Dietrich Bonhoeffer - Ferdinand Schlingensiepen

  • Über das Buch
    Die Gedichte, Aufzeichnungen und Briefe Dietrich Bonhoeffers faszinieren bis heute viele Menschen. Anschaulich und auf der Grundlage zahlreicher neuer Quellen schildert Ferdinand Schlingensiepen den ungewöhnlichen und mutigen Lebensweg des Pfarrers, Theologen und Widerstandskämpfers. Er lässt dessen Erfahrungs- und Gedankenwelt lebendig werden und macht deutlich, warum Bonhoeffer von Beginnan gegen das NS-Regime eingestellt war und die schwerwiegende Entscheidung zum aktiven Widerstand getroffen hat.


    Der Autor
    Ferdinand Schlingensiepen wurde 1929 geboren. Er ist evangelischer Theologe und Mitbegründer der Dietrich-Bonhoeffer-Gesellschaft.



    Meine Meinung
    Zwölf Kapitel nebst Vorbemerkung (zur Zitierweise und Abkürzungen) und Vorwort, daran anschließend ein Epilog nebst Dank sowie Anhang, der neben Anmerkungen unter anderem eine Zeittafel und einen kurzen Stammbaum der Familie Bonhoeffer beinhaltet.
    In den Text integriert sind zahlreiche Fotos.
    Vermisst habe ich ein ausführliches Literaturverzeichnis; die von Schlingensiepen herangezogenen Bücher und Aufsätze muss man sich aus den Anmerkungen erschließen.


    Ferdinand Schlingensiepens Voraussetzungen, eine Bonhoeffer-Biografie zu schreiben, sind optimal: Sein Vater war nicht nur Mitglied der Bekennenden Kirche, sondern auch in der gleichen Weise tätig wie Bonhoeffer selbst, nämlich als Leiter eines illegalen Seminars (wobei anzumerken ist, dass zu Beginn dieser Seminare die Illegalität noch nicht gegeben war), zudem bestand eine Freundschaft mit Eberhard Bethge, der Bonhoeffer der Nachwelt „erhalten“ hat durch die Herausgabe seiner hinterlassenen Schriften und der ihm mit seiner monumentalen Biografie ein akribisch ausgearbeitetes Denkmal gesetzt hat.


    Bonhoeffers Leben muss in einer Buchvorstellung nicht nacherzählt werden, ganz im Gegensatz zu einer Biografie. Dort hat alles seinen Platz zu finden von der Kindheit bis hin zum Tod im KZ Flossenbürg. Schlingensiepen entzieht sich dieser Aufgabe keineswegs, allerdings blieb nach meinem Empfinden der Mensch Bonhoeffer etwas blass, ganz im Gegensatz zum Pfarrer und Theologen. Der Autor zeichnet sehr genau nach, wie sich Bonhoeffers Theologie entwickelte, nämlich keineswegs „im grauen Kämmerlein“, sondern an und in der Realität des politischen, kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens bis hin in die Realität der Haft im Militärgefängnis Tegel und im Kellergefängnis der Gestapo. Er erklärt, warum sich der Lehrer und Mahner, der klare und deutliche Worte nicht scheute und Unrecht anprangerte, der durch Rede- und Schreibverbote nicht zum Schweigen zu bringen war, vorsichtiger und angepasster geben musste, als er sich dem Widerstand gegen Hitler anschloss. Schlingensiepen zitiert Bonhoeffer ausführlich und immer punktgenau, für mich eine der Stärken des Buches.


    Schlingensiepens Darstellung besticht in meinen Augen durch seine klare und genaue Wiedergabe des evangelischen Kirchenkampfes während der Zeit des Nationalsozialismus, er zeigt auf, wie immens Bonhoeffer in diese Auseinandersetzung eingebunden war und welchen Einfluss er nehmen konnte. Auch Bonhoeffers Arbeit in der Ökumene (wobei man diese nicht mit der heutigen Ökumene gleichsetzen darf; die katholische Kirche verweigerte sich lange diesen Gesprächen) wird gut erläutert.


    Die vorgestellte Biografie ist überaus lesenswert, wenn man den Theologen Bonhoeffer und die Entwicklung seiner Theologie kennenlernen möchte. Der Mensch Bonhoeffer, da wiederhole ich mich, blieb mir etwas arg entfernt; diese Darstellung war mir etwas zu glatt. Mir fehlten da ein wenig die Bruchstellen, als ein Beispiel sei nur die verweigerte Beerdigung des – jüdischen - Vaters seines Schwagers Leibholz genannt. Auch die Beziehung zu seiner Verlobten Maria von Wedemeyer ist mir etwas zu harmonisch dargestellt; aus den "Brautbriefen" ergab sich für mich ein etwas anderes Bild.


    Es spricht in jedem Fall für Schlingensiepen und zeigt für mich deutlich seine Intention, dass er als Schlusspunkt nicht das wohl das bekannteste Gebet/Gedicht Bonhoeffers zitiert, sondern auszugsweise das Gedicht „Tod des Mose“ mit der Zeile „Gott, ich habe dieses Volk geliebt“ (Seite 394), mit der er das Buch enden lässt. Über die Entscheidungen, die diese Liebe Bonhoeffer abverlangte und warum er – ganz ohne die „guten Mächte“ geht es eben doch nicht – in der von manchem als so anstößig und unverständlich empfundenen dritten Strophe von dem „schweren Kelch, den bitteren des Leids“, den wir „dankbar ohne Zittern“ annehmen, sprechen konnte, kann man in diesem Buch lesen.


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  • Das Buch landet sofort auf meiner Wunschliste. Dickes Dankeschön an dich für diese sehr aufschlussreiche und interessante Rezi. :wave


    Bonhoeffer ohne Frage einer der "wirklich großen" Deutschen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.