Nachdem ich mit "Erbarmen" Jussi Adler-Olsen für mich entdeckt habe, musste ich mir aus dem offenen Bücherregal im Hotel auch noch "Das Alphabethaus" ausleihen. Das Buch hat mich so sehr überrascht, dass es mein bisheriges Buch des Monats geworden ist.
1944: Bryan und James, britische Piloten, stürzen bei einem Flug über Deutschland ab. Auf ihrer Flucht vor den Angreifern können sie sich in einen Lazarettzug retten. Was sie nicht wissen, ist, dass dieser Zug direkt nach Freiburg fährt um dort die Soldaten zu behandeln, die seelischen Schaden davon getragen haben. Die beiden nehmen fremde - deutsche - Identitäten an und erfahren die reinste Hölle mit Elektroschocks und mit Tabletten vollgepumpt im sogenannten Alphabethaus. Bryan kann flüchten, muss James aber in der Nervenheilanstalt lassen.
1972: Bryan ist mittlerweile ein gemachter Mann, der eine eigene Pharmafirma hat und viel Geld hat. All die Jahre hat er versucht, seinen alten Freund James zu finden, denn das Alphabethaus ist kurz nach seiner Flucht bombardiert worden und anscheinend sind alle Insassen und das Personal dabei ums Leben gekommen. Als Bryan die Einladung bekommt als ärztlicher Berater bei den olympischen Spielen in München zu fungieren, startet er noch einmal den Versuch James zu finden.
Das Alphabethaus hat seinen Namen bekommen, weil die Kategorien aus Zahlen und Buchstaben die Kriegstauglichkeit der Insassen angegeben hat. Die Nervenheilanstalt ist streng geheim und die Soldaten, die entlassen wurden, wurden direkt wieder in den Krieg geschickt. Die Bedingungen dort sind schlecht, viele der Insassen sind tatsächlich geistesgestört und tun Dinge, die nicht nachvollziehbar sind. Bryan und James mussten einfach versuchen, sich selber auch als irre darzustellen, sonst wären sie sofort erhängt oder erschossen worden. Der Roman beschreibt diese schlimme Zeit der Geschichte so lebendig, dass man mit Gänsehaut am ganzen Körper liest und sich fragt, ob Menschen wirklich so grausam sind. Im ersten Teil des Buches hat Adler-Olsen die Auswegslosigkeit der Situation für Bryan und James so überzeugend dargestellt, dass ich nicht anders konnte als immer weiter lesen, weil ich einfach wissen wollte, wie sie aus der Nummer wieder heraus kommen.
Der erste Teil des Buches ist eher eine Art Drama, zwar spannend aber auch mit viel Gefühl geschrieben. Der zweite Teil ist eher eine Art Thriller, denn die Bösewichte aus dem ersten Teil tauchen mit ihren unfassbar bösen Machenschaften wieder auf. Für meinen Geschmack war es am Ende schon etwas sehr thrillermäßig geschrieben, aber das schulde ich mal der Tatsache, dass Adler-Olsen ein Thrillerautor ist. Gestört hat es mich nicht, denn der Rest des Buches hat mich vollkommen überzeugt. Das Ende ist traurig und ich hätte mir gewünscht, dass es anders ausgegangen wäre. Aber ich bezweifle nicht eine Sekunde, dass Adler-Olsen genau das damit heraus geholt hat, was auch im realen Leben aus dem Schicksal der beiden geworden wäre.
Von mir gibt es hier eine 100%ige Leseempfehlung. Ich werde mir das Buch wohl auch als eigenes Exemplar anschaffen und nochmals lesen.