'Das Spiel der Nachtigall' - Seiten 109 – 252

  • Genau deshalb bezweifele ich, dass es eine so schreckliche Vorstellung war jemanden heiraten zu müssen, den andere für einen ausgesucht haben. Es war schlicht für junge Leute so normal wie heute mit 18 den Führerschein zu machen, da gibt es einige Sonderlinge die wollen nicht, ein paar die können nicht, aber alle anderen machen das ohne weiter zu überlegen oder sich zu hinterfragen.

  • Zitat

    Original von beowulf
    Genau deshalb bezweifele ich, dass es eine so schreckliche Vorstellung war jemanden heiraten zu müssen, den andere für einen ausgesucht haben. Es war schlicht für junge Leute so normal wie heute mit 18 den Führerschein zu machen, da gibt es einige Sonderlinge die wollen nicht, ein paar die können nicht, aber alle anderen machen das ohne weiter zu überlegen oder sich zu hinterfragen.


    Vielleicht war es auch eher so, dass Judith ihre Freiheit nicht aufgeben will, trotz aller damit verbundenen Risiken? Sie ist ja ohnehin eher untypisch für ihre Zeit, denke ich mal.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.

  • Zitat

    Original von beowulf
    Genau deshalb bezweifele ich, dass es eine so schreckliche Vorstellung war jemanden heiraten zu müssen, den andere für einen ausgesucht haben. Es war schlicht für junge Leute so normal wie heute mit 18 den Führerschein zu machen, da gibt es einige Sonderlinge die wollen nicht, ein paar die können nicht, aber alle anderen machen das ohne weiter zu überlegen oder sich zu hinterfragen.


    Ich sehe das genauso. So war es damals einfach und das war allgemein akzeptiert, auch unter den jugen Leuten.
    Trotzdem gab es damals wie heute "Sonderlinge" bzw. "Andersdenkende", die das nicht so einfach hinnehmen wollten und vielleicht auch konnten, wenn sie die Möglichkeiten dazu hatten. Und das ist auch gut so, denn nur so kann sich eine Gesellschaft verändern.

  • Zitat

    Original von ottifanta


    Vielleicht war es auch eher so, dass Judith ihre Freiheit nicht aufgeben will, trotz aller damit verbundenen Risiken? Sie ist ja ohnehin eher untypisch für ihre Zeit, denke ich mal.


    Meine Bemerkung bezog sich ausdrücklich nicht auf Judith, sondern auf deine viel allgemeinere Aussage. Judith gehört für mich schon wegen ihrer völlig atypischen Ausbildung zu den Sonderlingen.


    Übrigens, was mir sehr gefällt an diesem Buch ist, das weitere alte Bekannte auftauchen. Ein sehr empfehlenswerter historischer Roman ist von Kari Köster- Lösche "Der Münzmeister von Köln", der hier immerhin zwei Sätze Erwähnung findet.

  • Glaube einerseits auch, dass es einfach so war. Liebesheiraten waren die Ausnahme und die Ehe wohl eher eine Zweckgemeinschaft und nebenbei ein Mittel, um Geld und Gut aufzuteilen, umzuverteilen oder zu vermehren. Eigentlich eher ein Geschäft. Der Mann gab die Sicherheit und die Frau ihre Fruchtbarkeit. Die Frauen hatten auch deshalb wenig zu sagen, da sie meist ungebildet waren, sprich keinen eigenen Beruf hatten und auch kein eigenes Ein- und Auskommen. Judith bildet da eine große Ausnahme, da sie etwas gelernt hat und damit auch noch Geld verdient.


    Wundern tu ich mich nur, dass das Alter, in dem die Kinder verheiratet wurden doch eigentlich die Pupertät war. Also das Alter, in dem heutzutage die meisten gegen ihre Eltern aufbegehen. Gab es das damals nicht? Oder war es früher? Ich dachte eigentlich, das wäre ein Vorgang, der von der Natur zur Abnabelung vorgesehen war und der nichts speziell mit unserer heutigen Gesellschaft zu tun hat. :gruebel

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Heumahd - Susanne Betz


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Zitat

    Übrigens, was mir sehr gefällt an diesem Buch ist, das weitere alte Bekannte auftauchen. Ein sehr empfehlenswerter historischer Roman ist von Kari Köster- Lösche "Der Münzmeister von Köln", der hier immerhin zwei Sätze Erwähnung findet.


    Ich glaube, das war Karina Kulbach- Fricke. Übrigens ein ganz tolles Buch und eine Autorin, von der ich gerne wieder was Neues lesen würde. An das Buch habe ich auch gleich gedacht.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Heumahd - Susanne Betz


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Dieser zweite Abschnitt überzeugt vor allem durch die sympathischen Charaktere von Walther und Judith. Manchmal fand ich die geschichtlichen Hintergründe, als etwas langatmig erzählt. Der Roman baut wenig Spannung auf, überzeugt jedoch mit vielen kleinen Details, dem Leben der Juden zu jener Zeit, die Brutalität der Kreuzritter und Walthers frecher Klappe. An einem, wie ihm muss sich Judith reiben. Bis jetzt durchaus ein Lesevergnügen. Den Schreibstil finde ich ganz hervorragend.

  • [quote]Original von hollyhollunder


    Wundern tu ich mich nur, dass das Alter, in dem die Kinder verheiratet wurden doch eigentlich die Pupertät war. Also das Alter, in dem heutzutage die meisten gegen ihre Eltern aufbegehen. Gab es das damals nicht? Oder war es früher? Ich dachte eigentlich, das wäre ein Vorgang, der von der Natur zur Abnabelung vorgesehen war und der nichts speziell mit unserer heutigen Gesellschaft zu tun hat. :gruebel[/


    Ein durchaus weit verbreiteter Irrtum, weder ist Judith in diesem Buch in der Pubertät, noch war es allgemein üblich Kinder zu verheiraten. das machten eher Königs, da wurden die Kinder oft gemeinsam erzogen, damit sie sich aneinander gewöhnen können. Wenn du nach Heiratsalter Googelst findest du bestimmt etwas, das zeigt, dass das Heiratsalter immer um die Zwanzig lag.

  • Habe brav gegoogelt, :-) bin aber von vielen der Artikel bestätigt worden, dass die Frauen nach Beginn der ersten Periode - damals ca. mit 15-16 verheiratet wurden - mit 20 war man bereits ziemlich spät dran. Bei Adeligen waren es tatsächlich Kinder weit unter diesem Alter.
    Aber für mich ist das genau das Alter, welches ich gemeint habe. Da haben meine beiden Söhne angefangen heftigst zu pupertieren.
    Wenn deine Angabe stimmt "beowulf", dann wäre das aber vielleicht dennoch die Zeit der damaligen Pupertät gewesen. Da die Mädchen damals später ihre Tage bekamen - bei uns ist es ja heute schon mit 12-13 (aus unterschiedlichsten Gründen) - dann waren sie ja auch zwei drei Jahre später im Flegelalter. Also so oder so im heiratsfähigen Alter.


    Aber damals hatten halt die Eltern noch viiiiel mehr zu sagen. Da wurde nicht so schnell widersprochen. Zumindest als Tochter nicht. Außerdem, was hätten die Frauen dann machen sollen? Unverheiratet hätten sie nur ihr Leben lang bei den Eltern bleiben können. Das wollten sie sicher auch nicht.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Heumahd - Susanne Betz


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Ich finde das Gespräch, das sich hier entwickelt hat, historisch gesehen sehr interessant. Wieder was dazugelernt ;-)


    Dass Mädchen wirklich weniger aufbegehrten als heute, wenn es denn wirklich so war, dann wohl weil damals die Strafen strenger und die Folgen für ihr eigenes Leben erheblicher waren. Von Seiten der Familie aber auch der Gesellschaft (Gewalt, Ächtung etc.).

  • Im nächsten Abschnitt wird erwähnt, daß Mädchen mit 12 und Jungs mit 14 verheiratet wurden. ;-)


    Ich denke aber auch, daß auch unter Bauern und Handwerkern eifrig von den Eltern Ehen arrangiert wurden. Einfach um Land und Betrieb in gute Hände weiterzugeben, oder aber Einfluss dazu zugewinnen.


    Interessant auch was wiki zum Thema Ehe im Mittelalter zu sagen hat.

  • Zitat

    Original von hollyhollunder
    ...
    Aber damals hatten halt die Eltern noch viiiiel mehr zu sagen. Da wurde nicht so schnell widersprochen. Zumindest als Tochter nicht. Außerdem, was hätten die Frauen dann machen sollen? Unverheiratet hätten sie nur ihr Leben lang bei den Eltern bleiben können. Das wollten sie sicher auch nicht.


    Manche hätte vielleicht schon gewollt, ihre Eltern konnten das aber nicht finanzieren. Eigentlich waren die Kinder damals ja die Altersrente. Eine unverheiratete Frau hätte nie den Lebensunterhalt für drei Personen bestreiten können, zumal die Eltern vielleicht gebrechlich waren. Somit waren alle darauf angewiesen, dass die Töchter heiraten und später deren Familie ihre Eltern mit unterstützte.


    Die Freiheiten, die wir heute haben, hat uns eigentlich erst die Einführung von den Sozialversicherungen beschert. Davon ist Judith aber noch 700 Jahre entfernt. ;-)

  • Auch ich habe diesen zweiten Abschnitt nun beendet und mich hat Judiths Lebenslauf fast noch mehr gefesselt als Walthers, zumindest bis jetzt noch. Nicht nur ihre - zu damaligen Zeiten - ungewöhnliche Ausbildung, sondern auch die von Ihrem Vater eingefädelte Ehe, vor der sie ja klug geflohen ist.


    Faszinierend fand ich auch ihre Behandlung der "Blähungen" von Irene, wo andere schon das Messer angesetzt hätten.


    Auch der plötzliche Tod ihres Vaters und die anschließende fast "Ausrottung" ihrer Familie hat mich sehr beschäftigt. Walther war dabei für meine Begriffe nicht besonders mutig (wobei ich nicht weiß wie ich mich in so einer Situation verhalten hätte).


    Ich muss jetzt unbedingt weiterlesen.


    Viele Grüße :wave

  • Sabine, wenn auch Judith erfunden ist, so war ihr Vetter, der Münzmeister Salomon, eine historische Figur. Er und sein Haushalt kamen tatsächlich auf die beschriebene Art ums Leben, und Herzog Friedrich reagierte wie von mir beschrieben (d.h. die "Kreuzfahrer" kamen davon, der Rest wurde gehängt). Als ich bei der Recherche auf das Ereignis stieß, wußte ich, daß ich es einbauen würde, gerade, weil es mich sehr mitnahm.


    Daß eine Frau Blähungen hatte und fast aufgeschnitten worden wäre, wenn eine Ärztin nicht eingeschritten und sie auf die beschriebene Weise behandelt hätte, ist in Wirklichkeit Trota von Salerno passiert, aus deren Buch die meisten von Judith verwendeten Methoden stammen.


    Ich weiß auch nicht, wie ich mich bei einem Lynchmob verhalten hätte...

  • Zitat

    Original von Tanja Kinkel
    Sabine, wenn auch Judith erfunden ist, so war ihr Vetter, der Münzmeister Salomon, eine historische Figur. Er und sein Haushalt kamen tatsächlich auf die beschriebene Art ums Leben, und Herzog Friedrich reagierte wie von mir beschrieben (d.h. die "Kreuzfahrer" kamen davon, der Rest wurde gehängt). Als ich bei der Recherche auf das Ereignis stieß, wußte ich, daß ich es einbauen würde, gerade, weil es mich sehr mitnahm.


    Daß eine Frau Blähungen hatte und fast aufgeschnitten worden wäre, wenn eine Ärztin nicht eingeschritten und sie auf die beschriebene Weise behandelt hätte, ist in Wirklichkeit Trota von Salerno passiert, aus deren Buch die meisten von Judith verwendeten Methoden stammen.


    Ich weiß auch nicht, wie ich mich bei einem Lynchmob verhalten hätte...


    Vielen Dank für die tolle Info.


    Das liebe ich an historischen Romanen. Es ist nicht nur alles erfunden, sondern beruht auch auf historischen Ereignissen und/oder Figuren.


    Und wenn dann auch noch die Autorin daran teilnimmt ist das schon super.


    Viele Grüße :wave

  • Hui, ganz schön viel passiert in dem Abschnitt. Ehrlich gesagt, ich blick bei manchem Ränkeschmieden nicht ganz durch >.< Das stört mich grade ein bisschen.
    Wollten die Adligen jetzt diesen Jungen wählen oder nicht? Und ich hab nicht verstanden warum Walthers Lied so lustig war :(


    Ansonsten find ich es schön, dass die beiden sich wiedergesehen haben.


    Judith macht einen Sprung zur Ärztin. Leider verliert sie dadurch ihren Vater und weitere Angehörige auch noch, aber sie trifft auch ihren Onkel, den sie noch nicht kannte.
    Ob sie konvertieren wird im Laufe des Buches?


    Ja, Walther hat wohl ein schlechtes Gewissen, sollte er auch. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass er diesmal mit seinen Worten etwas hätte ausrichten können! Vielleicht sollte er Judith gegenüber zugeben, dass er einfach total in Panik war und sehr viel Angst hatte...


    Ich hab doch letztes Jahr so ein Buch gelesen, da gings auch um ne Ärztin. Die hieß auch Judith oder so. Welches war das nur gleich? Mist >.< Jedenfalls hatte sie ähnliche Gedanken und hat sich auch mal halb als Christin ausgegeben bzw nicht gesagt, dass sie Jüdin ist und so. Judith erinnert mich stark an diese Person, die einer historischen Person nachempfunden war. Daher ist ihre Geschichte sehr realistisch dargestellt denke ich.


    Bin gespannt was den beiden noch so passiert!!

  • Zitat

    Original von Nightflower


    Ich hab doch letztes Jahr so ein Buch gelesen, da gings auch um ne Ärztin. Die hieß auch Judith oder so. Welches war das nur gleich? Mist >.< Jedenfalls hatte sie ähnliche Gedanken und hat sich auch mal halb als Christin ausgegeben bzw nicht gesagt, dass sie Jüdin ist und so. Judith erinnert mich stark an diese Person, die einer historischen Person nachempfunden war. Daher ist ihre Geschichte sehr realistisch dargestellt denke ich.


    Bin gespannt was den beiden noch so passiert!!


    Das war die silberne Burg von Sabine Weigand. Das spielt allerdings erst 14hundert quetsch und die Ärztin heisst Sara. Aber du hast recht, ich hab mich auch daran erinnert gefühlt.

  • Den Vergleich mit den Singvögeln, die auch über den Winter in die Ferne reisen, um dann mit neuen Liedern heimzukehren, finde ich gelungen. Auch Walthers Schreck konnte ich förmlich spüren, als ihm bewusst wurde, dass er das kuschelige Hofleben verlassen sollte. :lache

  • Judith sollte ja nicht nur gegen ihren Willen verheiratet werden, der zukünftige Ehegespons geht auch noch ganz selbstverständlich davon aus, dass sie dann keinen eigenen Patienten behandelt, sondern ihm zur Hand geht. Da wäre ich auch ausgebüxt!
    Walter ist nach wie vor nicht meine Lieblingsfigur - obwohl ich ihn nicht von der Bettkante stoßen würde ;-)
    Das Lied für Judith ist phänomenal und man erlebt auch eine deutliche Entwicklung bei ihm, aber wie er Reinmar mitgespielt hat, da hat er noch viel gut zu machen!

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)