"Der Blick der Gazelle" - Arash Hejazi

  • Titel der englischen Originalausgabe: "The Gaze of the Gazelle"


    Zum Buch/Meine Meinung


    Nach der Wiederwahl Mahmud Ahmadinedschads im Jahr 2009 gingen Millionen von Iranern auf die Straße, um gegen den Wahlbetrug demonstrierten und zu fragen: "Wo ist meine Stimme?". Die friedlichen Demonstrationen der Grünen Bewegung wurden gewaltsam niedergeschlagen. Ein Opfer war die 27-jährige Neda Agha-Soltan, die von eine Basiji-Milizen in die Brust geschossen wurde und innerhalb weniger Minuten auf der Straße verblutete. Ein kurzer, mit einer Handy-Kamera aufgenommener Videoclip ihres Todes ging kurze Zeit später um die ganze Welt. Im Video sieht man auch einen jungen Mann im weißen Hemd, der seine Hand auf die Schusswunde drückt und so versucht, Neda zu retten. Der Mann ist der Arzt und Verleger Arash Hejazi, der Autor des vorliegenden Buches.


    Ein Freund hatte die letzten Lebensmomente mit einer Handykamera gefilmt und Arash Hejazi entschloss sich, den Videoclip anonym zu versenden. Da er fürchten musste, im Video identifiziert zu werden, verließ er kurz darauf den Iran und floh nach Großbritannien. Das Video von Nedas Tod ging innerhalb kürzester Zeit um die ganze Welt und wurde zum Symbol der Grünen Bewegung des Irans. Durch seinen Gang an die Öffentlichkeit verbaute sich der Autor die Chance auf eine Rückkehr in den Iran.


    In seiner Autobiographie beschreibt Arash Hejazi nicht nur sein eigenes Leben, sondern das Leben einer ganzen Generation, die zu jung ist, um die islamische Revolution noch bewusst miterlebt zu haben, die jedoch heute noch unter dem totalitären und menschenverachtenden Regime leidet. Der Autor gehört zu einer Generation von Iranern, die mit Spitzeleien, Folter und Zensur aufgewachsen sind, die überwiegend säkular eingestellt ist und trotz aller Widrigkeiten und Drohungen immer wieder für Freiheit, Selbstbestimmtheit und Menschenrechte kämpfen, eine Generation, die unter Khatami einen Hauch von Freiheit erleben durfte, die ihnen mit Achmedineschads Wahl wieder genommen wurde.


    Das Buch beginnt im Frühjahr 1978 und endet 2010. Man bekommt einen guten Einblick in politische Vorgänge und Ereignisse, gesellschaftliche Veränderungen und die Kultur des Irans. Verschiedene Mythen geben einen Einblick in die iranische Seele. Interessant auch die Einblicke in das Verlagswesen und die Schwierigkeiten, denen sich ein iranischer Verleger und Autor ausgesetzt sieht. Immer wieder deutlich wird im Buch die Liebe des Autors zu seinem Land und Leuten.


    Eine besondere Rolle spielt der Autor Paulo Coelho, der auch das Vorwort geschrieben hat. Da der Iran sich nicht an internationale Copyright-Vereinbarungen hält, kann im Iran praktisch jedes Buch veröffentlich werden, ohne dass der Autor jemals Tantieme sieht (sofern es durch die Zensur geht). Arash Hejazi hat Paulo Coelho gefragt, ob er sein Buch "Der Alchimist" übersetzen und veröffentlichen darf. Paulo Coelho hat zugestimmt und wurde so zum ersten offiziell im Iran veröffentlichten internationalen Autor. Im Jahr 2000 reiste Coelho dann in den Iran und seitdem sind die beiden befreundet.


    Das Video von Nedas Tod hatte ich mir damals, wie so viele, auf YouTube angesehen und lange nicht aus dem Kopf bekommen. Ich habe ja schon lange eine Schwäche für den Iran und hoffe auch irgendwann in das Land reisen zu können. Ich hoffe, dass das Buch dazu beiträgt, die Iraner nicht nach ihrer Regierung zu beurteilen.


    Über den Autor


    Arash Hejazi ist iranischer Verleger, Autor, Übersetzer, Journalist und Arzt. 1971 in Teheran geboren, schloss er 1996 sein Medizinstudium ab und gründete ein Jahr später den Verlag Caravan Books Publishing House, in dem er bis 2009 als Programmleiter tätig war. Danach war er gezwungen, den Iran zu verlassen. Er war außerdem Chefredakteur von zwei Kulturmagazinen, Kamyaab und BookFiesta. Die Veröffentlichung beider Magazine wurde 2008 vom iranischen Kultusministerium eingestellt. Als Autor gelang ihm mit dem Roman "The Princess of the Land of Eternity" der Sprung auf die Shortlist von zwei der größten iranischen Literaturpreise. "Der Blick der Gazelle" ist sein erstes auf Deutsch erschienenes Buch.


    Homepage des Autors (englisch)
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  • So, hab's gelesen. Bin zwar ganz speziell nicht am Iran interessiert eher allgemein so nach dem Motto "was geht in Ländern, die die Achse des Bösen bilden, wirklich ab" und dafür ist es ein wirklich gut geschriebener und interessanter Einblick. Der Autor schreibt immer aus seiner Sicht der Dinge*, das gibt dem Buch den persönlichen Touch. Mir hat ein bisschen was gefehlt zum Schah und ob es später die Gedanken gab, dass man vom Regen in die Traufe gekommen ist.
    Was ich ganz anrührend fand ist seine Identifikation als Iraner. Dass das für ihn etwas ganz besonderes und einzigartiges ist. Kann ich mir persönlich gar nicht vorstellen und ich finde auch oft, dass Iraner sich gerade im Kontakt mit Ausländern als Perser identifizieren und da hatte ich oft das Gefühl, dass das geschieht, um auf Distanz zum jeweils derzeitigen Regime zu gehen. Na ja, was weiß ich.
    Auf alle Fälle eine Kaufempfehlung und Delphins Bepunktung schließe ich mich an.


    *haha, ich bin heute wieder captain obvious, deshalb ist das Buch ja auch bei den Biografien :wow