Daniel Erk - So viel Hitler war selten

  • Titel: So viel Hitler war selten
    Autor: Daniel Erk
    Verlag: Heyne
    Erschienen: Januar 2012
    Seitenzahl: 237
    ISBN-10: 3453601785
    ISBN-13: 978-3453601789
    Preis: 9.99 EUR


    „Die Banalisierung des Bösen oder Warum der Mann mit dem kleinen Bart nicht totzukriegen ist“. So lautet der Untertitel dieses Buches. Geschrieben wurde es von dem 1980 geborenen Daniel Erk, der Politikwissenschaft sowie Medien- und Kommunikationswissenschaft in Göttingen und Berlin studierte. Seit 2006 betreibt er den „Hitlerblog“, der im Jahre 2010 als „bestes Weblog des Jahres“ ausgezeichnet wurde.


    Worum geht es nun genau in diesem Buch?
    Daniel Erk beschreibt wo wir überall Hitler begegnen. Und dabei wird unser Umgang mit ihm immer sorgloser. Täglich treffen wir ihn in Magazinen, in der Werbung und auch in Comedy-Veranstaltungen. Und viele tragen dazu bei, dass das Schreckliche immer mehr von seinem Schrecken verliert. Erk machte aber auch deutlich, dass man in vielen anderen Ländern nicht die Berührungsängste hat, wie wir sie in Deutschland finden. Dabei zeigen eben auch viele Satiren über Hitler, die Lächerlichkeit dieser Person, seiner Kumpanen und seines ganzen Systems – die Opfer aber sind nicht Gegenstand dieser Satiren.


    Der Autor hat nichts gegen Satire, ganz im Gegenteil – was ihm aber große Sorge bereitet, ist die steigende Sorglosigkeit die im Laufe der Zeit offenbar immer mehr zunimmt. Als Beispiel dafür führt er Eichingers Machwerk „Der Untergang“ an – wo durchaus bei vielen Menschen Sympathien für Hitler entstanden, wo sich das Hitler-Bild völlig verwischte, wo nicht das furchtbare Leiden der Opfer im Vordergrund stand sondern der „arme“ Diktator. Gerade auch für die Filmindustrie ist Hitler nichts anderes als ein Projekt zum Geldverdienen – man dreht die Filme nicht zur Erklärung der Vergangenheit – man dreht sie einfach nur aus einem Grunde: Geldverdienen.


    Daniel Erk hat ein interessantes Buch geschrieben, er beschreibt auch wie man mit der Person Hitler satirisch in England, in Israel und in den USA umgeht – und hat da höchst Erstaunliches zu Tage gefördert.


    Am Ende seines Buches schreibt Daniel Erk:
    „Vielleicht ist die Banalisierung auch nur die erste Stufe einer schrittweisen Einzug haltenden Historisierung. Das Dritte Reich verliert seine Unmittelbarkeit, die Zeitzeugen sterben und es werden dringend neue Wege gesucht, wie man den Nachgeborenen den Schrecken anschaulich machen kann.“
    Hoffen wir, dass diese Erklärung zutrifft.


    Ein lesenswertes Buch.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich diskutiere so ungern über Bücher, die ich nicht gelesen habe, aber kannst du dir vorstellen, das Herr Erk dieses Buch auch geschrieben hat, damit er Geld damit verdient? Ich finde nicht, dass "Der Untergang" ein Meisterwerk sei, aber ein Machwerk ist der Film und das Buch keinesfalls, dazu ist es zu gut recherchiert und die Banalität des Bösen zu zeigen dient nicht des Sympatiewerbung. Eine Dämonisierung verzerrt auch und führt oft zu Kontraindikation.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend Das Dritte Licht Claire Keegan :lesend Kirk A. Denton The Columbia Companion to modern Chinese Literature

  • Zitat

    Original von beowulf
    Ich diskutiere so ungern über Bücher, die ich nicht gelesen habe, aber kannst du dir vorstellen, das Herr Erk dieses Buch auch geschrieben hat, damit er Geld damit verdient? Ich finde nicht, dass "Der Untergang" ein Meisterwerk sei, aber ein Machwerk ist der Film und das Buch keinesfalls, dazu ist es zu gut recherchiert und die Banalität des Bösen zu zeigen dient nicht des Sympatiewerbung. Eine Dämonisierung verzerrt auch und führt oft zu Kontraindikation.


    Mich hatte der Film seinerzeit absolut nicht überzeugt. Aber Ansichten können eben verschieden sein. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire


    ... Die Banalisierung des Bösen ...


    Er meint also ausschließlich die heute stattfindende Banalisierung?


    Entschuldigung, wenn ich das so genau wissen möchte, denn das Buch interessiert mich sehr. Aber ich beschäftige mich gerade mit "Eichmann vor Jerusalem" von Bettina Stangneth und seitdem rotiert mein Magen permanent, wenn ich von der "Banalität des Bösen" höre.

  • Zitat

    Original von Lipperin


    Er meint also ausschließlich die heute stattfindende Banalisierung?


    Entschuldigung, wenn ich das so genau wissen möchte, denn das Buch interessiert mich sehr. Aber ich beschäftige mich gerade mit "Eichmann vor Jerusalem" von Bettina Stangneth und seitdem rotiert mein Magen permanent, wenn ich von der "Banalität des Bösen" höre.


    Ja - auch wenn er natürlich nicht umhin kommt Hannah Arendt in diesem Zusammenhang zu erwähnen; aber Erk geht es bei diesem Begriff in erster Linie um die heutige Zeit.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • In diesem lesenswerten Buch zeigt der Autor auf, wie durch die inflationäre Hitlerisierung eine Banalisierung des Holocaust in unserer Zeit bewirkt wird. Er belegt dies durch viele Beispiele aus Politik, Zitaten, Musik, Theater und Film. Er meint nicht das der Eichinger Film ein Machwerk sei, er meint, dass die Beschäftigung allein mit der Person Hitler von der Gesamtsituation Deutschlands zur Zeit des Nazionalsozialismus bewirkt. Hitler wird als Personifizierung des Bösen mit allen Übeln der Welt gleichgesetzt, sei es bei der AIDS Bekämpfung oder beim Umweltschutz -in Zeiten der Reizüberflutung mit dem Schnurbart tritt die eigentliche Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus und insbesondere dem Holocaust in die Bedeutungslosigkeit zurück, die Opfer und die Täter verblassen vor dem Symbol.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend Das Dritte Licht Claire Keegan :lesend Kirk A. Denton The Columbia Companion to modern Chinese Literature

  • Das eigene Unbehagen glänzend in Worte gefasst – so mein Gesamteindruck von dem Buch. Zwar sagte mir eine ganze Reihe der von ihm angeführten Namen nichts, auch die von ihm erwähnten Filme und Lieder sind mir nicht bekannt, aber letztlich kommt es darauf ja auch gar nicht an. Es bleibt die erschreckende Anhäufung von Banalisierungen, die Erk auflistet. Mit vielem, was er sagt, bin ich einverstanden, nur eine Kleinigkeit hat mich regelrecht aufgebracht: Seite 111 spricht er von „Adolf Eichmann, jener Bürokrat ohne Anstand und Moral, der den Holocaust logistisch organisierte und in Argentinien … unter falschem Namen ein beschauliches Leben führte“. Sorry, aber das geht mir ein wenig zu weit in Richtung der von Eichmann selbst ins Leben gerufenen Legende vom „Schreibtischtäter“, der auch Hannah Arendt derart Glauben schenken musste, dass sie von der „Banalität des Bösen“ sprechen konnte. Aber das Thema „Eichmann“ ist sowieso ein ganz eigenes und für mein Empfinden unendliches bitteres.


    „So viel Hitler war selten“ ist ein sehr empfehlenswertes Buch. Es wird zwar nichts an dem Fakt ändern, dass der „sorglose Umgang“ mit Hitler noch sorgloser werden wird und man darob immer mehr in Rage geraten kann, es wird aber sehr wohl den Blick schärfen können – so man ihn denn geschärft haben will.