Katzentisch - Michael Ondaatje

  • Michael Ondaatje: Katzentisch
    Audiobuch Verlag 2012
    ISBN-13: 978-3899644432. 24,95€
    Sprecher: Johannes Steck
    Ungekürzte Lesung. 485 Minuten
    7 CDs im Digifile (Kartontasche mit Einsteckschlitzen)
    Originaltitel: The Cat's Table
    Übersetzerin: Melanie Waltz


    Verlagstext:
    Auf einem gewaltigen Dampfer reisen drei Jungen zu Beginn der 50er Jahre von Sri Lanka nach England. Für den elfjährigen Michael und seine Freunde wird die Überfahrt zu einem unvergeßlichen Erlebnis. Immer auf der Suche nach Abenteuern treiben sich die drei herum, beobachten und spioniere - und werden Zeugen dramatischer Ereignisse. Im Rückblick erkennt Michael die lebensprägende Bedeutung der lang zurückliegenden Seereise und erinnert sich …


    Der Autor:
    Michael Ondaatje, 1943 in Sri Lanka geboren, lebt heute in Toronto. Mit seinem Roman "Der englische Patient" (1993), für den er den Booker-Preis erhielt, wurde er weltberühmt. Im Hanser Verlag erschienen zuletzt Buddy Boldens Blues (1995), Die gesammelten Werke von Billy the Kid (1997), Anils Geist (2000), Handschrift (Gedichte, 2001), Divisadero ( 2007) und Katzentisch (2012). Michael Ondaatje ist u.a. Herausgeber der Long Poem Anthology und, gemeinsam mit seiner zweiten Frau, Linda Spalding, Herausgeber der Literaturzeitschrift Brick. A Literary Journal. Er ist ein Förderer junger kanadischer und srilankischer Literatur. So nutzte er zum Beispiel das Booker-Preisgeld für die Gründung des nach seiner Mutter benannten Gratiaen-Preises, der Schriftstellern aus Sri Lanka vorbehalten ist.
    Quelle: Hanser Verlag


    Der Sprecher:
    Johannes Steck, Schauspieler und Hörbuchsprecher, wurde als Dr. Kreutzer in der Fernsehserie In aller Freundschaft bekannt. Er hat sich in den letzten Jahren einen hervorragenden Ruf als Sprecher von Hörbüchern erworben. Mit seiner markanten Stimme hat er Literatur (Mademoiselle Laurence von Heinrich Heine) ebenso brilliant eingelesen wie Thriller (Becketts Die Chemie des Todes), Anthologien (Hausschatz deutscher Sagen) oder Reiseberichte (Harry Graf Kessler, Amerika!).


    Inhalt:
    Michael reiste allein. Seine Tante Flavia und seine fast erwachsene Cousine Emily gingen als Passagiere der ersten Klasse zwar ebenfalls an Bord der Oronsay, um von Colombo nach London zu reisen. Michael traf sie auf der dreiwöchigen Schiffsreise jedoch nur selten; seine fensterlose Kabine lag auf einem tieferen Deck. Als Michaels Mutter nach dem Scheitern ihrer Ehe nach England zurückkehrte, übernahm ihr Bruder in Colombo die Vormundschaft über den jetzt Elfjährigen. Im Leben des Einzelkindes ändert sich dadurch kaum etwas. Die wichtigsten Bezugspersonen in Michaels Leben waren der Diener und der Koch seines Onkels. Später wird Michael sich erinnern, dass die Beziehung zu diesen beiden Männern ihn lehrte, die Welt infrage zu stellen. Die Reise nach England im Jahr 1954 wird die erste und einzige Schiffsreise in Michaels Leben bleiben. Er wunderte sich, wie unbedeutend dieses Ereignis für seine Familie und die Erwachsenen an Bord zu sein schien. Zu den Mahlzeiten werden Alleinreisende, außer Michael die Jungen Cassius und Ramadhin, eine Frau und einige Männer, an den Katzentisch gesetzt, den vom Tisch des Kapitäns am weitesten entfernten Platz im Speisesaal. Mit den Tischgenossen, dem Botaniker Larry Daniels, einem Schiffsabwracker, einem behinderten Schneider und der geheimnisvollen Miss Lascetti entwickeln sich faszinierende Gespräche. Die Schiffsreise lässt Michael außer der Freiheit von gewohnten Zwängen eine Vertrautheit zu seinen jugendlichen Reisegefährten erleben, wie er sie als Erwachsener nicht wieder erfahren wird. Mit dem Spitznamen "Mynah", Beo, für Michael drückt Ramadhin ironisch ihre besondere Beziehung aus. Anders als ein Beo ist Michael sehr zurückhaltend. Als Internatsschüler hat er gelernt, viel für sich zu behalten. Das Schiff präsentiert sich den Jungen als schwimmender Abenteuerspielplatz, auf dem sie jeden Tag mindestens ein Verbot zu übertreten versuchen. Gerüchte um den streng bewachten Gefangenen an Bord fachen die Fantasie der jungen Reisenden an und lassen die Reiseerlebnisse beinahe wie einen Krimi wirken.


    Schiffsreisen müssen damals willkommene Gelegenheiten gewesen sein, um auf Freiersfüßen zu wandeln. Nur dem Chronisten Michael, der in seiner Zeit an Bord ein Schulheft mit den gehörten Gesprächsfetzen füllt, ist die Bedeutung der Satzfragmente selbst noch nicht klar. Die kindliche Perspektive des Reisenden, dessen Leben noch vor ihm liegt, wechselt im Roman zu der des erwachsenen Erzählers, der aus der Distanz, auf Wunsch seiner Kinder, von seiner Jugend erzählt. Mit dem Schreiben will der Erzähler die Gefühle von damals bewahren. Ein Treffen in der Gegenwart zwischen Michael und Cousine Emily in Kanada, wo beide inzwischen leben, lässt letzte Erinnerungsstücke an ihren Platz im Gesamtbild rutschen. Die Verbindungen zwischen einigen Reisenden erhalten im Rückblick auch für Michael nun eine völlig andere Bedeutung. Michael nimmt inzwischen auch andere Gefahren wahr als die, sich bei Abenteuern an Bord körperlich zu verletzen. Während Michael erst jetzt seine Erinnerungen ordnet, ist der erwachsene Leser der jungen Hauptperson stets ein Stück voraus, interpretiert die Ereignisse an Bord anders als ein Kind.


    Während seines Studiums in London pflegt Michael zu Ramadhin und dessen Schwester eine sehr enge Freundschaft und geht sogar ein kurze Ehe mit Massi ein, um weiter zur Familie zu gehören. Auf den drei Studenten lastet im Kokon der Exil-Ceylonesen der Erfolgsdruck und das Gewicht familiärer Traditionen. Nur Cassius wird Michael erst als Dreißigjähriger anlässlich Cassius Kunstausstellung wiedersehen, das Thema der Ausstellung: ihre Fahrt auf der Oronsay.


    Fazit:
    "Katzentisch", sicher auch symbolisch für den Katzentisch des Lebens gemeint, schildert nicht nur sehr spannend die Abenteuer dreier Jugendlicher an Bord eines Schiffes. Durch den häufigen Wechsel der Erzählperspektive wird Michaels letzte Atempause, bevor der Ernst des Lebens beginnt, mit dem Charme einer Pubertätsgeschichte erzählt. Das nahende Ende der Kindheit ist den Lesern bewusst, aber nicht den Jugendlichen selbst. Die Entwicklung von Ondaatjes Reisendem Michael, in Distanz zu anderen Menschen aufgewachsen und die Nähe zu anderen spürbar zurückhaltend wagend, habe ich mit diesem Hörbuch fasziniert verfolgen konnte. Mit Michaels Tischgenossen, alle begnadete Geschichtenerzähler, schuf der Autor frühe, hinreißend exzentrische Vorgänger des Animateuers für Schiffspassagiere.


    Der Erzähler Johannes Steck spricht mit sehr wandlungsfähiger Stimme die Männer- Frauen- und Kinderrollen des Romans. Er mimt mit rauchigem Timbre den auf den Weltmeeren erfahrenen Pianisten, lächelt charmant wie Miss Lascetti, erinnert sich voller Nostalgie an Michaels Kindheit und vollzieht das Erwachsenwerden der Hauptfigur nach, indem seine Stimme parallel zu Michaels Entwicklung entschiedener wird.


    10 von 10 Punkten

  • Autor: Michael Ondaatje
    Sprecher: Johannes Steck
    Verlag: Audiobuch Freiburg
    Dauer: Ungekürzte Lesung 485 Minuten


    Über den Autor:
    Michael Ondaatje wurde 1943 in Sri Lanka geboren, ist holländisch-tamilisch-singhalesischer Abstammung und lebt heute in Kanada. Seit 1971 unterrichtet er am Glendon College der York University (Toronto) Gegenwartsliteratur. Seine Bücher wurden mehrfach mit dem höchsten Kanadischen Literaturpreis ausgezeichnet, und für seinen Roman "Der englische Patient" erhielt er 1992 den Booker-Preis.


    Über den Sprecher:
    Johannes Steck, geb. 1966, ist als Schauspieler einem großen Fernsehpublikum bekannt. Seit 2004 widmet er sich verstärkt seiner Leidenschaft, den Hörbüchern, und hat schon Büchern von Simon Beckett, Ken Follett, Markus Heitz u.v.a. seine Stimme geliehen.


    Kurzbeschreibung:
    Auf einem gewaltigen Dampfer reisen drei Jungen zu Beginn der 50er Jahre von Sri Lanka nach England. Für den elfjährigen Michael und seine Freunde wird die Überfahrt zu einem unvergeßlichen Erlebnis. Immer auf der Suche nach Abenteuern treiben sich die drei herum, beobachten und spioniere - und werden Zeugen dramatischer Ereignisse. Im Rückblick erkennt Michael die lebensprägende Bedeutung der lang zurückliegenden Seereise und erinnert sich …


    Meine Meinung:


    Eine Geschichte, in der Geschichte, der Geschichte.


    Den Blick aus den Augen eines 11 jährigen, der sich alleine auf dem Schiff „Oronsay“ auf den Weg von Ceylon nach Großbritannien begibt und seine dabei abenteuerlichen Erlebnisse, habe ich in dem Hörbuch „Katzentisch“ von Michael Ondaatje hören dürfen. Der in der Ich Form erzählte Roman, lebt dabei von den intensiven Erinnerungen, einer beeindruckenden Erzählung und man treibt mit dem Schiff, den Personen wie durch ein Meer mit all seinen Facetten, fabelhaft vom Autor navigiert.


    Im Sri Lanka der 50 er Jahre, geht ein sich in der Pubertät befindender Junge an Bord eines mehrstöckigen Dampfers, um nach 3 wöchiger Fahrt bei seiner Mutter anzukommen und ein wenig erwachsener geworden ist. Auf seiner Reise darf er an einem etwas abseits gelegen Tisch, mit weiteren Gästen im Speisesaal Platz nehmen, dem „Katzentisch“. Zwei etwa gleichaltrige Jungen, Ramahdin und Cassius, werden zu seinen Freunden und Wegbegleitern. Sie beschließen jeden Tag ein Verbot zu übertreten, was ihnen auch charmant gelingt und ihre Freiheit in vollen Zügen zu genießen. Sie „entern“ die Rettungsboote, verzehren heimlich den dort für den Notfall gelagerten Proviant, sondieren die verschiedenen Passagiere von ihrem Beobachtungsposten und erkunden die verschiedenen Decks wie eine jeweilige Schatzkiste.
    Rätselhafte, geheimnisvolle und schillernde Figuren rücken dabei in das Blickfeld. So taucht jede Nacht, am Oberdeck, zum Freigang, ein in Ketten gelegter Gefangener Niemeyer auf und die Jungen rätseln, was es mit ihm auf sich hat. Ebenfalls begegnet einem der melancholische Pianist Max Mazappa mit dessen Begleitung Perinetta Lascetti, die ihrer Leidenschaft zur Kriminalliteratur nachgeht und in scheinbar unbeobachteten Momenten, die unwürdigen Bücher über Bord entsorgt. Aufmerksamkeit schenken sie ebenfalls einem diebischen Baron, der jugendliche Kletterer durch Luftschächte zwingt, um die Reichen von ihren Wertgegenständen zu entledigen und Sir Hector de Silvas, der durch einem buddhistischen Mönch von einem Fluch belegt wurde, mit Tollwut ans Bett gebunden, die Reise antritt.
    Es gibt aber noch viel mehr Persönlichkeiten und Geschichten zu entdecken wie den bekifften Botaniker Daniels, die Cousine Emily, den Lehrer Fonseka, den Wahrsager Sunil und andere. Ondaatje schöpft aus den Vollen, wechselt die Ebenen und Zeiten, verliert sich aber dabei nicht, sondern folgt einem logischen Verlauf, wie die Reise der Route.


    Ein Schuhkarton voll mit Fotos und Momenten, eine Barbuschka, die immer noch eine weitere Figur aus ihrem Bauch zaubert und am Ende eine ganze Familie um sich hat, ist das Bild welches ich am Ende des Hörbuchs vor Augen hatte. Auch ein Vergleich mit Forrest Gump und der Pralinenschachtel wäre hier nicht verkehrt.
    Es ist kein Bildungsroman und doch habe ich einiges gelernt, es ist kein Märchenbuch und doch voll Metaphern, es ist kein Krimi und doch immer wieder spannend, es ist kein Liebesroman und doch voll mit Wärme und Geborgenheit. Es ist einfach ein wundervoll erzählter Roman, ein gutes Stück Literatur, Realität und Fiktion gekonnt miteinander kombiniert. Er kommt recht ruhig daher, ist aber toll, farbenfroh und schelmisch und mit Weisheiten gepaart unterhaltsam. Was mir als einigermaßen geübter Hörbuch Hörer ebenfalls auffiel, das man in 8 Stunden Unterhaltung mehr oder weniger erzählen kann und hier ist es eindeutig sehr viel mehr.


    Zum Schluss bleibt mir nur noch ein Lob an den Sprecher Johannes Steck, der all diese Personen und den Verlauf der Geschichte, großartig gelesen hat.


    Dieses Hörbuch werde ich sicher in der nächsten Zeit noch einmal hören, mit auf die Reise gehen und wieder etwas Neues entdecken, da bin ich mir ganz sicher.


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