Dieter Zimmer: Für'n Groschen Brause

  • Dieter Zimmer: Für'n Groschen Brause


    Eine liebenswerte Familienchronik aus unliebsamen Zeiten


    Leipzig 1950 - 53: Die Geschichte des 10jährigen Thomas und seiner "kapitalistischen" Familie lässt ein Stück Nachkriegszeit in der DDR lebendig werden, als die Grenze noch nicht tödlich dicht war und die S-Bahn auch für Bürger der damaligen SBZ in den Westen fuhr. Schlangestehen, Hamstern, Organisieren - für den Lausbuben Thomas ist das ein Leben voller Abenteuer, das der Autor mit Herz und Humor erzählt.


    Dieter Zimmer, lange Zeit Moderator der "heute"-Sendung beim ZDF, stammt selbst aus Sachsen. Mit seinem Erstling gelang ihm eine Familienchronik von kempowskischer Qualität.


    ISBN: 3-404-10183-9


    nun, mit kempowski würde ich persönlich ihn doch nicht ganz gleichsetzen.
    aber dieter zimmer (er hat bis zu seiner herzkrankheit vor einigen jahren auch immer das zdf-wahlstudio geleitetr) erzählt überaus kurzweilig.
    und authentisch, wie mir eine zum zeitpunkt meiner erstlektüre noch lebende freundin, die in leipzig geboren war, bestätigen konnte.
    man kann die schwierigkeiten, politische, finanzielle, familiäre... gut mitempfinden, aber es ist auch jede menge platz für humor, zB wenn thomas, ein "begnadeter" aufsatzschreiber, einen aufsatz über die hausdiere (hausTÜRE) anstatt über hausTIERE schreibt.
    am ende flüchten seine mutter und er und erleben im folgeband


    "alles in butter"


    die ersten zaghaften zeichen des wirtschaftswunders im nicht immer goldenen westen. beide bücher sind unabhängig voneinander lesbar.

    "Ein Buch ist wie ein Spiegel: Wenn ein Affe hineinschaut, kann kein Weiser herausschauen."(Lichtenberg)

  • stimmt, der hat mich auch immer zum schmunzeln gebracht:-)
    aber nicht, dass jetzt jemand denkt, man müsse fremdsprachenkenntnisse für die lektüre dieser bücher besitzen!! :lache

    "Ein Buch ist wie ein Spiegel: Wenn ein Affe hineinschaut, kann kein Weiser herausschauen."(Lichtenberg)

  • Titel: Für'n Groschen Brause

    Autor: Dieter Zimmer

    ISBN-10: 3937799362

    ISBN-12: 978-3937799360

    Erscheinungsdatum: September 2016

    Originalausgabe: 1980



    Zum Autor:

    Dieter Zimmer wurde 1939 in Leipzig geboren, wo er auch bis zu seinem 13. Lebensjahr wohnte, bevor er zusammen mit seiner Mutter aus der damaligen Ostzone gen Westen floh. Nach dem Studium arbeitete er als Journalist und Fernsehredakteur beim SWF und ZDF und war lange Jahre Nachrichtensprecher bei "heute". Seit 1980 ist er auch als Schriftsteller und Sachbuchautor tätig.



    Kurzbeschreibung/Klappentext:


    Das Leben ist voller Abenteuer! Der Junge Thomas wächst in den 50er Jahren in Leipzig auf. Während er sich durch die Herausforderungen des Alltags und der Schule schlawinert, fasst seine Mutter einen Entschluss: die Flucht in den Westen! Erzählt wird eine bewegte Familiengeschichte, die das Leben in der Messestadt nach dem Krieg lebendig werden lässt, mit all seinen Lichtblicken und Abgründen. Dieter Zimmer erzählt mit viel Herz und Humor ein Stück Deutscher Geschichte.



    Inhalt:


    Der Roman - wie ich gelesen habe, ist er wohl stark von der Biografie des Autors beeinflusst - schildert die Jahre 1950 bis 1953 in der gerade frisch entstandenen DDR und beginnt mit dem zehnten Geburtstag von Thomas, der Hauptfigur des Buches, aus dessen Sicht die Geschichte auch erzählt wird. Zusammen mit seiner Mutter, deren zweitem Ehemann und der Oma lebt er in Leipzig, dem die Bombardements des Krieges noch allzu deutlich anzusehen sind. Zwischen Trümmerhalden, Hinterhöfen und heruntergekommenen Mietshäusern spielt sich sein Leben ab, doch so trist dies klingen mag, ist es beileibe nicht, denn der kleine Tunichtgut hat jede Menge Spaß und wirbelt auch das Leben der Familie und der Nachbarschaft ganz schön durcheinander.


    Erzählt wird das ganz gewöhnliche Alltagsleben kleiner Leute in der sowjetischen Besatzungszone, die Probleme und Schwierigkeiten ebenso wie die kleinen Freuden. Wir stehen mit Thomas im HO-Laden Schlange, in dem es nie etwas zu kaufen gibt, wir dürfen seine haarsträubenden Schulaufsätze lesen, über die die gesamte Lehrerschaft stöhnt, wir begleiten ihn zu den Großeltern ins "Heim Feierabend", zu den Fußballspielen seiner Lieblingsmannschaft "Chemie Leipzig" und zu wilden Raufereien unter Straßenkindern.


    Der Leser erfährt viel über das Leben in der damaligen Ostzone, über die politischen Verhältnisse, über die Armut und den Mangel an absolut allem, über die Schwierigkeiten mit der Obrigkeit, mit staatlicher Zensur und Enteignungen, er liest über Fehlwirtschaft, Korruption und Propaganda, und über die beständige Angst, wegen eines unvorsichtig geäußerten Wortes von den VoPos nachts aus den Betten gezerrt und in Haft genommen zu werden.


    Ähnliches passiert Thomas' Stiefvater, der sich als eine Art Schieber betätigt und mit allerlei Waren, die es in der DDR eigentlich nicht zu kaufen gibt, ein zwar höchst illegales, aber gut florierendes Geschäft betreibt. Nachdem er auffliegt und sein Warenlager geräumt wird, beschließt er, sich in den freien Westen abzusetzen, bevor die Grenzen endgültig geschlossen werden. Die Kriegsehe zwischen ihm und Thomas' Mutter wird geschieden und er flieht von Leipzig nach Wiesbaden.


    Thomas muss allerdings mit seiner Mutter, mit deren Bruder und der Oma in der Stadt bleiben - denn noch ist die Familie Eigentümer eines kleinen Betriebes, den der verstorbene Großvater vor vielen Jahren gegründet hatte. Vor dem Krieg hatte es die Familie zu bescheidenem Wohlstand gebracht, jetzt jedoch droht die Enteignung, denn sämtliche noch existierende Privatbetriebe sollen in staatliches Eigentum überführt werden.


    Und so kommt es dann schließlich auch und die Familienmitglieder werden in der eigenen Firma kurzerhand vor die Tür gesetzt und dürfen sich nicht einmal mehr von der treuen Belegschaft verabschieden. Dazu verschlimmern sich die Zustände in der Ostzone immer mehr, Armut macht sich breit und eine absolute Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit, reihenweise flüchten die Menschen in die BRD. Schließlich bleibt auch Thomas und seiner Mutter nichts anderes mehr, als sich gen Westen und in eine ungewisse Zukunft aufzumachen.



    Meine Eindrücke/Meinung:


    Ich habe mir gerade die Inhaltsangabe noch einmal durchgelesen und festgestellt, dass das alles nach einem recht tristen Buch klingt - aber das ist es ganz und gar nicht, im Gegenteil. Die Zeiten waren zweifellos schlimm und trostlos, aber der Autor beschreibt alles mit viel Humor und einem Augenzwinkern und hat dazu einen so wunderbar charmanten, witzigen Schreibstil, dass das Buch überaus vergnüglich zu lesen ist. Geschrieben ist es aus Sicht des Schuljungen Thomas, der eine sehr pragmatische Einstellung zu den Dingen hat, die um ihn herum passieren, und das meist auch lauthals und ohne Scheu kundtut - was ihn in so manche brenzlige Situation bringt.


    Seine Gedankengänge zu verfolgen oder zu lesen, wie er sich mit seiner vorlauten Klappe und seinen Ideen immer wieder in die Bredouille bringt, lässt einen oft lauthals auflachen. Ludwig Thoma hätte seine wahre Freude an diesem Schlingel gehabt, davon bin ich überzeugt - das Buch liest sich manchmal wie eine sächsische Nachkriegsversion der 'Lausbubengeschichten'. Mit seinem Einfallsreichtum und seinem losen Mundwerk steht der kleine Sachsen-Thomas seinem bayerischen Pendant jedenfalls kaum in etwas nach.


    Dieses liebenswert erzählte Stück Zeitgeschichte ist interessant und kurzweilig zu lesen, besonders dann, wenn der kleine Thomas in seiner herrlich trockenen Art über die Wirrnisse des Alltags zu philosophieren anfängt. Themen, die er überdenken muss, hat er praktisch unbegrenzt zur Verfügung, und so sinniert er reichlich zwiegespalten über den Sozialismus und den wilden Westen, über Winnetou und Konrad Adenauer, über Dichter und Denker, seine Lehrer, seinen Friseur und über die besten Methoden, sich um den Schulunterricht zu drücken.


    Ich fand vor allem interessant und spannend, die damaligen Geschehnisse aus der Sicht der kleinen Leute zu lesen, unbeschönigt und ohne rosa Brille betrachtet, ihre Nöte und Sorgen kennenzulernen und einen Blick in ihr Leben werfen zu dürfen, von dem der Autor trotz aller Not so amüsant zu berichten versteht. Was mich auch nachdenklich gemacht hat, sind die Unterschiede zwischen damals und heute. Natürlich auch die Unterschiede zwischen dem Elend damals und dem Wohlstand heute, aber auch, um wie viel freier und zwangloser Kinder trotz all ihrer anstrengenden Pflichten damals gelebt haben.


    All das, was heute als so zwingend notwendig erachtet wird, gab es damals noch nicht einmal ansatzweise. Den hausgemachten Freizeitstress unserer Tage gab es nicht, auch keine überbesorgten Helikoptereltern, keine Supermodelsendungen oder Influencer oder Markenkleidung oder teure elektronische Spielsachen. Dazu hatten die Kinder viele anstrengende Arbeiten in Haushalt und Familie zu erledigen. Und trotzdem waren sie nicht weniger glücklich als heute - nur weniger gestresst. Das lässt einen schon mal ins Grübeln kommen. Überhaupt hat das Buch trotz allem Witz und Esprit durchaus auch kritische und ernste Untertöne, auch wenn sie dadurch, dass alles aus Sicht eines Zehnjährigen geschildert wird, etwas an Biss verlieren.


    Mir hat das Buch sehr gut gefallen, es gibt witzig geschilderte Einblicke in das sowjetisch besetzte Nachkriegsdeutschland und ist ein warmherzig und lebensklug erzähltes Stückchen Zeitgeschichte.