Inseln Nordamerikas“ Anacapa, Santa Cruz, Santa Rosa uns San Miguel die vor der kalifornischen Küste in der Nähe von Santa Barbara liegen. Nach diesem fulminanten Aufgalopp treten die Hauptfiguren Alma Boyd Takesue und ihr Antipode Dave LaJoy in Erscheinung und es kristallisiert sich der Kern der Geschichte heraus. Zwei Gruppen von Umweltschützern die im Wesentlichen das Gleiche wollen, die Natur erhalten und die Tiere schützen, sich aber in der Art und Weise nicht einig, ja sogar spinnefeind sind. Um die ursprüngliche Flora und Fauna auf der Insel Anacapa zu erhalten, gilt es die von Menschen eingeführten Ratten und deren stark wachsende Population einzudämmen weil diese mit dem durchstöbern der Nester und fressen der Eier sämtliche Bodenbrüter auf der Insel ausrotten könnten. Die eine Gruppe ist der Meinung des man mittels vergifteten Ködern der Rattenplage Herr werden darf während die andere Gruppe jegliches töten von Tieren radikal ablehnt. Hier stellt sich auch dem Leser die Frage: Sind Ratten weniger Wert als andere Tiere? Dürfen Raten getötet werden um anderen Tieren das Leben zu ermöglichen? Der Tod einer Spezies zu Gunsten einer anderen?


    Aus dieser sowohl spannenden wie auch philosophisch interessanten Ausgangslage macht der Autor dann sehr, sehr wenig. Er versucht den bisher blass geblieben Figuren Konturen zu geben indem er viel und ausschweifend von ihrer Vergangenheit erzählt. Dabei verzettelt er sich und anstatt den Personen Leben einzuhauchen, die bleiben nämlich nichts sagend, lässt er den Spannungsbogen weitgehend abfallen und löst die Frage um die Ratten in einem Nebensatz einer Gerichtsverhandlung zwei Jahre später auf!? Hallo, weshalb der Aufbau der Dramatik um diese dann so jäh und banal abzufertigen? In der Folge greift der Autor noch mehrere Themen vom Eingriff des Menschen in die Natur und der Ökosysteme auf wie die Schlangen- und Spinnenplage in Guam, Krähen die neugeborene ungeschützte Lämmer auf einer Schaffarm töten und die Wildschweinplage auf den Inseln aber alles ist irgendwie unbedeutend und belanglos erzählt.


    Ich bin doch erstaunt das ein solch erfahrener Autor wie T.C. Boyle mich nicht mehr mit seiner Geschichte fesseln konnte. Er hat gute Romane geschrieben und gilt zu recht als bedeutender Schriftsteller aber hier sind für mich deutliche Schwächen in der Gestaltung der Personen und der Struktur des gesamten Romans vorhanden. Er baut den Spannungsbogen auf, lässt ihn ein paar Seiten später fallen um ihn dann mühsam wieder aufzubauen und dann sackt er wieder ab. Irgendwann ist die Spannung dahin und flackert nur bei ein paar Stellen wieder auf. Die Protagonisten sind zu schwach geraten damit wenigstens sie die Gunst des Lesers erlangen und die Last der Aufmerksamkeit schultern können.


    Dieses Buch würde sich aber hervorragend für eine Lesegruppe eignen. In der Regel bringt der Mensch unbeabsichtigt das Gleichgewicht der Natur, von Flora und Fauna aus der Balance und dann versucht er die Folgen kompromisslos wieder ins Lot zu bringen. Dabei muss er sich aber gegen eine oder mehrere Tierarten stellen und diese mit radikalen Mitteln bekämpfen. Töten im Dienst einer höheren Sache, für die Wiederherstellung und Wiedergutmachung an der Natur, aber es bleibt das Töten oder ist es sogar Mord? Zum philosophieren eignet sich das Buch hervorragend aber ansonsten ist es leider kein Lesegenuss und eine aneinanderreihung verpasster Chancen. 6 Punkte von mir für diesen Roman.

  • Die Wucht der Akribie


    Vorweg: Die deutsche Fassung dieses Romans mit dem Originaltitel "When the killing is done" müsste eigentlich "Wenn das Töten vorbei/erledigt ist" heißen, denn eine Schlachtung ist ein Prozess, der die Aufbereitung des getöteten Tiers als Nahrung folgt, und genau darum geht es im neuen Boyle nicht. Die Tiere, die im Buch getötet werden, werden nicht geschlachtet.


    Es geht um invasive Tierarten, um Eindringlinge, die Ökosysteme gefährden. Auf den "Chanel Islands" vor der kalifornischen Küste haben sich Ratten und wilde Schweine vermehrt, wodurch die einheimischen Tierarten gefährdet sind. Die Ratten brachte ein im neunzehnten Jahrhundert havariertes Schiff, die Schweine wurden eine Zeit lang gezüchtet und dann schlicht vergessen - Ratten und Schweinen ist gemein, dass sie robust sind und nicht viel Aufhebens bei ihrer Nahrungsauswahl machen. Im Auftrag des "Park Services" ist die engagierte Wissenschaftlerin Alma Boyd Takesue damit befasst, Programme, die die Vernichtung der Eindringlinge zur Folge haben sollen, auszuarbeiten, der Öffentlichkeit schmackhaft zu machen und schließlich umzusetzen - die Ratten sollen vergiftet werden, die Schweine bejagt. Ihr steht der Elektronikhändler Dave LaJoy gegenüber, der eine Tierschutzorganisation gegründet hat und den Standpunkt vertritt, jedes Töten sei verwerflich, ganz egal, ob es um die tägliche Ernährung, marodierende Ratten oder wilde Schweine geht. Sein beharrlicher Protest - auch mit illegalen Mitteln - ist der Dorn im Fleisch der Wissenschaftlerin.


    Ein "apokalyptischer Roman", wie der Klappentext verspricht, ist dieses Buch höchstens am Rande, denn die Nöte des Planeten und Themen wie Überbevölkerung oder industrielle Tierhaltung spielen zwar ihre Rollen, aber der Mikrokosmos der Protagonisten und ihr auf die Inselgruppe konzentriertes Engagement stehen im Vordergrund. Die Felsinseln vor Santa Barbara - vor allem Anacapa und Santa Cruz - kann man zwar durchaus als Metaphern für den Umgang der Menschen mit der Umwelt verstehen, aber eigentlich ist "Wenn das Schlachten vorbei ist" - wieder einmal - vor allem Biographie und nebenbei zeitgeschichtliches Dokument. Bei ersterem allerdings hat sich Boyle selbst übertroffen, denn die Eindringlichkeit, mit der er seine Hauptfiguren zeichnet, nimmt einem in ihrer Wucht fast den Atem. Alma, die ihren Job machen will, wobei ihr Privatleben den Bach heruntergeht, und die die Moral ebenso auf ihrer Seite sieht wie LaJoy, der mit cholerischen Anfällen zu kämpfen hat und in seinem Wahn nicht selten weit übers Ziel hinausschießt - die Figuren werden in einer detaillierten Ausgiebigkeit entwickelt, die an Akribie grenzt, und jede Wahrnehmung, jede Gefühlsregung wird (be)greifbar. Beide sind eigentlich Gutmenschen, im positiven wie im sarkastischen Sinn des Wortes, und man folgt ihnen gebannt bei ihren kleinen Siegen, großen Fehlentscheidungen und unausweichlichen Niederlagen. Boyle lässt sich viel Zeit, um Vorgeschichten und Familienvitae zu erzählen, woraus sich die - genau genommen nicht unähnlichen - moralischen Standpunkte und Motivationen erklären: Takesue und LaJoy wollen eigentlich dasselbe, nämlich Eingriffe des Menschen in Ökosysteme verhindern (LaJoy) oder revidieren (Takesue), aber ihr Kampf ist immer der eines Menschen mit seiner eigenen Moral gegen die Erfordernisse einer gierigen, stetig weiterwachsenen Spezies - nein, gemeint sind nicht die Ratten oder die Schweine, sondern wir alle, die Menschen. Die Kleinheit des Nahziels - schließlich geht es nur um ein paar Inseln vor der Küste - versinnbildlicht die Aussichtslosigkeit, die einen erfassen muss, wenn man den Blick zum Fernziel hebt. Was getan werden kann, was getan wird, das ist eigentlich Kosmetik bei einem Sterbenden: Rettung gäbe es nur, wenn sich der größte Schädling selbst ausrotten würde.


    Aber der Roman will kein Thriller und auch kein Ökomärchen sein, sondern eine Geschichte darüber, wie sehr der Mensch das Antlitz des Planeten verändert hat - und wie wenig dagegen zu tun ist. Jedenfalls steht das zu vermuten; bei aller Ordentlichkeit, die Boyle im Hinblick auf die Entwicklung seiner Figuren an den Tag legt, lässt das - recht vorhersehbare - Ende des Buches gewisse Zweifel darüber aufkommen, ob es überhaupt eine Botschaft oder Prämisse gibt. Eine Hauptfigur stellt sich schließlich zwar selbst ein Bein, um es vorsichtig auszudrücken, aber eine Wertung oder Mahnung findet sich in diesem Zusammenhang nicht. Der Autor zeigt dieserart zwei Menschen, die für ihre Ziele und gegeneinander kämpfen, aber ob etwas davon - oder alles - sinnvoll oder gar "gut" ist, muss der Leser selbst entscheiden: Eine "Moral" kann zwar aus dem Kontext entstehen, doch letztlich beendet man die Lektüre und fragt sich etwas verwirrt, was es denn war, was der Großmeister da erzählen wollte.

  • Danke für die Rezensionen.


    Einige Romane von Boyle finde ich großartig. Und manche dann doch eher schwach, so dass ich mittlerweile nicht mehr bei jedem neuen Boyle sofort zuschlage.
    Dieser Roman von ihm scheint zu denen zu gehören, wo ich besser auf das günstigere Taschenbuch warte.

  • Letztes Wochenende habe ich ein Interview mit Boyle im WE-Magazin der Süddeutschen gelesen. Ich fand ihn wirklich sehr sympathisch und habe beschlossen, dass ich jetzt endlich mal was von ihm lesen sollte :grin


    Da ihr hier doch weiter seid als ich, könnt ihr mir bestimmt eine Empfehlung geben, welcher Roman sich zum Einstieg eignet. Bei amazon bin ich da nicht wirklich weitergekommen.

  • Meine Favoriten sind Wassermusik und Drop City.
    Boyle polarisiert, auch innerhalb seines Oeuvres. Was die einen toll finden, finden die andren schlecht und umgekehrt.

    Ship me somewhere's east of Suez,
    where the best is like the worst,
    where there aren't no ten commandments
    an' a man can raise a thirst


    Kipling

  • Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist
    OT: When The Killing's Done
    Autor: T. C. Boyle
    Übersetzt aus dem Amerikanischen von: Dirk van Gunsteren
    Verlag: Hanser
    Erschienen: Februar 2012
    Seitenzahl: 464
    ISBN-10: 3446237348
    ISBN-13: 978-3446237346
    Preis: 22.90 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Zwei Fraktionen von Umweltschützern liefern sich einen erbitterten Kampf. Schauplatz sind die Channel Islands vor der Südküste von Kalifornien, wo die Umwelt vom Menschen empfindlich gestört wurde. Soll man das Gleichgewicht des Ökosystems mit viel Steuergeldern wiederherstellen - was zwangsläufig die Ausrottung mancher Tierarten bedeutet -, oder soll man um jeden Preis das Töten verhindern?


    Der Autor:
    T. C. Boyle, geb. 1948 in Peekskill, New York im Hudson Valley, war Lehrer an der dortigen High-School und publizierte während dieser Zeit seine ersten Kurzgeschichten. Heute lebt er in Kalifornien und unterrichtet an der University of Southern California in Los Angeles Creative Writing.


    Meine Meinung:
    Ein hochpolitischer Roman, ein Roman aber auch über Moral und über das opportun sein könnte, sein kann. Die Hauptfrage dieses Buches sehe ich in der Frage: Hat eine Spezies mehr Rechte als eine andere Spezies? Kann man die Rechte von Menschen mit den Rechten der Tiere auf eine Stufe stellen?
    Diese Fragen muss jeder für sich selbst beantworten. Ein richtig oder falsch gibt es hier nicht.
    Ist es vielleicht so, dass die Verganer nicht alle Latten am Zaun haben, weil sie mit ihrer Obsession im Hinblick auf Tiere und tierische Produkte Grenzen überschreiten und fern ab jeglicher Realität ihre Botschaft unter Ausschaltung sämtlicher Gehirnzellen unters Volk bringen wollen?
    Vielleicht ist es ja so – vielleicht aber auch nicht.
    T. C. Boyle vermeidet es Stellung zu beziehen. Er lässt seine Leser mit der Frage zurück, wer hat denn nun recht. Und das macht er sehr geschickt. Er beschreibt mehr wie ein Chronist, stellt nur die Fakten dar, das Urteil aber müssen andere fällen.
    Die Situation die geschildert wird, ist authentisch und real.
    Boyle hat sicher schon bessere Romane geschrieben, aber ich als Leser hatte den Eindruck, dass es ihm in erster Linie nicht um die Literatur sondern mehr um die Sache ging.
    Ein lesenswerter Roman, der nach wie vor politisch mehr als aktuell ist, der sicher zum Denken und Nachdenken anregt. 7 Eulenpunkte.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.