Inhalt:
Julis Eltern haben sich vor einigen Monaten getrennt. Abwechselnd versorgen sie nun jeder eine Woche lang die fünfzehnjährige Juli und ihre beiden Geschwister. Als Juli eines Tages in einer Mutter-Woche stattdessen ihren Vater und eine völlig verwüstete Wohnung vorfindet, wird ihr klar, dass etwas nicht stimmen kann.
„Ich lag unter meiner Decke und grübelte und hatte noch keine Ahnung, dass in dieser Nacht, in dieser Sekunde, in der ich nach Hause gekommen war und an Mamas Stelle Papa entdeckte, dass genau dann meine Welt begann sich auf den Kopf zu stellen. Es war nur eine leise Ahnung, dass mein Leben bis jetzt vielleicht gar nicht mein richtiges Leben gewesen war. Die Vorstellung machte mir Angst. Ich zog mir eine Decke über den Kopf, einen Vorhang über jene meiner Gedanken, die mich verstörten.“ (S. 19)
Und dann passiert das unvorstellbare: Durch ihren Vater erfährt Juli, dass ihre Mutter eine Phee ist. Das Wort kennt Juli bisher nur als Schimpfwort oder als Bezeichnung von grausamen, verabscheuungswürdigen Wesen in Kinderbüchern. Und nun soll ihre Mutter eine Phee sein? Gemeinsam mit ihrer neuen Freundin Ksü versucht Juli mehr über die Pheen und damit auch über den Verbleib ihrer Mutter zu erfahren.
Meine Meinung:
Bekannt wurde die Autorin Alina Bronsky mit ihrem Jugendroman „Scherbenpark“. Als ich den Klappentext von „Spiegelkind“ gelesen habe, war ich zunächst überrascht. Ich hatte nicht damit gerechnet, von Frau Bronsky ein Jugendbuch zu lesen, das grob unter das Genre „Fantasy“ zu fallen scheint.
Um all den Zweiflern an diesem Buch und dem Genrewechsel der Autorin direkt den Wind aus den Segeln zu nehmen: Ein Bronksy bleibt ein Bronsky, auch wenn die Geschichte mal fantastisch, mal fast märchenhaft wirkt.
Denn neben dem Fantasy-Anteil weist dieses Buch immer noch einen gesellschaftskritischen Teil auf. Es wirkt sogar fast dystopisch:
Die Welt, in der diese Geschichte spielt, ist mit der unseren nicht unbedingt zu vergleichen: Die Bevölkerung unterteilt sich in Freaks und Normale, wobei lange Zeit nicht klar ist, was überhaupt den Unterschied ausmacht. Alle Normalen sind mit Armbändern ausgestattet, auf denen sämtliche ihrer Daten gespeichert sind.
Die Leute bleiben unter sich, haben kaum Kontakt zu anderen, geschweige denn, dass sich wahre Freundschaften bilden. Dieses Szenario bietet eine interessante Basis für den Rest der Geschichte.
Der Schreibstil ist genauso gut, wie man es von Frau Bronsky gewohnt ist, zwar etwas weniger hart, aber immer noch mitreißend und fesselnd.
Die Geschichte lebt für mich aber vor allem durch Ksü, die im Laufe der Geschichte Julis einzige Freundin wird. Ksü lässt sich in kein Schema stecken: sie sieht zwar aus wie ein Freak, kann sich aber benehmen wie eine Normale. Außerdem ist sie die beste Freundin, die man sich nur wünschen kann.
Zum Ende hin wurde die Geschichte für meinen Geschmack etwas zu märchenhaft. Ich bin nun mal so gar keine Märchentante. Außerdem bleibt man mit einem ganz schönen Cliffhanger vor dem zugeklappten Buch sitzen, denn dies ist der erste Teil der Spiegel-Trilogie. Ich werde also mit Sicherheit den zweiten Band lesen, denn ich möchte unbedingt wissen, wie es mit Juli, Ksü und Ivan (Ksüs Bruder) weiter geht.
Da mich das Buch gut unterhalten und der Genremix mich sehr fasziniert hat, vergebe ich 8 von 10 Sternen. Wenn jemand eine fantastische und gleichzeitig gesellschaftskritische Geschichte lesen möchte, die über lange Zeit ihre Geheimnisse verbirgt und den Leser dadurch neugierig über die Seiten fliegen lässt, sollte zu „Spiegelkind“ greifen.