Die Abenteuer des Röde Orm - Frans G. Bengtsson

  • Wild ist die Welt der Wikinger: "Eine bunte und turbulente Welt zwischen Nordsee und Schwarzem Meer, in der es keineswegs höflich und edel zugeht. Kerle von unverwüstlicher Kraft und nie versagendem Appetit auf Bier, Schweinefleisch und Frauen."
    ???
    Wundert euch nicht, so etwas kommt eben dabei heraus, wenn ein Buch ins Feuilleton einer deutschen Zeitung fällt.
    Was haben wir tatsächlich? Einen sehr berühmten schwedischen Autor, Lyriker und Essayist, 1894 geboren, 1954 in Stockholm gestorben, der Ende der 1930er die Idee hatte, einen Roman über die Wikinger zu schreiben. Und zwar, das ist der Dreh an der Sache, genauso, wie es eine mittelalterliche Chronik überliefert hätte.
    Bunt ist die Geschichte, da hat der Rezensent nicht unrecht, und turbulent geht's zu, weiß Gott. Und es spielt zwischen Dänemark und dem schwarzen Meer, ganz recht. Daß es nicht höflich und edel zuginge, dürfte der ungeschliffenen Germane aber nicht in Gegenwart von Orm äußern, sonst würden die Fäuste fliegen! Wikinger haben sehr klare Vorstellungen davon, wie man sich benimmt. Und die wissen sie auch durchzusetzen!
    Kräftig sind sie allemal, Bier ist absolut notwendig (die Begründunge wird nicht nur einmal geliefert!!) und gutes Essen auch. Denn das Leben ist hart, der Tod lauert überall und die nächste Mißernte ist nicht weit. Es ist ein Verdienst dieses Buchs, daß hinter all dem Humor und den Heldengeschichten ganz unvermutete der harte Alltag jener Zeit aufblitzt, die schwere Arbeit auf Feldern und im Haus, die hohe Sterblichkeit, Krankheiten beim Vieh und bei Menschen.
    Es geht um Männerfreundschaften und um das Aushandeln des schieren Überlebens, Tag für Tag, mit den neidischen Nachbarn, den Freunden wie Feinden und den Göttern, gleich, wie sie heißen.
    Der Stil ist trocken, voller Wortwitz und Humor. Man muß sich daran gewöhnen, diese Art Erzählweise ist uns längst fremdgeworden. Lesbar wird es nicht zuletzt dadurch, daß dem Ganzen eine sehr moderne, sehr feine Ironie unterliegt, die die Brücke zu den heutigen LeserInnen schlägt. Es ist ein urkomisches Buch, man kann Tränen lachen, sobald man hineingefunden hat.
    Und die Frauen? Glaubt dem Rezensenten nichts. Die Frauen haben nämlich, wie es unter Wikingern so üblich war, durchaus ihren eigenen Wikingerinnen-Kopf.
    Da gibt es Trauszenen wie diese:
    Als der Bischof bis zu den kirchlichen Ermahnungen gekommen war und ihnen anbefahl, sich zu mehren... nickten beide zustimmend, aber als er Ylva befahl, ihrem Mann in allem untertänig zu sein, sahen sie einander an.
    'Ich werde mein Bestes tun', sagte Ylva.
    'Damit mag es anfangs gehen, so gut es eben will', sagte Orm, 'denn mit dieser Gewohnheit ist es schwach bestellt. Aber wenn es nötig ist, werde ich versuchen, dich an dieses Gebot zu erinnern.'

    Wie es überhaupt zur Trauung kommt und zu den anderen wilden Abenteuern und ob Bruder Willibald es schafft, diese dickköpfigen, widerspenstigen Heiden endlich getauft unter dem Dach seiner sehnsüchtig gewünschten Kirche zu vereinen, das lest ihr am besten selber nach.
    Ein ordentliches Bier kann bei der Lektüre nicht schaden.
    :grin
    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Schön, das es dieses Buch immer noch gibt.
    Habe es schon vor 25 Jahren gelesen und es steht schon lännger auf der Liste zum Nochmallesen.


    Irgendwie krabbelt, was gut ist, doch immer wieder aus dem Berg der Neuerscheinungen, hervor.


    Kann mich Deinem urteil nur anschließen.


    lG Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Ja, ich kann Euch nur voll und ganz beipflichten. Ist wirklich schon ewig her, dass ich das Buch gelesen habe. Leider habe ich es nicht in meinem Bestand, weil ich es mir seinerzeit heimlich aus der Bibliothek meines Vaters “entliehen“ habe.
    Aber als ich vorhin die Hinweise wegen des Biertrinkens las, fiel mir sofort eine Passage aus dem Buch ein, wo ein Wikinger einem anderen, der gerade aus einem hölzernen Teller (ja, so tranken die damals ihr Bier) sein Bier trank, gegen den Teller trat und ihm so die Kiefer brach. Werde ich nie vergessen!
    Ein tolles, empfehlenswertes Buch.

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen

  • Mary Read
    Mir auch nicht, ich bin ja schon auf die Empfehlung von jemand anders reingefallen.
    :grin
    Marlowe
    Ob DAS eine Empfehlung ist??? O, Manno!! Ich hab mich bei den Erschlagenen in der Beschreibung vornehm zurückgehalten.
    Also, blutig geht's schon zu, ab und an!
    magali

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    K. Kraus

  • Dast IST DEFINTIV eine Empfehlung, das ganze Buch ist große Klasse, dass mir diese Szene so in Erinnerung geblieben ist, was macht das schon? Ich behalte alles, was für eine Selbstverteidigung nötig und gut ist. Aber wer trinkt heutzusage noch Bier aus Holztellern. Aber weiß mans? Und wenn ich den nicht mag, dann tret ich zu. :-]

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen

  • Nun hab ich gerade einen langen langen Lesebericht über diese superfantastischtolle Buch geschrieben, und mein PC hat ihn gefressen! :cry
    Also, Leute, lesen! :-)

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Ich schleiche auch schon länger bei Amazon über dieses Buch herum, weil sie es in meine Empfehlungsliste gesteckt haben.


    Werde es mal von dort in meine Wunschliste verschieben!


  • Zitat

    Original von MaryRead
    Nun hab ich gerade einen langen langen Lesebericht über diese superfantastischtolle Buch geschrieben, und mein PC hat ihn gefressen! :cry
    Also, Leute, lesen! :-)


    Superfantastischtoll? Ich sehe, daß Orm und seine Wikinger eine neue Anhängerin gefunden haben. :grin
    Und Bengtsson natürlich auch.
    Es ist sicher ein ganz besonderes Buch, mal was GANZ anderes.
    Vielleicht hast Du ja mal Zeit für einen zweiten Bericht? Bin gespannt auf Details
    :wave

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    K. Kraus

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  • Ronja, His
    das hier ist ein Roman, kein historisches Sachbuch über Wikinger!
    Erfunden. Neu geschaffen. Fiktional.
    Hier herrschen literarisch-ästhetische Gesetze, keine, ich wiederhole KEINE historisch - sachlichen.
    Die handelnden Personen hat es so nicht gegeben. Sie agieren so, wie der Autor es will. Die Muster stammen aus Chroniken, Erzählungen, Liedern.
    Die Handlungsmuster sind Tradition. Die Stereotypen sind Tradition. Die Sprache ist grundsätzlich Tradition und doch neu.
    Aber: literarische Tradition.
    Es ist eine Hommage an die nordische Vergangenheit in Form eines Romans.


    Mit richtig versus falsch in Bezug auf FAKTEN kommt hier keiner auch nur einen Schritt weit.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • MIR ist das schon klar! :lache



    Ich wollte nur His etwas aus der Reserve locken, weil er das so dahingeschmissen hat. Hätte ja sein können, dass da ein unüberwindbarer Fehler drin ist.


    Ansonsten sind WIR BEIDE ja einer Meinung, magali. Bei mir rennst du mit solchen Postings offene Türen ein. :-)

  • Ronja, Du wolltest His aus der Reserve locken?
    Du rauchst auch Zigaretten im Tanklager, sehe ich das richtig???
    Du mußt gute Nerven haben, ick beneide Dir!

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Ronja, Du wolltest His aus der Reserve locken?
    Du rauchst auch Zigaretten im Tanklager, sehe ich das richtig???
    Du mußt gute Nerven haben, ick beneide Dir!



    Heute schon! :lache

  • *Baldriantee @magali* ;-)


    Mir fällt gerade noch ein, dass die deutsche Fassung ja eine Übersetzung ist, aber sie liest sich wie ein deutsches Original, sodass ich das beim Lesen völlig vergessen habe. Das Einzige, was so richtig danebengegangen ist, ist die Erklärung des Namens: "Orm Rothaar" nannten sie ihn, denn "Orm" heisst "Schlange". Hä?? Ansonsten aber: Respekt auch vor der Übersetzerin! Mein Eindruck ist, dass sowohl Autor als auch Übersetzerin damals einfach noch mehr Zeit hatten, ein richtig gutes dickes Buch zu machen, und es auch dem Leser zumuten mochten, sich durch ein dickes Buch zu wurschteln, ohne dass auf jeder Seite sichtbare Spannungsbögen geführt werden müssen. Wie schon mal an anderer Stelle gesagt: An dem Buch sollte man dranbleiben können, dann ist der Genuss grösser.


    Und hier nun doch noch ein paar ausführlichere Worte:


    Ich hätte nie gedacht, dass ein Buch voller hauender, raufender und saufender Wikinger etwas für mich ist. Aber in Wirklichkeit meinen die das gar nicht so, das Hauen, Raufen und Saufen. Eigentlich sind es nämlich humorvolle und kluge Leute mit dem Herzen am rechten Fleck, die Mannen von „Rothaar“ Orm Tostesson. Um das Jahr 1000, als dem Vernehmen nach die Welt untergehen soll (ob sich die Aussaat fürs Jahr da noch lohnt?), ist es nun einmal so, dass Zwistigkeiten am einfachsten und publikumswirksamsten im Kampf gelöst werden - eine Gerichtsversammlung ohne Blutvergiessen entlockt den Zuschauern gelangweiltes Gähnen. Immerhin werden strenge Regeln eingehalten: Der Boden für einen Zweikampf wird zuvor sorgfältig gefegt, damit keiner aus Versehen stolpert. Stirbt dann einer im Eifer des Gefechts, so hat sein Gegner keinen Schaden; liegt einer aber verwundet am Boden, so muss er in Ruhe gelassen werden. Und da Orm, der Weitgereiste, noch das milde Klima Andalusiens in den Knochen hat, wird sein Zweikampf im kühlen Norden kurzerhand ins Haus verlegt: Auf den Tod verwundet zu werden, das Risiko geht ein Häuptling unverzagt ein - aber dass er sich ja nicht erkältet! Bruder Willibald steht anschliessend bereit, um die Verwundeten mit allen Mitteln seiner christlichen Heilkunst zu pflegen. Doch er arbeitet unter erschwerten Bedingungen: Die Gegend dort im Norden wird noch nicht lange missioniert, und er wird noch Jahrzehnte warten müssen, bis die ersten Bischöfe endlich lange genug tot sind und ihre Reliquien den Heilmitteln die richtige Kraft verleihen.


    Schade, dass dem Buch keine Karte beigegeben ist. Ich wäre Orm gern mit dem Finger auf seinen Beutezügen und seinen Ausflügen zu benachbarten Völkern gefolgt. Gute Reiseführer und Sicherheitskräfte verdienten schon damals gutes Silber: Um den Bulgarenschatz zu bergen, den ein Überraschungsheimkehrer an fernem Ort versteckt hat, stehen Orm Männer zur Seite, die ihren Ruhm in der Schlacht von Miklagard (man denke sich ein Kringelchen aufs zweite "a") erworben haben. Der Blick auf die moderne Landkarte ist vergeblich: Miklagard (mit Kringelchen) ist kein Ort im heidnischen Skandinavien, sondern Konstantinopel. Und es ist ein weiter Weg dorthin wie auch zum Bulgarenschatz für die Langschiffe mit dem Drachenkopf am Bug, die an guten Tagen mit einem Segel vorankommen, an schlechten von den Ruderern mit Muskelkraft bewegt werden und an ganz schlechten über Land geschleppt werden müssen, wenn nur noch die Aussicht auf das kräftige Schleppbier die durstigen Seeleute bei der Stange hält.


    Was hat es auf sich mit dem Weltuntergang, mit dem verrückten Priester, der von keiner Frau lassen kann, und mit der schönen Ylva, auf die Orm aufmerksam wird, weil ihre Zunge wohl ebenso scharf ist wie sein Schwert? Da hilft nur eins: Selber schmökern. Achtung, das Schleppbier macht süchtig!

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  • MR,
    gut getroffen! Ich gehe davon aus, daß Du genauso laut gelacht hast wie ich!
    Was die Gerichtsverahndlung betriffft: hart, aber gerecht! das waren noch zeiten.
    Ich habe, btw, auch den Eindruck, daß es Zeiten gab, in denen sich SchriftstellerInnen und ÜbersetzerInnen Zeit lassen konnten. Man muß aber bedenken, daß Bengtsson eine Größe war.
    LohnschreiberInnen, nach Zeilen bezahlt, hat es auch immer gegeben.

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    K. Kraus